Lehenswesen für Fortgeschrittene
Die Retoschen Reformen haben suggerieren dem Staatskünstler eine einfache und moderne Lehenspyramide mit nur wenigen Titeln sowie gleichförmigen und gleichgroßen Ländereien.
In Wahrheit jedoch sind die Lande des Mittelreichs in über tausend Jahren gewachsen und mehrfach reformiert und rückreformiert worden, ein aktuelles Beispiel ist die Ochsenbluter Urkunde Rohajas, die viele Reformen ihres Urgroßvaters Reto relativiert oder gar abschafft.
Das Ergebnis ist ein seltsames Geflecht von Vasallen und Hegemonen, die teilweise wiedersprüchliche Rechte und Pflichten haben.
Der folgende Artikel ist eine Niederschrift eines Streitgespräches der beiden Perricumer Adeligen Efferdane von Eberstamm-Ehrenstein und Leobrecht von Ochs 1033 BF vor jungen Beamten der Reichsverwaltung anlässlich des Reichskongresses zu Perricum. Beide sind mit langjähriger Erfahrung und vielen Kontakten in der Verwaltung des Reiches ausgestattet.
Das Idealmodell
Eberstamm: Die Debrek zugeschriebenen Apokryphen zum Codex Raulis definieren die Lehenspyramide aufsteigend in, ich zitiere, "Rîter, Brôn, Gerava, Kûning, Keysherre", also übersetzt "Ritter, Baron, Graf, König und Kaiser". Wenn auch nicht durchgehend, so ist dieses einfache Gesetz bis zum heutigen Tage die Leitlinie des idealisierten Lehenswesens.
Ochs: An dieser ist es interessant zu bemerken, dass es Reto de Erneuerer war, die an vielen Stellen den Wildwuchs auf diese einfache Formel zurückschnitt - mit Einschränkungen natürlich. Selbst zu Zeiten Debreks war die obige Beschreibung ja bereits zu stark abstrahiert. Man denke nur an die damaligen Marken oder die ersten "Junktims", also zusammengefasste Ritterherrschaften in dichter besiedelten Gebieten wie der Kaisermark - den heutigen Junkertümern.
Erste Abweichungen
Schüler: Hochgeboren, wo Ihr die Kaisermark ansprecht...
Ochs: Die Kaisermark war wahrscheinlich die erste große Abweichung, wollte doch Raul nicht seine wichtigste Hausmacht aus der Hand geben.
Eberstamm: Und hier definierte Raul bereits die Wurzel des Wildwuchses, in dem er verfügte, dass die gleiche Person "vîler Lehen Herre" sein durfte. Und so ernannte er sich selbst zum Grafen von Gareth, sowie Baron aller kaisermärker Baronien - und im gleichen Atemzug zum König der Hälfte seiner Provinzen.
Ochs: Erst zu dritten Reichsversammlung unter Sighelm 147 BF trat das eigentliche Dilemma zu Tage, als der Graf von Perricum, der durch Erbfall auch Baron von Leuenthal in der Grafschaft Reychsforst geworden war, dem Reychsforster Grafen die Gefolgschaft verweigerte - mit dem berechtigten Verweis auf den gleichrangigen Titel.
Schüler: Und wie wurde das Dilemma aufgelöst?
Ochs: Sighelm 147 ist die eigentliche Geburtsstunde der Vögte. Zum Glück, möchte in meiner heutigen Situation sagen. (lacht)
Eberstamm: Es gab bis dato zwar ebenfalls Verwalter, allen voran die Fürsten und die Kaisermärker Burggrafen, aber diese hatten bisher eine rein organisatorische Bedeutung, da der eigentliche Lehensnehmer ja eben nicht überall sein konnte. Mit dem auf der obigen Reichsversammlung verkündeten "Ordal Sighelmium" sind Lehensnehmer verpflichtet, wenn sie nicht ihr eigener Hegemon sind, einen Vogt auf Wiederruf zu benennen, der alle Rechte und Pflichten des Lehensnehmers wahrnimmt.