Geschichten:Wissensdurst - Bücherwissen

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Rhys ap Rhiapp stapfte munter die Landstraße entlang, mit sich und ganz Dere hochzufrieden. Nicht im Traum wäre ihm eingefallen, dass seine gestrenge Herrin, Baronin Gunilde von Dergelstein zu Dergelstein ihm tatsächlich einmal zu Studienzwecken Urlaub geben würde. Gut, seit sie und ein paar weitere Edle der Mark unter anderem über einen uralten Folianten mit Sagen und Legenden der Mark gestolpert waren, hatte man ausgemacht, mehr über die dort erwähnten Landmarken zu erfahren. Aber dass dies bedeuten könnte, dass er selbst es sei, der in dieser Angelegenheit durch die Mark ziehen würde, davon hätte er nicht zu träumen gewagt. Vielleicht hatte die ganze Sache auch mit dem Vorschlag der Markgräfin zu tun, ihrerseits der Baronin einen Gelehrten zur Verfügung zu stellen, der die Mytrhen dieses Landstriches untersuchen sollte... auf alle Fälle war er nun unterwegs, begleitet lediglich durch ein Maultier, und vor sich die einladenden Mauern Hesindelburgs. Wie dem auch sei. Während der Geweihte das Tor des Landstädtchens passierte und den im Schatten lehnenden Bewaffneten einen Gruß zusandte, pries er Hesinde und steuerte den Marktplatz an.

Kurz hob Rhys den Blick zu den überkragenden Fachwerkgeschossen der Handelshäuser, die den Platz umschlossen und sich anschickten, die bereits tief stehende Praiosscheibe auszuschließen, dann lenkte er sein Grautier hinüber zu der schlichten aber nichts destotrotz beeindruckenden Fassade des kleinen Hesindetempels des Ortes.

Man hatte die gesamte Vorderseite des Hauses mit hölzernen Schindeln bedeckt, die, einem Schuppenkleid nicht unähnlich, so kunstvoll versetzt waren, dass sie wirkten, als habe sich eine riesige Schlange rund um den Tempel geschlungen. Einzelne Schindeln waren vergoldet worden und bildeten ein Zick-Zack-Muster, welches über die Rückenpartie der Schlange zu laufen schien. Ebenfalls in Schindeln hatte man vom Giebel des Hauses herab den Schlangenkopf nachgebildet, aus dem gerötete Schindeln herausragten und die gespaltene Zunge formten. Bei den Augen des Reptils handelte es sich augenscheinlich um kleine, grüne Butzenglasfenster, von denen der reisende Geweihte annahm, dass sie bei beginnender Dunkelheit sicherlich von innen erleuchtet würden.

Fast zaghaft klopfte Rhys an der, ebenfalls mit Holzschindeln bedeckten, zweiflügligen Tür, neben welcher ein kleines kupfernes Schild hing, welches auf den Namen des Tempels: Nomenklaturia Rohali verwies. Rhys hob eine Augenbraue. Zwar übersetzte man den Namen leichthin mit 'Vom Worte des Heiligen Rohal', streng genommen aber musste es 'die Benennungen des Rohal heißen', ein wirklich schönes Beispiel dafür, dass der Name eines Dings Macht hatte und die Kenntnis eines solchen Namens auch bedeuten konnte, sich das Benamte zu unterwerfen. Und ein Beispiel dafür, dass die Feinheiten der Sprache an das einfache Volk verschwendet waren.

Knirschend öffnete sich einer der Flügel und ein hoch gewachsener Mann trat hervor. Kurz musste sich Rhys zusammenreißen, um nicht zurückzuweichen. Der Neuankömmling sah aus wie die weniger schmeichelhaften Skulpturen, die man auf den Boronäckern all überall sah. Der Kutte nach handelte es sich um den Tempelvorsteher, einen gewissen Refardeon Scafel, doch dem Aussehen nach hätte diesem auch die Boronkutte gut zu Gesicht gestanden.

"Ihr wünscht?" Die Stimme des Mannes war so tief wie er hochgewachsen war. "Verzeiht, Rhys ap Rhiapp mein Name, ich bin hier im Rahmen einer Recherche." Rhys nickte seinem Glaubensbruder zu: "Ich beschäftige mich mit den Sagen und Legenden der Mark und habe gehört, hier bewahre man einige der wirklich alten Folianten zu diesem Thema auf.

Sein Gegenüber blühte bei diesen Worten sichtlich auf. Die schlaffen Wangen röteten sich, die Augen begannen zu blitzen und die Haltung des Geweihten veränderte sich merklich. Mit stolzgeschwellter Brust sah Refardeon sein Gegenüber an: "Da seid Ihr aber tatsächlich genau an der richtigen Stelle, mein Bruder. Nirgendwo werdet ihr schönere und wertvollere Folianten zu diesem Thema finden, denn in der hiesigen Bibliothek, einer Schenkung der Frau Baronin. Lasst euer Gepäck und euer Tier ruhig hier draußen stehen. Ich werde einen der Akoluthen bitten, es in den Stall zu bringen und Euch eine Kammer fertigzumachen. Inzwischen folgt mir und wir werden zusammen eintauchen in die Welt der Sagen und Legenden aus den Zeiten von Greifenmark und Saljeth."

Und während im Inneren die zwei Gelehrten hinaufstiegen in die von der Abendsonne golden illuminiereten Bibliotheksräume, schallten draußen das heisere Geschreih eines Esels und die unterdrückten Flüche eines Akoluthen über den Platz... wobei letztere zumindest in Bosporano erklangen.


 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Greifenfurt.svg   Wappen Baronie Hesindelburg.svg  
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 Tempel.svg
 
2. Hes 1036 BF
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Autor: Benutzer:Wertlingen