Heroldartikel:Brunis Bunter Bilderbogen Herold 25
Brunis Bunter Bilderbogen
Während ich diese Zeilen schreibe, klingt von drüben aus der Residenzstraße das Klappern von Hufen auf Pflastersteine durch die Holzläden der Redaktion. Das Heer rückt aus! Alle Kaiserlichen und alle Märker Truppen, die in Greifenfurt stationiert waren, verlassen die Stadt. Und wenn das Heer abgezogen ist, wird es hier kein einziges Pferd mehr geben, keinen einzigen Kaiserlichen und auch Medici werden rar geworden sein. Greifenfurt ist schutzlos, doch niemanden kümmert’s. Denn wenn das, was wie ein fauliger Gestank durch die Gassen steigt, wirklich wahr ist, dann wird eben dieses Heer, das gerade abzieht, zwischen der Mark und dem Feind stehen. Und wer vermag zu sagen, ob wir diesem überhaupt etwas entgegenzusetzen haben. Schutzlos sind wir letztlich schon die ganze Zeit, doch der Feind sitzt nicht etwa im Osten oder im Kamm. Ein viel tückischerer Feind grinst uns täglich an, wenn wir die wenigen Garether Thaler, die man uns noch vergönnt, aus den Taschen gezogen bekommen.
Seit Monden berennt der Ork unseren Rücken, schleudert das vermaledeite Federvieh, die Harpyien, einen Felsblock um den anderen auf unschuldige Wanderer im Gebirge und während die Mark all ihre Kräfte zusammenkratzte, dem Reich die Flanke zu decken und die Orken im Kamm zu halten, ja während wir gar noch den Weidenern ohne zag Mannen und Waffen zur Verfügung hielten, um die Heldentrutz zu befreien und zu sichern und den Nachbarn zu helfen, eine wirksame Wehr im Kamm zu errichten, strich man in Gareth ein um den anderen Dukaten des Geldes ein, das wir dem Reiche lehnstreu ließen. Doch sind die Straßen, welcher sich das Reich so rühmt, nicht mehr erneuert seit Cella und Bardo den Thron bestiegen. Und auch die Unterstützung der Märker Truppen, einst feierlich zugesagt, damit die Grenzemark das Reich schütze, ging irgendwann und irgendwo verloren und ward seither nie mehr gesehen.
Der Märkische Kämmerer zählt mittlerweile, so sagt man, schon die Knöpfe an den Jacken der Bauern, ob nicht dort noch etwas zu holen sei, denn die Mark zahlt an das Reich, dieses aber leistet keine Unterstützung für die Unternehmungen, die es der Mark auferlegt.
So hat die Mark bisher die Wacht aus eigenen Mitteln aufgebracht, die Straßen zumindest einigermaßen geflickt, bis letztlich in den vergangenen Götterläufen auch hierfür das Geld zu knapp wurde und nur noch die Barone selbst ihr Schärflein beitrugen, dass man überhaupt noch ins Hinterland kommen konnte. Geld schickt uns die gute Emer schon lange nicht mehr, wohl aber meint sie, sie müsse ihren Speer verschießen. Als ob sie in der Lage wäre, das Echo zu vertragen. Mag sein, dass einige der tobrischen Barone glücklich sind, dass die gute dem Drachen endlich mal gezeigt hat, wo’s langgeht, und den langen Speer dorthin zu schießen wagte, wo seit langem die Praiosscheibe nicht gesehen ward. Doch wohin führt das?
Die ach so guten tobrischen Helden, die ihre Zeit mit Lamentieren und Hadern verbringen und die sich nach alten Zeiten sehnen, die doch nicht mehr kommen werden, diese strahlenden Gewährsmänner des Friedens haben nun wohl endlich erreicht, wovon wir alle so lange geträumt haben: Unsere Reichsbehüterin zeigt endlich ihre kriegerischen Fähigkeiten!...
... Und Wehrheim ist ihr Schild, Gareth ihre Zunderbüchse und Greifenfurt ihre Lanze. Denn wer kann schon glauben, dass dem Greifenfurter Entsatz noch irgendetwas folgen wird? Die Nordmarken? Lachhaft! Jast der Große wird abwarten wie immer und zusehen, wie das Heer aufgerieben wird und man Emer wie eine Mücke zerquetscht. Und dann wird er einstreichen, was noch übrig ist.
Oder Albernia? Nachdem die guten ja ihr eigenes Orkenerlebnis hatten, wird es ihnen bestimmt leicht fallen, dem Prahlen Worte folgen zu lassen. Doch seid gewiss: Selbst wenn sie sich den Schwingen des Windes anvertrauen, wird es ein Wunder sein, wenn Albernia, Almada oder ein anderes Land es schaffen, rechtzeitig zu Hilfe zu kommen.
Darpatien werdet ihr sagen. Gut, wenn die Darpatier endlich einmal ihre Ränke lassen und zu den Waffen greifen, dann mag wahrlich noch Hoffnung bestehen. Doch verschafft zumindest mir der Gedanke Unbehagen, einen bewaffneten Darpaten im Rücken zu haben, selbst wenn er vorgibt, meine Seite zu schützen. Wendehälse hat es dort wie bei uns Steine. Aber natürlich würden uns unsere Nachbarn nicht mit dem Dolch abstechen wie eine Bache. Wofür haben die Guten denn seit langem einen nicht enden wollenden Giftvorrat, wie so mancher schon erleben musste. Mein Ratschlag: Kämpfe mit dem Darpaten aber trinke nicht seinen Wein.
Wie dem auch sei. Unsere Lage kann also besser nicht sein: Lange haben wir den Kopf für das Reich hingehalten und sind gerade dabei, auch noch den Schwertarm abzugeben. Und zudem reißt der Krieg ein Loch in unseren eigenen Schild wider die Orken, das zu stopfen mehr denn schwer fallen wird. 600 Mann unter Waffen verlassen Greifenfurt, mit ihnen ein paar unserer besten Offiziere und alles an Pferden, das in der Mark verfügbar war. Und zurück bleibt das einfache Volk.
Wollen wir hoffen, dass das Beispiel einiger Edler der Mark nicht Schule macht. So munkelt man, einige der Barone und Junker nützten die Situation, ihre Grenzen neu zu ziehen oder gar ihr Land so zu befestigen, dass selbst die Lehnsherrin dort bald nicht mehr willkommen ist. Vielleicht pflanzt man dort ja gar Lavendel? Wundern würde ich mich nicht. Das Krebsgeschwür hat schon vor längerer Zeit Einzug gehalten in die Mark, die noch im Orkenzug ein Volk und ein Schwertarm war. Wahrlich es kommen dunkle Zeiten auf uns zu.
Und als wären der Vorahnungen nicht genug, soll gerade heute zur Praiosstunde einer der Bannstrahler eine Vision gehabt haben, die ihn schreiend im Tempel zusammenbrechen ließ. Ausgerechnet auch noch ein Mann, der seit dem Zug über Peraines Nadel blind ist wie ein Maulwurf. So zeigt sich der Herre Praios scheint’s nur noch denen, die das Sehen verlernt haben. Dann besteht wohl doch noch Hoffnung für den von Luring, der unseres Wissens seit seiner Hinkehr zum Glauben an die große und hohe Politik seinem Herrn nur noch die Rückseite zeigt. Die Bannstrahler, scheint’s, rüsten nun ebenfalls, dem entschwindenden Heer hinterher zu ziehen. Und damit verlässt uns auch noch die letzte Truppe wackerer Streiter, die bislang in unseren Straßen und auf unseren Plätzen für Ordnung sorgte. Wohin wird das noch führen?
Vielleicht klingt mein Bericht in euren Ohren unerhört und anmaßend. Doch bedenket, wie der Herold vor nachgerade so langer Zeit angefangen hat: Er war ein Sprachrohr derer, die sich nicht mehr von den Großkopferten unterdrücken ließen. Damals war es Answin, der uns sagte, was wir zu sagen hatten. Wer ist es heute?
Ich werde jetzt meinen Bericht beenden und mich draußen in eine der Schlangen einreihen, die beim Bäcker um Brot anstehen. Das Hamstern hat mal wieder begonnen und allzu deutlich fühlt man sich zurückversetzt in die Zeit vor nun mehr über zwölf Götterläufen, als Tag und Nacht die Glocken und Gonge der Tempel erschallten und an den Toren das Schmettern der Waffen und der Belagerungsgeräte zu hören war. Mögen die Götter geben, dass sich dies nicht wiederholt. Und mögen uns die Zwölfe beschützen!
Dies wünscht euch eine zutiefst besorgte Brunichildis
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