Geschichten:Für die Königin!
Burg Orbetreu, 05. Phex 1028 BF
Eleona ritt durch die immer noch verschneite Landschaft. Langsam ließ
Firun die Landschaft aus seinem eisigen Griff frei. Sie musste
Hadrumir sofort aufsuchen.
Hadrumir erwartete sie schon. "Was reitest du denn als seien die Niederhöllen hinter dir her?"
"Es gibt Probleme!"
Hadrumir fluchte innerlich, da sie im letzten Winter genug Probleme hatten. Bei Puleth hatten sich Söldner aus den schwarzen Landen schon im Herbst eingenistet. Sie stellten eine stetige Bedrohung dar. Im Winter waren dann Soldaten aus Gareth gekommen. Sie hatten für den Kaiser Answin von Rabenmund versucht, Vorräte zu requirieren. Bei der Erwähnung des Namens Answin von Rabenmund musste Hadrumir schlucken. Vor fast 18 Jahren hatte dieser nach dem Verschwinden Kaiser Hals den Kaiserthron an sich gerissen. Hadrumir war damals noch zu jung, die ganze Geschichte zu verstehen. Mit 15 verstand man noch nicht allzu viel von Politik. Doch Answin war gestürzt worden, um den rechtmäßigen Thronerben Brin von Gareth auf den Thron zu bringen. Aus der Haft floh er und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Konnte es wirklich sein, dass er jetzt zurück kehrte?
Auch wenn die Temperaturen im Hesinde abgrundtief kalt waren, hatte er sich von Boten und Kundschaftern die Nachricht von der Rückkehr des Rabenmunders bestätigen lassen. Aber keiner konnte ihm sagen, was genau geschehen war. Selbst als er selber versucht hatte, Informationen zusammen zu bringen, waren nichts als Gerüchte dabei rausgekommen. Durch den Winter war es aber vorübergehend zu einem Stillstand gekommen.
Und jetzt war wahrscheinlich wieder irgendein Söldnertrupp auf Schwingenfelser Ländereien vorgedrungen. Dementsprechend war Hadrumir vorbereitet, als ihn die Meldung erreichte, dass sich Eleona auf dem Rückweg befinde.
"Von wo kommen sie diesmal?"
Von Süden würden Windischgrützer vordringen, von Westen würden Kaiserliche kommen und von Norden die Schergen Varenas.
"Sie kommen aus dem Osten." Hadrumir glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
"Osten?"
"Ja!"
"Wer kommt denn aus Osten?"
"Anscheinend ein kaiserliches Heer aus Darpatien."
Also stimmten die Gerüchte wohl, wonach es um Rommilys Kämpfe zwischen Kaiserlichen und Schergen aus den Schwarzen Landen gegeben haben sollte.
Hadrumir befahl sofort seinen Männern, sich bereit zu machen. Man musste sofort aufbrechen. Es hatte schon genug Plünderungen gegeben.
Weiler Kohlerhutt, 08. Phex 1028 BF
Hadrumir konnte schon im Anmarsch auf den Weiler sehen, wie Soldaten oder Söldlinge den kleinen Weiler plünderten. In einiger Entfernung sah er weitere Kämpfer auf Pferden die Szenerie beobachten offensichtlich die Anführer dieses Trupps.
Hadrumir fackelte nicht lange und hielt direkt auf die Anführer zu. In der Mitte saß auf einem Pferd ein vielleicht vierzigjähriger, blonder Mann. Erst jetzt konnte Hadrumir das Wappen auf dem Wappenrock erkennen auf grünem Grund ein silberner Löwenkopf im Seitenprofil. Heraldik war nicht unbedingt eine der Stärken Hadrumirs, weshalb er überlegte, wo er das Wappen schon einmal gesehen haben könnte, doch es wollte ihm nicht gelingen. Also entschied er sich, auf eine förmliche Anrede zu verzichten und sprach laut:
"Euch ist hoffentlich bewusst, dass dies meine Güter sind, die Eure Kämpfer dort plündern?"
Der blonde Kämpfer hatte seinen Worten aufmerksam zugehört und antwortete nun: "Eure Güter? Ich würde eher sagen, dass dies Land der Königin Garetiens gehört. Dementsprechend hat sie das Recht sich diese Vorräte für ihr Heer zu nehmen."
Konnte also auch dieses Gerücht stimmen? Hadrumir hatte zwar davon gehört, dass angeblich Königin Rohaja die Schlacht auf dem Mythraelsfeld überlebt habe und vor Rommilys gegen Schergen aus den Schwarzen Landen kämpfe.
"Ihr meint, Königin Rohaja ist mit ihrem Heer hierher unterwegs?" fragte Hadrumir etwas verunsichert.
"Nun, nicht unbedingt hierher, aber sie ist auf dem Weg nach Gareth."
"Ich verstehe."
"Wer seid Ihr überhaupt?" fragte der blonde Kämpfer nun Hadrumir.
"Hadrumir von Schwingenfels"
"Ich bin Marschall Alrik vom Blautann und vom Berg und muss ein Heer versorgen. Anders ist Gareth nicht vom Rabenmunder zu befreien."
So langsam begriff Hadrumir die Hintergründe.
"Exzellenz, trotzdem muss ich protestieren. Ich muss meine Männer genau wie Ihr versorgen."
"Darauf kann man in der momentanen Situation keine Rücksicht nehmen. Im Übrigen, die Kämpfer, die Euch begleiten, scheinen mir keine Landwehrleute zu sein."
"Habe ich Euch nach dem Grund Eures Aufenthalts gefragt?", antwortete Hadrumir scharf. Der Marschall schaute Hadrumir anerkennend an. Beide wussten, dass der Marschall eigentlich nicht hier sein durfte. Er sollte in Weiden sein. Dieser Punkt ging an Hadrumir.
"Was wollt Ihr denn dagegen tun?" fragte er schließlich abwartend.
"Nichts!", antwortete Hadrumir. "Außer Euch zu unterstützen."
Fünf Stunden später
Hadrumir hatte sich und seine Leute dem Heerbann der Königin
Garetiens unterstellt. Eleona war von dieser Entscheidung nicht
begeistert, trotzdem folgte sie Hadrumir bedingungslos. Raul hatte
auch eine lange Diskussion mit Hadrumir geführt. Die zwei alten
Freunde waren sich einig, dass sie für diese Operation Ressourcen
investieren mussten. Doch im Gegensatz zu Hadrumir hielt Raul dies
für verschwendete Ressourcen. Trotz der unterschiedlichen Ansichten
hatte Hadrumir seine Kämpfer zum Heerbann der Königin bringen können.
Vor den Toren Gareths, 15. Phex 1028 BF
Diese Schlacht lief überhaupt nicht gut. Hadrumir hatte einen Teil seiner Truppen im Handgemenge verloren. Jetzt kam vom Feldherrenhügel der Befehl zum Rückzug. Hadrumir fühlte sich seltsam schwach und schaffte es nur mit Mühe, dem Befehl nachzukommen. Er wusste nicht warum, aber irgendwas stimmte mit ihm überhaupt nicht. Die Reiterei hatte sich erneut gesammelt und ritt nun auf einen großen Trupp zwergischer Armbrustschützen zu. Hadrumir suchte sich gerade ein Ziel für seine Lanze, als zwischen den Zwergen Hellebardiere hervorsprangen. Vom Feldherrenhügel war ein Hornsignal zu vernehmen. Hadrumir riss seine Lanze in die Höhe und lenkte sein Pferd in weitem Bogen zurück zum Feldherrenhügel. Bei den Göttern, dies ist Wahnsinn, dachte er bei sich. Als sein Blick über das Schlachtfeld wanderte, konnte er sehen, wie sich die Goldene Lanze aus den Reihen des Gegners löste und zum Angriff auf das Zentrum der Rohajatreuen formierte. Dies war das Ende. Die Königin hatte nicht mehr genug Truppen, um diesem Angriff abzuwehren.
Plötzlich wandte sich Raul an ihn. "Hadrumir, sieh doch!"
Hadrumirs Blick folgte dem ausgestreckten Arm seines Freundes. "Was zum ... Das kann doch nicht möglich sein! Ist dies ... Aber das ist ein Wunder!"
Vor dem Feldherrenhügel saß auf einem Pferd vor der Königin im Krönungsmantel und mit der Raulskrone Kaiser Hal. Hadrumir verfluchte sich, dass er keinen Dukaten zur Hand hatte, welcher immer noch das Abbild des Kaisers zeigte. Das konnte doch nicht sein.
Weit tragend vernahm Hadrumir die Stimme der Königin: "Die Rückkehr des Kaisers wird beweisen, dass Answin kein Recht auf den Thron des Reiches Rauls hat! Auf die Pferde! Zum Sieg!"
Hadrumir konnte sehen wie Kaiser und Königin zusammen die Reihen der Reiter entlang ritten. Der Herold ließ das Horn erklingen: Das Signal Gottkaiser Hals. Hadrumir konnte dies immer noch nicht fassen. Wie der Rest der Kämpfer reckte er die Faust zur alten Grußformel in die Höhe.
Mit Kaiser und Königin an der Spitze griffen die Reiter erneut an. Diesmal hielten sie auf die Goldene Lanze zu. "Für Kaiser und Königin!" erschallte es aus den Kehlen der Reiter und auch Hadrumir stimmte in den Schlachtruf ein.
Immer näher kamen sich die beiden Reiterheere, als plötzlich die Kämpfer der Goldene Lanze die langen Waffen hoben und die Pferde in weitem Bogen an Rohajas Heer vorbeiführten. Hadrumir glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, als die Reiter sich in die Schlachtformation der Rohajatreuen einreihten und den Schlachtruf "Für Kaiser und Königin!" aufnahmen.
Mit voller Wucht fuhren die Reiter in das Zentrum der Answintreuen ein. Hadrumir durchbohrte mit seiner Lanze einen Fußkämpfer und befand sich nun mit weiteren im Gefecht. Wie das Gefecht im Allgemeinen verlief, konnte Hadrumir nicht sagen. Irgendwo weiter vorne mochten die Königin und der Kaiser kämpfen.
Plötzlich bemerkte Hadrumir, wie sein Pferd zusammenbrach. Irgendein Bastard hatte es gewagt seinem Pferd an den Hinterbeinen zu verletzen. Erst als sich Hadrumir wieder aufrappeln wollte, merkte er, dass es um ihn herum merklich dunkler geworden war, obwohl es doch Mittag war. Die Kämpfe waren nahezu zum Erliegen gekommen. Hadrumir war eigentlich alles egal, was vor sich ging. Er war zu erschöpft, um überhaupt noch einen Gedanken zu fassen. Ihm ging es aber nicht als einzigem so. Um ihn herum schien jeder Kämpfer müde und erschöpft den Kampf eingestellt zu haben. Sein Verstand nahm zwar noch die aufziehende Dunkelheit wahr, aber Hadrumir war nicht in der Lage, zu realisieren, was vor sich ging.
Burg Orbetreu, 26. Praios 1029 BF
"Also hat das Reich eine Kaiserin", sprach Ludorand ruhig.
Hadrumir nickte ruhig. Er hatte nicht mehr mitbekommen, was in der Schlacht der drei Kaiser geschehen war. Den Berichten zu Folge war der Schwarze Drache erschienen. Die Kaiserin hatte sich mit Hal und Answin gegen ihn gestellt und ihn vernichtet. Answin war dabei zu Tode gekommen. Von Hal wurde berichtet, dass er wieder entrückt worden sei. In langen Verhandlungen wurde die neue Ordnung des Reiches besprochen und schließlich wurde Königin Rohaja zur Kaiserin gesalbt. Hadrumir war einige Zeit in Gareth geblieben. Er war verletzt gewesen und hatte Ruhe gebraucht. Obendrein hielt ihn das Interesse an den weiteren Vorgängen in der Hauptstadt.
"Und was wird jetzt geschehen?", fragte Ludorand.
Hadrumir wusste, dass er mit der Frage vor allem auf die Familiensituation ansprach. Kaiserin Rohaja hatte das Fehdeverbot aufgehoben, Ludorand war zum neuen gräflichen Zeugmeister bestellt worden und der Konflikt mit den Windischgrütz war immer noch nicht beendet. Hadrumir goss sich noch etwas Schnaps nach.
"Das wird die Zeit zeigen."