Geschichten:Tsas Tränen - Kriegsrat

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Der Abend des 9. Peraine, nördlich der Stadt Appelhof


Das Zimmer, welches der Pfalzgraf von Reichsgau in seinem provisorischen Kastell zur Verfügung stellte, war eng und muffig. Der Wand gegenüber des Eingangs befand sich ein grober Kartentisch mit einer mäßig genauen Karte der Umgebung Appelhofs und mehrere Stuhle und Schemel standen im Raum verteilt. Während langsam alle Beteiligten den Raum betraten, standen der Wetterfelser und der Windischgrützer grübelnd über der Skizze und murmelten leise. Als Erster betrat, wie immer mehr als zeitig, der ambitionierte Junker von Schallenberg den Raum. Schnell und direkt stellte er sich zu den beiden Adligen und beugte sich demonstrativ betulich über die Karte, um sie zu studieren.

In Begleitung der jungen Baronin von Waldfang folgte wenige Minuten später schäkernd und flirtend der Baron von Schwarztannen, Raulfried von Schwarztannen, dicht gefolgt von Helmar von Pfortenstein und Rondradan von Pfortenstein, der eine finstere Miene zeigte.

„Ich glaube es wäre ratsam, wenn Ihr Euch hier mit etwas mehr Ernsthaftigkeit um die Sache kümmern würdet, anstelle Süßholz zu raspeln!“ zischte er Raulfried von der Seite an, während dieser galant der Dame von Waldfang auf den bequemsten Stuhl half.

Tsaiana strich eine Haarsträhne zurück und entgegnete kühl: “So wie es zu wünschen wäre dass Ihr Euch gebührlich verhaltet.“

Raulfried von Schwarztannen wandte sich an den Ritter des Luringer Grafenhofes: „Ich begegne dieser Unterredung mit der gebührenden Ernsthaftigkeit. Ich werde aber nicht meine Erziehung vergessen.“

Sichtlich empört über die Gleichgültigkeit des Heerführers setzte der jüngere Pfortenstein sich auf einen Schemel.

Gemeinsam mit dem Gräflichen Inquisitionsrat Celesto Custodias betraten Alrik von Hartsteen und Kordian Flaß von Cresseneck den Raum. Ihnen auf den Fuß folgte Magistra Erlgard Gragelsfort, die sich einen Platz im hinteren Teil des Raumes neben Helmar von Fuchsbach suchte und aufmerksam dem Gemurmel am Kartentisch lauschte.

„Ich weiß, die Karte ist nur grob“, entschuldigte sich Bernhelm von Wetterfels beim Natzunger Baron, „aber es ist das beste, was wir momentan haben.“

Bodebert von Windischgrütz entgegnete beschwichtigend: „Die Hauptsache ist, wir haben einen ungefähren Überblick über die Lage.“

Raulfried von Schwarztannen blickte sich um und sagte mit lauter Stimme: „Wenn alle da sind, können wir dann hoffentlich zur Sache übergehen.“

Vom Kartentisch her rümpfte der Schallenberger die Nase. „Nunja ... Rondra sei Dank, haben der Herr Baron von Natzungen, der Junker von Allingen und ich einen Großteil von der Gegend mit eigenen Augen gesehen.“

Eine Braue Helmars von Fuchsbach hob sich nach oben.

Bodebert strich mit seiner breiten Hand über die Karte und bat Felan um den ersten Vorschlag. Mit einem leichten Unterton entgegnete der Junker: „Wenn ich nicht irre, gebührt diese Ehre Euch Baron, und ich möchte Euch nicht darum prellen.“

„Nun, dann will ich meine kurze Einschätzung der Lage geben. Wir sind hier nördlich von Appelhof, zwischen uns liegt dieser Forst und eine Hügelkuppe. Schallenberg, Ihr erinnert Euch bestimmt daran, dass die Schwarzsöldner mit dem Bau einer Mauer begonnen haben. Sie werden den Winter über nicht untätig geblieben sein.“ Felan nickte zustimmend. „Auch erinnere ich mich daran, dass die Tore schon gut vorangeschritten waren und man mit der Aushebung von Gräben rings um die Stadt begonnen hatte“, fuhr Bodebert fort. „Ein Frontalangriff auf die Stadttore wäre daher Selbstmord.“

Helmar von Fuchsbach kratzte sich erstaunt am Kopf und fragte vorsichtig in die Runde: „Wie wollt Ihr dann schnell in die Stadt gelangen?“

„Eure Wohlgeboren, diese Frage ist sehr gut und sie muss den Kern unserer weiteren Überlegung ausmachen“, nickte Bodebert dem Neuborner zu.

„Was gibt es da zu überlegen?“, warf Felan energisch ein. „Natürlich müssen wir die Mauerstücke attackieren, die noch unfertig sind.“

Bodebert nickte wieder. „Die Mauer kann in so kurzer Zeit noch nicht fertiggestellt worden sein. Da hat Schallenberg Recht.“

Neugierig fragte Raulfried von Schwarztannen: „Gibt es Erkundigungen, ob der Ring um die Stadt bereits geschlossen wurde?“ Die Zustimmung der anderen äußerte sich in regem Kopfnicken.

„Nun, ich habe Späher geschickt“, brummte der Pfalzgraf von Reichsgau. „Allerdings ist es schon einige Zeit her. Der Nordteil scheint fertig zu sein, ebenfalls die Türme, die das Stadttor flankieren. Die große Schwachstelle scheint mir dagegen die Westseite der Mauer zu sein. Dort waren noch einige Lücken im Ring.“

Der Baron von Schwarztannen schüttelte nachdenklich den Kopf: “Wenn wir einen Zugang zur Stadt finden, der für unsere Truppen geeignet ist, würde ich lieber einen Umweg zu diesem Punkt ins Auge fassen. An der Westseite der Stadt müssten wir durch den Wald. Es wäre kein günstiges Gelände für unsere Reiterei.“

Mit einem verächtlichen Blick auf Raulfried erwiderte Felan ironisch: „Und warten bis die Mauer fertiggestellt wurde?“ Er schüttelte energisch den Kopf. „Ich meine wir müssen uns zweiteilen und von zwei verschiedenen Seiten angreifen. Und zwar dies so bald wie möglich.“

„Dazu sind wir zu wenige und die Stadt zu groß“, versuchte Raulfried seine Meinung zu verteidigen. „Wir dürfen unser Heer nicht zu weit auseinanderreißen. Eile ist geboten, da gebe ich Euch allerdings recht.“

Bodebert von Windischgrütz nickte bestimmt: „Ich stimme Schallenberg völlig zu. Die Zeit drängt. Je mehr Zeit wir den Verteidigern lassen, desto geringer ist das Überraschungsmoment.“

Erlgard Gragelsfort räusperte sich und warf von ihrem Platz aus ein: „Eine offene Konfrontation kann ebenfalls durch daimonoide Störungen erschwert werden. Dies gebe ich zu bedenken.“

„Magistra, ich denke doch dass ihr und seine Gnaden“, Felan von Schallenberg deutete auf Celesto Custodias, der mit einem hintersinnigen Lächeln den bisherigen Ausführungen gelauscht hatte, „Euch darum kümmern werdet, nicht wahr?“

Die Antimagierin nickte: „So gut es unsere vereinten Kräfte vermögen, ja. Aber wir wissen nicht genau, worauf wir zu reagieren haben.“

„Es ist ratsam, das die regulären Kräfte Vorsicht walten lassen, wenn eine Konfrontation mit abartigen Mächten stattfindet“, ermahnte der Inquisitor bestimmt.

„Vielleicht könnte man einen Ablenkungstrupp schicken?“, fragte Tsaiana von Waldfang-Angerwilde unsicher in die Runde. Doch niemand schien auf sie zu hören.

Raulfried von Schwarztannen sagte bestimmt: „Wir benötigen erst einmal einen Ort an dem wir zuschlagen wollen, bevor wir uns aufteilen, um an anderen Orten weitere Gefechte zu schlagen. Wie sieht es am südlichen Ende der Stadt aus westlich von dem kleinen Fluss?“

Auf die Karte zeigend antwortete der Pfalzgraf von Reichsgau: „Der Maßstab der Karte ist nicht so gut. Der Fluss fließt nicht an Appelhof vorbei, dort steht meines Wissens nur eine alte Burgruine. Etwa fünf Meilen östlich von Appelhof. Für die Schlacht unerheblich.

„Ich meinte diese dünne helle weiße Linie. Gibt es keine bessere Karte?“

Kordian stand auf und drückte sich nach vorne um die Stelle zu begutachten, die Raulfried meinte.

„Die weiße Linie ist die Straße durch den Feidewald“, sagte der Pfalzgraf lakonisch.

„Wie es auch sei, wir können uns jetzt günstiges Terrain aussuchen, sofern es eines gibt. Später in der Schlacht zwingen uns die Verteidiger ihr Gelände auf.“

„Ein guter Einwurf, Herr von Schwarztannen. Baron erlaubt Ihr dass ich meine persönliche Meinung und Erinnerung daran kund tue?“, stimmte Felan zu, während der Pfortensteiner provokativ einwarf: „Günstiges Terrain, Schwarztannen? Ein guter Soldat kann auf jedem Terrain kämpfen.“

„Diesen Satz haben Euch Leute gelehrt, die heute nicht mehr unter uns weilen“, schaute Raulfried Rondradan scharf an. „Wir werden jeden benötigen, den wir aufbieten können. Ich werde keinen verlieren, weil wir uns vorher zu wenig den Kopf über unser Vorhaben zerbrochen haben“

„Übertreibt es nicht, Schwarztannen“, zischte Rondradan zurück. „Wenn es Euch an Mut mangelt, solltet ihr heimkehren!“

„Es mangelt mir nicht an Mut. Vielleicht habe ich etwas zu viel Verstand“, maß Raulfried seine Blicke mit dem Pfortensteiner. Ohne den Blick von ihm zu lassen fuhr er fort: „Könnten wir jetzt zum Thema zurückkehren. Hochwohlgeboren, wann ist Euer Kundschafter losgegangen?“

„Der Späher war vor etwa drei Wochen nahe Appelhof, weit genug entfernt um vom Dämonenpack nicht bemerkt zu werden“, antwortete Bernhelm.

Bodebert schüttelte leicht den Kopf und sagte bestimmt: „Es muss ein schneller und überraschender Schlag sein. Wir sind deutlich in der Überzahl.“

„Schnell sind wir nur dort, wo auch unsere Reiterei eingesetzt werden kann“, erwiderte Raulfried. „Der Wald ist dafür zu unwegsam.“

„Also brauchen wir eine Ablenkung,“ antwortete Bodebert. „Schallenberg, wie war Eure Einschätzung des Appelhofer Umlandes? Ist es für die Reiterei möglich durchzukommen?“

Felan hatte bereits etwas missmutig darauf gewartet, dass der Baron von Natzungen ihn endlich fragen würde. Nun hob er an: „Nun wenn ihr erlaubt, möchte ich eine umfassende Einschätzung darlegen und meinen Vorschlag für eine Taktik vorbringen.“

„Schallenberg, ich bitte darum“, ermunterte ihn Bodebert fortzufahren.

Dieser, die Aufmerksamkeit genießend, beugte sich nach vorne und kreiste mit dem Zeigefinger die Stadt Appelhof ein. „Das Umland als solches ist recht unwegsam. Im Süden und Westen der Wald, im Norden Hügelland und im Osten offene Wiesen, die einem schon von weitem angreifbar machen. Wie Herr von Schwarztannen richtig darlegte, ist der Wald kein gutes Gelände für die Pferde. Im Gegenteil, das Gelände ist vom Wald her zur Stadt eher morastig. Doch der Wald hat dafür den Vorteil, dass wir recht nah an die Stadt herankommen, ohne gesehen zu werden und ohne dass wir allzuviel Furcht vor Pfeilen oder anderen Waffen für die Entfernung haben müssen. Für mich steht fest, dass wir die Stadt im Sturm nehmen müssen, denn eine lange Belagerung werden wir hier weder lange halten können, um alle Truppen zu versorgen. Das Land ist so gut wie ausgepresst durch die zwölfgötterverfluchten Dämonenanbeter. So möchte ich folgenden Plan vorschlagen: Wir teilen unsere Truppen in zwei Abteilungen, wobei die erste die Hauptstreitmacht aus den Fußtruppen ausmachen sollte. Die Zweite wird aus dem Rest und unseren schweren Reitern bestehen... wartet ab bevor ihr mich scheltet dafür die Truppen zu teilen.“ Felans Blick traf besonders den Pfortensteiner. „Die erste Abteilung wird den Angriff beginnen und aus dem Wald heraus die kürzeste Strecke überwinden um dort die Schwachstelle der Westmauer zu attackieren. Es soll so aussehen als wenn wir uns einzig und allein dort konzentrieren.“

„Na, das ist ja eine taktische Meisterleistung“, schüttelte Rondradan von Pfortenstein verächtlich den Kopf.

„Die Truppen zu teilen kann Sinn machen“, widersprach der Inquisitor. „Nach allem, was wir wissen, verfügt dieser Schwertzug über deutlich mehr konventionelle Kräfte, als der Feind. Auch die Zahl der beteiligten Bogenschützen ist ansehnlich.“

„Er wird uns geradewegs ins Verderben führen...“, erwiderte Rondradan bestimmt.

„Wenn Ihr doch alles so besser wisst“, fiel ihm Raulfried verärgert ins Wort, „dann breitet uns doch Euren fulminanten Plan aus.“

Mit Pfeilen in den Augen wandte sich Schallenberg an Rondradan: „Pfortensteiner, Ihr dürft gerne hinterher Euer Maul aufreißen, aber seid still so lange ich noch spreche. Der Rest der Fußtruppen soll von Praios die Stadt nach Rahja umgehen und dabei allerlei Zeug wie Balken und Säcke mittragen.“ Der Pfortensteiner verdrehte nur die Augen. „Währenddessen“, fuhr Felan ohne Einzuhalten fort, „halten sich die schweren Reiter im Rahja bereit und wenn die Truppen aus dem Praios den Graben erreicht haben und ihnen überbrücken, sollen die Reiter dort durch die schwach besetzte Lücke in der Mauer brechen. Damit ist der Feind sowohl gezwungen Verteidiger von der anderen Seite abzuziehen als auch werden wir dort den ganzen Schwung unserer Ritter ausnützen können, die dort nicht im Morast steckenbleiben.“ Felan räusperte sich. „Nun dürft ihr meinen Plan kritisieren, Pfortensteiner.“

„Offensichtlich“, antwortete Rondradan sarkastisch.

Tsaiana lächelte den Schallenberger an und warf schnell ein „Ich finde euren Plan gut.“

Helmar von Fuchsbach war den Ausführungen interessiert gefolgt und hatte sich neben Felan an die Karte gestellt. “Wo befinden sich eigentlich die Tore?“, fragte er den Schallenberger.

Dieser antwortete: „Hier im Norden und Süden der Straße zugewandt. Man darf sich bald fragen, auf welcher Seite eigentlich der Herr von Pfortenstein wohl steht: auf unserer oder deren...“, fragte er in den Raum hinein. „Wenn Euch nichts an diesem Schlag wider Dämonengezücht liegt, nun, ich denke, wir könnten auf Euch verzichten! Natürlich sind die Verteidiger auf den Westen konzentriert durch unseren Angriff Und so weit ist die Entfernung nicht.“

Der Pfortensteiner schaute Felan durchdringend an: „Während die feindlichen Fernkämpfer unsere Fußtruppen nieder machen, welche so ganz nebenbei gesagt, wahrscheinlich niemals den von Euch genannten Graben erreichen. Und dann wird auch der Angriff der Reiterei zurückgeschlagen.“

Der Baron von Schwarztannen schaute Felan nachdenklich an: „Auch wenn mir der Ton des Pfortensteiners missfällt, muss ich ihm in einem Punkt Recht geben. Eure Angriffspunkte sind zu weit auseinander. Die Reiterei alleine im Osten warten zu lassen, halte ich für zu gefährlich.“ Rondradan nickte Raulfried leicht zu: „Wenigstens einer ist unter uns, der sich nicht von Hartsteener Tiraden blenden lässt.“

Mit Ärger in der Stimme entgegnete Schallenberg, ohne auf die Provokation des Reichsforsters zu achten: „Wer nicht wagt der nicht gewinnt, Schwarztannen. Wir sollten dem Feind zahlenmäßig überlegen sein und müssen dies ausnutzen. Es ist die einzige Möglichkeit die Kraft unserer Reiterei nicht nutzlos zu lassen.“

Beschwichtigend erwiderte Raulfried: „Ich gebe Euch recht. Wir müssen handeln. Aber unser Heer in drei Teile aufspalten, die sich soweit voneinander bewegen müssen, ist sehr gefährlich.“

„Viel zu gefährlich,“ warf der Pfortensteiner ein.

„Wenn der Feind etwas ahnt, kann der sich einen Teil nach dem anderen aussuchen.“

Felan schüttelte den Kopf. „Nicht wenn sie abseits der Sicht dort hinter den Hügel warten.“ Er wies auf die Karte. „Ich denke das ist zwar nicht sehr nah, aber sollte ausreichen. Schwarztannen, wir sollten den Feind sogar schlagen können, wenn allein die Fußtruppen die Mauer überwinden, aber in meinem Plan sehe ich weniger Risiko.“

Helmar kratzte sich am Kopf. “Eines müsst Ihr mir erklären, Wohlgeboren von Schallenberg. Eingangs meintet Ihr, der Weg von Osten wäre zu weit und Angreifer würden zu schnell bemerkt.“

Und Raulfried von Schwarztannen ergänzte: „Unsere Truppen werden nie unbemerkt einmal die Stadt umrunden können.“

Felan schien sichtlich über den mangelhaften Entusiasmus für seinen Plan verärgert. „Nun dann schlagt doch Ihr etwas besseres vor, wenn Ihr Euch nicht traut eine Stadt zu umrunden.“

„Ich sehe nur zwei Möglichkeiten“, sagte Raulfried. „Wir greifen von Norden kommend den gesamten Wall von Nordwesten bis Norden an und halten unsere Reiterei im Hintergrund in der Nähe der Straße um einen Ausfall abzufangen...“

„Im Norden?“, rief Felan entsetzt aus. „Dort wo die Mauer bereits so gut wie fertig ist?"

„...oder wir ziehen mit dem Heer weiträumig im Westen herum gen Süden und versuchen das gleiche am Südwall. Auf beiden Seiten bieten diese kleineren Waldstücke Schutz und die Reiterei ist nah genug, um zu helfen.“

Rondradan nickte. „Der Baron hat Recht. Ich würde massiv im Norden angreifen.“

Verärgert antwortete Felan: „Natürlich muss man vorher in Stellung gehen. Wenn ihr frühzeitig zu Boron gehen wollt, dann tut das, aber lasst nicht unsere Gefolgsleute dafür bluten, Pfortenstein.“

„Dann bin für den Angriff im Süden und Südwesten“, sagte Raulfried von Schwarztannen. „Die Reiterei wartet im Süden hinter der Hauptstreitmacht. Sollte das Tor eingenommen werden, kann sie in die Stadt vorstoßen oder auf Ausfälle achten.“

„Herr von Schwarztannen“, es fiel Felan schwer sich im Zaum zu halten, „dazu müssen wir schon in der Stadt sein und das Tor eingenommen haben. Das halte ich frontal so gut wie für unmöglich. Ich wiederhole mich noch einmal: die Tore sind am stärksten befestigt. Die brauchen nicht ausfallen, wenn sie uns am Tor zusammenschießen und mit heißem Öl empfangen können. Wir müssen die Mauer an den Schwachstellen durchbrechen, dort wo sie nicht einmal begonnen wurde oder niedrig genug ist, um dort mit der Reiterei überzusetzen.“

Bodebert, der den Disput mit großem Interesse verfolgt hatte, versuchte die Wogen zu glätten und unterbrach Felan: „Schallenberg, Euer Plan ist vielleicht doch ganz gut. Wir binden den Feind durch einen Scheinangriff am Tor und stoßen in seinen Rücken.“ Der Junker nickte dem Baron von Natzungen dankbar zu für die Unterstützung.

Nachdenklich erhob Helmar von Fuchsbach die Stimme: „Mit Verlaub, Hochgeboren. Wie wäre es denn mit einer Phexenslist?“ Doch keiner der Streitenden schien ihn zu beachten.

„Wenn wir unsere Truppen im Westen und Osten aufteilen“, langsam hatte sich auch Raulfried in Rage geredet, „kriegen wir es überhaupt nicht mit, wenn sie im Westen in Gefahr geraten. Wir können unsere Größe ausnutzen und auf breiter Front die Stadt angreifen. Aber wir erreichen nichts, wenn die halbe Armee vernichtet wird, während die andere nichts davon weiß.“

„Herr von Schwarztannen“, Felans Stimme bebte, „wenn Ihr Euch nicht zutraut die Reiterei zu führen, so biete ich mich selbst für das Kommando an und meine Schallenberger Männer sollen uns den Weg über den Graben bereiten."

„Verdammt noch mal“, wütend schlug der Baron von Schwarztannen auf den Tisch. „Vor lauter Kompetenzgerangel vertun wir hier viel zu viel Zeit. Wenn Ihr nicht diskutieren könnt, lasst es. Euer Vorschlag hat Schwächen und ich bin dabei sie aufzudecken. Wir haben gar nichts davon, wenn wir nach Hause reiten und allen erzählen müssen, dass wir aus Stolz verloren haben.“

Felan schnaubte nur herablassend, entgegnete aber nichts.

„Von Fuchsbach, bitte macht Euren Vorschlag“, wandte sich der Baron von Natzungen an den Neuborner Junker.

Helmar straffte sich und sagte: „Wir wissen, und der Gegner weiß es selbst, wo die offensichtlichen Schwachstellen in seiner Verteidigungslinie sind. Die fehlenden Mauerstücke. Ich denke, sie erwarten an dieser Stelle eher einen Angriff und sie werden Vorkehrungen anderer Art zu treffen wissen.“ Helmar nickte dem Inquisitor zu. „Wir wissen auch, dass die Reiterei im Osten zu schnell gesehen wird und im Westen durch sumpfiges Gelände muss. Der beste Weg zum Einsatz der Reiter ist wahrscheinlich immer noch die Straße."

„Und damit das Tor, wenn Ihr den Einwurf gestattet“, sagte Pfortenstein lauernd.

Helmar fuhr fort: „Wie wäre es nun, wenn sich eine kleine Truppe heimlich eines der Tore bemächtigte und die Reiter in die Stadt ließe?“

Felan von Schallenberg fuhr auf: „Und wie stellt ihr euch das vor?“, während Kordian Flaß von Cresseneck leise auflachte und eher zu sich sagte: „Sehr waghalsig gedacht.“

Helmar wandte sich an den Schallenberger: „Ich war noch nie hier, Herr von Schallenberg... wie würdet Ihr so etwas versuchen? Über Ablenkung an anderer Stelle hatten wir ja schon diskutiert.“

„Mit Gottvertrauen“, rief die junge Waldfanger leise auf.

Felan schüttelte bestimmt den Kopf: „Ich halte es nicht für erfolgversprechend, leider, da dort nicht nur viele Wachen stehen, sondern die Paktierer auch dämonische Entitäten zum patrouillieren benutzen, die kaum zu sehen sind.“

Auch der Pfortensteiner warf skeptisch ein: „Ein Tor zu infiltrieren. Alleine der Vorschlag ist schon Wahnsinn.“

Helmar nickte: „Sicher.“

„Wenn der Trupp diesen Wesen in die Arme laufen sind sie so gut wie tot“, sagte Felan trocken.

„Hier muss ich dem Schallenberger zu stimmen. Er war schließlich bereits einmal hier“, meinte Rondradan.

Helmar wandte sich an Celesto Custodias: „Was sagen die Götterdiener?“

„Setzt Menschen ein, die eine Konfrontation mit finsteren Mächten gewohnt sind“, lautete die Antwort des Inquisitors.

Tsaiana schaute ihn ernst an. „So wie ihr?“

„Wir stehen dann bereit, wenn es sonst keine Möglichkeit mehr gibt. Die bestehenden Mittel sollten ausgeschöpft werden“, antwortete der Custodias.

„Welche? Genügend zu opfern, die keine Chance haben?“, ihre Stimme schien zu beben.

Kühl entgegnete der Inquisitor: „Sicherlich besteht der Heerzug überwiegend aus einfachen Gefolgsleuten, aber unter diesen werden sich auch Veteranen finden, oder?“

„Veteranen die gegen dämonisches Gezücht antreten sollen? Sind solche Wesen wider der Ordnung nicht Euer Aufgabengebiet?“

Mit einem stechenden Blick fixierte der Inquisitor Tsaiane: „Es ging hier um die Besetzung des Nordtores. Niemand weiß, worauf man dort trifft. Sicherlich kann die Sonnenlegion dafür eingesetzt werden, aber dann wird sie in keiner anderen unerwarteten Situation eingreifen können.“

„Würde man nicht ein oder zwei als Unterstützung entbehren können?“, fragte sie schüchtern.

„Ihr wollt zwei Sonnenlegionäre selbst anführen oder wem sollten sie folgen?“, fragte der Inquisitionsrat nachdenklich nach.

„Es soll ja eben still und leise und vor allem überraschend geschehen“, sagte Helmar leise. „Seit wann klopft Phex um Mitternacht lautstark an die Türe, bevor er Euren Schatz raubt?“ Felan schnaufte verächtlich: „Seid Ihr Phex? Ich bin es nicht. Und er allein vermag es wohl, diese verfluchten Paktierer zu umschleichen."

Tsaiana wandte sich an Felan: „Ich hätte eher an den Herrn von Fuchsbach gedacht. Denn, so leid es mir tut, manchmal ist der indirekte Weg der beste. Seit Gareth solltet auch Ihr offen für neue Wege sein.“

„Ja, Fuchsbachs Vorschlag erscheint mir gewagt, aber erwägenswert“, stimmte Bodebert ihr zu. „Wenn wir den Feind an anderer Stelle ablenken, dann wäre vielleicht der Weg frei.“

Raulfried von Schwarztannen setzte sich neben Tsaiana und lehnte sich zurück: „Fuchsbach, dann erläutert uns, wie ihr dies vollbringen wollt.“

Fuchsbach schaute etwas verlegen in die Runde: „Mein Plan? Nun also, die Fußtruppen starten von Westen einen Scheinangriff. Ein kleiner Trupp dringt in die Stadt und versucht leise das Nortor besetzen...

Nahezu gleichzeitig riefen Felan und Raulfried aus: "Und wo soll der Scheinangriff stattfinden? Wo der wahre?"

Unbeeindruckt fuhr Helmar fort: „Die Reiter warten auf das Zeichen und preschen in die Stadt.“

Der Pfortensteiner nickte: „Nur das erscheint angesichts der Alternative als sinnvoll.“

Auch der Inquisitor nickte: „Fuchsbach, stellt ihr den Trupp zusammen. Meine Unterstützung habt Ihr.“

Dankbar nickte Helmar Celesto zu. Tsaiana atmete erleichert durch und sagte: „Wie viele Leute braucht Ihr wohl, von Fuchsbach?“

Helmar überlegte kurz und sagte dann zu Tsaiana: „Elf Begleiter.“

Währenddessen entbrannte zwischen dem Raulfried von Schwarztannen, Felan von Schallenberg und Rondradan von Pfortenstein ein heftiger Streit.

„Ich bin für einen Angriff mit fast allen Truppen im Süden mit einem deutlichen Einsatz der Reiterei. Die Toraktion findet im Norden statt, und bei Erfolg bewegt sich die Reiterei im Osten um die Stadt herum“, machte Raulfried seine Position klar.

„So dass die Reiter auch von der Stadt aus wie Figuren beschossen werden können, während sie nahe der Stadt entlang reiten...“, fiel im Felan erregt ins Wort.

Der Pfortensteiner nickte heftig: „Ich muss Schallenberg zu stimmen! Die Reiterei braucht viel zu lange für die Umrundung der Stadt.“

Raulfried von Schwarztannen erwiderte heftig: „Dies hat den Vorteil, dass dies die kürzeste Strecke für die Reiterei ist. Ich stehe mit dem Heer im Süden und nur so viele wie nötig stehen im Norden. Der Feind hätte keine Truppen im Süden, wenn er sich noch die Zeit nehmen kann, im Osten Truppen zu sparen.“

Es brach aus Felan voller Zorn hervor: „Herr Schwarztannen, wir kämpfen nicht gegen Bauerntölpel! Ihr glaubt Eure Reiter können die Stadt von Süden nach Norden schneller durchreiten, als die dort bemerkt haben, dass sich was am Nordtor tut?“

„Ich muss Schallenberg wieder zu stimmen“, sagte Rondradan und fügte mit einem höhnischen Grinsen hinzu: „Schwarztannen, offensichtlich wurden Eure Fähigkeiten am Grafenhof überschätzt.“

Nun reichte es Felan und er wurde weiß vor Wut, als er schrie: „Pfortenstein, haltet endlich Euer Schandmaul! Ihr wollt scheinbar lediglich Zwietracht säen!“

„Schallenberg, Ihr verbietet mir gar nichts!“, schrie der Pfortensteiner zurück.

Helmar von Fuchsbach räusperte sich und wandte sich an die Streitenden: „Warum sollten wir ein Tor erobern, das Ihr für Euren Angriff gar nicht benötigt, Schwarztannen?“

„Guter Einwand, Fuchsbach!“, stimmte ihm Rondradan zu.

Raulfried versuchte sich zu beherrschen und entgegnte: “Wenn der Plan von Euch nicht funktioniert, stehen wir in schlechtem Gebiet und haben keine Chance im Westen. Unsere Reiterei können wir dann vergessen.“

Bodebert, der eine lange Zeit grübelnd den heftigen Streit beobachtet hatte, fiel Raulfried ins Wort: „Fuchsbach muss eben erfolgreich sein. Wenn Ihr ihm nicht traut, dann begleitet Ihr ihn am besten.“

Raulfried von Schwarztannen schüttelte den Kopf: „Es ist keine Sache von Vertrauen. Ihr sagtet selbst, dass man nicht weiß, welche Kreaturen uns erwarten.“

„Er wird es schaffen“, sagte Tsaiana leise in den Raum und ihr Blick fiel auf den Inquisitor. „Wenn Licht und Schatten zusammenarbeiten, wird es gelingen.“

Helmar schaute dem erregten Reichsforster Baron direkt in die Augen und fügte bedeutend hinzu: „Schwarztannen, mit Göttervertrauen kann viel gelingen.“

Bodebert schaute in die Runde. Es war ihm anzusehen, dass er alles andere als begeistert vom Verlauf des Rates war und sagte mit lauter Stimme: „Ich lege fest. Fuchsbach öffnet das Nordtor, die Reiterei wartet im Norden, um loszuschlagen. Wer führt den Scheinangriff im Westen?“

Gleichzeitig meldeten sich Rondradan und Felan und sagten: „Ich bitte um das Kommando des Scheinangriffs im Westen.“

„Sehr gut“, nickte Bodebert. „Pfortenstein, Ihr führt das Ablenkungsmanöver. Schwarztannen und ich führen die Reiterei, wenn Fuchbach das Tor geöffnet hat...“

„Was?!“, rief Felan fassungslos aus. „Dieser...“, Felan biss sich auf die Zunge, „Dieser Kerl soll ein Kommando führen? Über unsere gesamten Fußtruppen?“

„Schallenberg, nun stiftet doch nicht fortwährend Zwietracht“, unterbrach ihn erbost der Inquisitor. Pfortenstein nickte zustimmend und erwiderte spitz: „Den Scheinangriff sollte schon jemand mit Ahnung durchführen. Also kommt Ihr nicht in Betracht, Schellenberger, verzeiht, Schallenberger.“

Das alt bekannte Spottwort. Felan ballte die Faust, sein Gesicht verzog sich zu einer Maske des Zorns und er spuckte seine Antwort Rondradan förmlich ins Gesicht. "Es reicht langsam, Pfortenstein. Wenn wir hier nicht im Kampf wider Dämonen ständen, würde ich Euch zur Rechenschaft fordern. Wenn Rondra uns den Sieg geschenkt hat, Pfortensteiner, solltet Ihr Eure Beine in die Hand nehmen..."

Wieder versuchte Bodebert zu beschwichtigen: „Schallenberg, wir brauchen Euch und Eure Leute bei der Reiterei. Wenn wir in der Stadt sind, dann brauchen wir Euch dringend.“

„Baron, nur weil es euer Wunsch ist“, nickte er Bodebert förmlich zu, die Augen nicht von seinem Kontrahenten lassend. „Aber ihr solltet das Kommando über unsere halbe Armee jemand anderem übergeben."

Bodebert wandte sich an die übrigen Teilnehmer des Rates: „Tsaiana, Ihr schützt die Magier und Geweihten vor Angriffen derischer Art.“

Erleichtert schaute Tsaiana schaute den Baron an und nickte: „Ich und meine Leute werden ihr bestes geben. Bei Tsa.“

Bodebert fuhr fort: „Cresseneck, Ihr seid bei der Reiterei. Euer Hochwürden, die Antimagier werde ich Euch unterstellen. Fuchsbach, Eure Aufgabe ist die schwierigste. Stellt den Trupp zusammen. Ihr bekommt jede Unterstützung, die Ihr braucht.“

Raulfried von Schwarztannen wandte sich ernst an Helmar von Fuchsbach: „Unser Plan steht und fällt am Tor. Ihr solltet Euch die besten Männer und Frauen für das Vorhaben aussuchen und auf alles gefasst sein. Außerdem rate ich Euch, viele Magiewirker mitzunehmen.“

Helmar schaute mit leicht geneigtem Kopf in die Runde und antwortete, langsam nickend: „Danke, Euer Hochgeboren. Ich werde Euren Rat beherzigen.“

Bodebert schloss seinen Befehl ab: „Pfortenstein, Ihr beruhigt Euch und bereitet die Männer und Frauen auf den Angriff vor. Bis das Tor offen ist, werden sie unsere Stütze sein. Ist sonst noch eine Frage offen? Ansonsten sollten wir versuchen, etwas Schlaf und Ruhe zu bekommen. Der morgige Tag wird sehr anstrengend werden.“

Rondradan nickte nur und sagte mit einem kurzen Blick auf den zorngeröteten Schallenberger: „Da stimme ich Euch zu. Wir sollten in der Tat noch Ruhe suchen.“



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Kapitel 28