Geschichten:Greifendämmerung - Wegelagereranfänger

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Auf der Straße zwischen Bissendorf und Klingenhort in Hirschfurten, 29. Rahja 1035 BF

In einem Wäldchen am Knick der Felder im südwestlichen Hirschfurten spielten drei Männer Paschok mit bleichen Würfeln. Der Tag neigte sich seinem Ende zu, die Wolken verdunkelten schon lange den Himmel und ein sommerliches Zwielicht kam der Dämmerung zuvor. Die drei Männer waren gerüstet, aber trugen weder Wappen noch Farben. Eine Lanze lehnte gegen eine Astgabel, die Rösser waren angehobbelt und fraßen je aus einem Hafersack. Sie schlugen mit den Schweifen immer wieder nach den Bremsen, die hier, am feuchten Waldrand, dankbar waren für so viel Blut.

Auch die Männer schlugen hin und wieder klatschend nach den lästigen Insekten, obwohl diese in der elenden Warterei die einzige Aufregung waren.

»Elf«, sagte Moribert überzeugend und reichte den umgestürzten Würfelbecher auf dem Brettchen weiter, ohne die Würfel aufzudecken. Franwin nickte - elf Augen konnte er glauben. Er schüttelte Brettchen und Becher, ohne sie voneinander zu lösen, sah selbst nicht drunter und reichte das verdeckte Ergebnis an Brobert weiter: »Dreizehn.«

Der bullige Ritter zögerte kurz und bleckte dann die Zähne: »Das hätteste wohl gerne?«, höhnte er und hob den Becher. Die die Würfel darunter zeigten 3,4 und 6. »Verdammt«, entfuhr es Brobert!

»Jetzt bestimmt, mein Bester. Immerhin waren die Würfel mal das gastfreundliche Becken meiner lasterhaften Base Rudina von Luring. Gute Arbeit, Herginde ist die beste Beinschnitzerin von Samlor! Und die verdammte Familie wird sich wohl beistehen«, ätzte Franwin, als er den Heller von Brobert entgegennahm.

»Du bist geschmacklos, Franwin.« Moribert wischte sich den Schweiß aus dem Nacken. »Sind wir sicher, dass der Sack hier vorbeikommt? Wir schütteln hier schon den ganzen Tag das Becken Deiner Base durch.« Die drei grinsten. Zwar hatte keiner von ihnen Rudina zu Lebzeiten gekannt, aber ihr Ruf war legendär - auch sechzig Jahre nach ihrem Tod.

»Glaub mir, er kommt jedes Jahr für die Schlimmen Tage nach Klingenhort zu sein armen, alten, kranken Mutter, um ihr den Übergang ins nächste Jahr zu erleichtern.« Franwin übertrieb das Mitleid in seiner Stimme spöttisch. Spätestens morgen kommt er vorbei. Außerdem ist da ja noch seine Versprochene, die wird er wohl auch sehen wollen, ehe sie im Praios heiraten, hm? Dieses Bauernpack vereinigt sich ja stets mit dem Nachbarn. Kein Wunder, dass nur Hohlköpfe in diesen Dörfern wohnen.«

»Hä?« Brobert verstand nicht.

»Das verstehst du nicht, Brobert. Was die Bauern machen ist, als würdest du deine Schwester heiraten … ja, grins nur. Klar, deine Schwester wollen wir alle mal … aber du darfst nicht!«

»Mistvieh!«, fluchte Moribert, als eine Bremse ihn an der Wade gebissen hatte.

Als die Dämmerung weit fortgeschritten war, kam ein Wanderer den Weg von Bissendorf heran. Selbstbewusst schritt er auf seinen Stiefeln aus, ein Bündel auf dem Rücken, sein Kurzschwert an der Seite. Ein Waffenknecht des Barons auf dem Weg zu Mutter und Braut. Als drei Gestalten aus dem Wäldchen, das sich in der Dämmerung tief schwarz gegen den grauen Himmel abzeichnete, auf den Weg traten, verharrte er wachsam. Eine Hand legte er an das Kurzschwert. Er war nur wenige Gehminuten vom Dorf entfernt, die Spitzen der Türme von Burg Klingenhort konnte er gut erkennen.

»Wer da? Die Götter zum Gruße!«, versuchte er es freundlich. Die drei Männer aber antworteten nicht, sondern gingen auf ihn zu - einer in der Mitte des Wegs, die beiden anderen hielten sich nach rechts bzw. links. ›Die wollen mich!«, durchzuckte es ihn. Sofort wandte er sich zur Flucht und hechtete in den Knick des Feldes rechts. Die drei rannten ebenfalls sofort los.

›Schneller! An den Feldrain, dann Eldes Knick rauf zur Obstwiese. Dort Zickzack durch die Hecken, über den Bunterbach auf Jorgens Hof!‹ Das war der Weg, den sich der Waffenknecht schnell zurecht legte. Er war flink - auf seinen Füßen wie im Kopf. Darum hatte er es auch vom Sohn der Tischlergesellin bis zu einem der vertrauten Waffenknechte des Barons gebracht. Er lief, was seine Beine und Lungen hergaben. Der Rucksack behinderte ihn zwar, aber ihn abzustreifen, hätte zu viel Zeit gekostet. Auf der Obstwiese, die von Dornenhecken durchsetzt war, damit die Tiere nicht zu viel von der Ernte mopste, merkte er, dass nur noch einer der Verfolger mit ihm Schritt hielt. Am Gatter zu Jorgens Hof, warf er einen Blickm zurück und sah, dass auch der Dritte weit zurückgefallen war.

»Jorgen! Strella!«, rief er schon, noch ehe er an die schwere Pforte des Bauernhauses klopfte. »Schnell, lasst mich rein!«

Die Tür sprang auf, und ein vierschrötiger Bauer mit dem flachsblonden Haar der Ferdoker stand auf der Schwelle, das Beil in der Hand. Hinter ihm stand seine Frau, den gespannten Kurzbogen bereit. Das zornige Gesicht des Bauern hellte sich auf: »Romin

»Keine Zeit!«, keuchte jener und drängte den Bauern und sich ins Innere des Hauses. Das war auf die Namenlosen Tage schon gut vorbereitet: Die Fensterläden waren vorgelegt und gesichert, das Vieh weggesperrt, die Vorräte ergänzt. »Ich werde verfolgt! Leg den zweiten Riegel auch vor! Uff …«

Romin ließ sich an einen Balken fallen und glitt dran hinab. »Das war knapp. Drei Wegelagerer haben kurz vor Klingenhort gelauert, und als letzte Beute bin ich ihnen kurz vor Sonnenuntergang in die Arme gelaufen.«

»Wegelagerer? Das ergibt keinen Sinn, Romin. Wer sollte denn vor Klingenhort lauern? Und worauf? Auf Ochsenkarren? Auf den Bürstenbinder?« Strella hatte den Bogen in die Ecke gestellt und reichte Romin einen irdenen Becher mit Wasser.

»Aber wenn ich es doch sage: Drei Männer, ziemlich entschlossen. Gut bewaffnet.«

»Gut bewaffnet? Und verfolgen dich bis hierher? Warum haben sie dich nicht mit einem Pfeil aufgehalten oder einem Bolzen?«

Romin krauste die Stirn. »Ihr habt recht. Die waren sehr gut bewaffnet. Und trotzdem hatten sie keinen Bogen, keine Schleuder oder so. Außerdem haben sie sich nicht eben geschickt angestellt. Wie Wegelagereranfänger …« Romin lächelte sein Lausbubengrinsen, mit dem er auch Alruna herumgekriegt hatte,. Nicht nur Alruna, um genau zu sein, aber nur sie war seine Braut.

»Bamm, bamm bamm!«, hämmerte es an die Pforte. Erschrocken zuckten das junge Bauernpaar und Romin zusammen. »Sie sind hier«, zischte Jorgen.»Sie sind dir gefolgt - sie wollen dich! Und keinen anderen!«

Wie zum Beweis rief eine herrische Stimme von draußen: »Romin Westfall! Komm raus! Dann passiert hier nichts! Hörst du! Komm raus!«

»Geh auf keinen Fall«, befahl Strella, »hier bist du sicher. Die können nicht herein!«

* * *

Der Schein des Feuers hatte über den Hügel und das Wäldchen den Himmel erleuchtet. ›Und das noch vor den Namenlosen‹, hatte der alte Ritter Hagen gedacht, ehe er mit zahnlosem Mund die Mannschaft zusammengestellt hat. Er selbst war erst am Morgen nachgeritten - seit ein paar Götterläufen war die Gicht zu einer Plage geworden.

»Alles niedergebrannt, Herr«, meldete der Apfelwirt, den die Bewohner Klingenhorts meist für sich sprechen ließen. »Das Vieh konnte irgendwann aus dem Stall fliehen, die Ziegen sind verbrannt. Jorgen und Strella auch. Scheint, dass sie in der Küche erstickt sind; sind ganz lila angelaufen mit der Zunge im Hals. Nicht verbrannt. Wo das Feuer ausgebrochen ist, wissen wir nicht. Nicht in der Küche. Vielleicht hinten im Haus? Das ist völlig ausgebrannt. Sonst war keiner da. Das ist ein großes Unglück!«




Gefangennahme von Romin Westfall bei Klingenhort in HirschfurtenWappen Grafschaft Reichsforst.svg

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Ereignis:
Gefangennahme von Romin Westfall bei Klingenhort in Hirschfurten
Datum:
29. Rah 1035 BF