Garetien:Siegestempel

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Der Siegestempel

»Es ist an der Zeit, ein Monument zu bauen, um den Göttern zu danken, ein Mahnmal für die Gefallenen und jene, die noch fallen werden, ein Fanal aber unserer Hoffnung auf einen endgültigen Sieg, die Freiheit der Zwölf-göttlichen Lande und ein zwölfgöttliches Paradies für uns alle!«

Aus der Stiftungsurkunde für das Siegesmonument, 32 Hal


Seit vor einem Götterlauf die Entscheidung gefallen ist, das ambitionierte Projekt des garetischen Adels, das Siegesmonument in Puleth zu errichten, um an den Sieg und die Gefallenen der Schlacht an der Trollpforte zu gedenken, hat sich neben der Stadt eine zweite Stadt entwickelt: Schon kurz nach der Entschei-dung wurden die ersten Baracken für die Arbeiter, Tagelöhner und Fronschuftenden errichtet, der Baugrund abgesteckt, die Verantwortlichkeiten verteilt. Anfang 32 Hal kam der Eslamsgrunder Architekt Garibald von Schefferstein nach Puleth, der sich zunächst ein Haus entwarf, das kurz vor der Fertigstellung steht.

Der Baugrund des Tempels ist deutlich sichtbar: Stecken und Leinen symbolisieren die Außenwände, tiefe Schächte wurden für die ersten Säulen errichtet, ein riesiges Becken wurde bereits ausgehoben, um die gigantischen Fundamente zu bergen, die dermaleinst die zweitgrößte Kuppel der aventurischen Welt zu tragen. Granit aus den Trollzacken wurde zu Platten und Quadern verarbeitet und kleidet nun die Baugrube aus. Erste Gewölbe sind zu erahnen, einzelne Pfeiler und Träger ragen aus dem Boden weit über die Köpfe der Arbeiter. Eine riesige Abraumhalde erstreckt sich südlich des Baugrundes: ein Hügel aus aufge-schüttetem Erdreich, der wie ein Wall wirkt. Unweit davon lagern die großen Granit- und Marmorblöcke, die aus den Trollzacken und dem Raschtulswall herangeschafft wurden. Sie werden in den Baracken und Werkstätten von Steineklopfern und Steinschlägern bearbeitet, von kundigen Steinmetzen beaufsichtigt und angeleitet. Sie selbst formen die exakten Quader und Platten und zerstreuen sich mit den Entwürfen zu Kapitellen und Figuren, deren Rohformen bereits jetzt wie starre Zeugen zwischen den Bretterbuden stehen. Nahe bei stehen die Unterkünfte der Arbeiter: ein regelrechtes Dorf mit Schenke und Kramladen, Schuster und Heiler. Hier soll es auch die erste Hure geben, die Puleth seit Jahrzehnten gesehen hat. Die unfreien Arbeiter fristen ihr dasein zwischen Arbeit, Fressen und Schlafen, die Werkmeister und Hand-werker besiedeln eine freundlichere Ansammlung von Hütten. Die wenigsten dieser Unterkünfte wirken wie ein Provisorium: Man hat sich hier auf Dauer eingerichtet, wie auch das steinerne Hospital, die feste Küche und nicht zuletzt das »Herrenhaus« Scheffersteins vermitteln. Zwischen den Unterkünften befindet sich ein dreifach geweihter Schrein für Ingerimm, Simia und den Hesindeheiligen Cereborn.


Pilgerhospize

Auch wenn die Fertigstellung des Tempels vielleicht erst die Kindeskinder der Heutigen sehen werden, hat sich doch ein erster stetiger Strom an Pilgern eingestellt. Warum warten, bis alles fertig ist, wenn man dann schon tot ist? sagen sich die Leute und wollen schon heut den Zwölfgöttlichen Segen des Monumen-tes empfangen. Zahlreiche Laienbrüder verschiedener Kirchen haben sich hier eingefunden und betreiben zwei konkurrierende Hospize – schon jetzt angelegt wie echte Klöster, wenn auch noch größtenteils aus Brettern errichtet. Das »Hospiz zu Ehren Raidri Conchobairs« zieht vor allem die rondragläubigen Soldaten, Kampfer, Veteranen, Kriegsversehrten und Waffenbrüder an. Hier werden Schaukämpfe genauso abgehalten wie zünftige Trinkgelage; kurzum, das Hospiz wirkt wie ein Lager von in die Jahre gekommenen Söldlingen. Das »Hospiz unserer gütigen Etilia« hingegen trägt sich mit dem ernsten Ansinnen, den Schrecken des Krieges, der Trollpfortenschlacht allen voran,. zu lindern und Trost da zu spenden, wo alte Wunden des Verlustes geschlossen werden müssen, Zuversicht aber da, wo jemand dem Schlachtentod – vielleicht in den Schwarzen Landen – entgegen sehen muß. Einige Laienbrüder und Schwestern des Ordens der Etilianer haben hier eine Gemeinschaft aufgezogen, begleitet von vereinzelten Golgariten, Therbuniten und sogar einem Praiosgeweihten des braniborischen Zweiges der Kirche. Klar ist, daß zu diesen Hospi-zen sich noch weitere gesellen werden. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Avesbrüder sich hier nieder-lassen wollen, daß die Traviakirche die Öffnung eines Klosters erwägt und daß auch die Bannstrahler Inte-resse bekundet haben. Zu den hohen Feiertagen der einzelnen Kirchen erwartet man hier entsprechend gestimmtes Pilgervolk; und da die Zwölfgötter im ganzen Jahr ihre Verehrung genießen – jeweils einen Mond lang – richtet man sich auf einen niemals abebbenden Pilgerstrom ein. Die ersten Reliquien sind auch schon an den Ort gebracht worden und werden durch die Nandusgeweihte Virlana Wuderbach im Lager der Zornritter gehütet: Waffen und Rüstungen von berühmten Helden der Trollpfortenschlacht, liturgische Gegenstände und Insignien dort gefallener Geweihter, Wappen und Schmuck gefallener Adeliger etc. Eine Aufteilung der Reliquien auf die einzelnen Altäre steht freilich noch auf Jahre aus, desgleichen die Ausstattung mit echtem Reliquiar, beispielsweise der Hand Gerons oder dem Augenlicht Argelions.


Der Tempel

Das Monument zum Mahnen an den Sieg an der Trollpforte und zu Ehren alle Zwölf Götter soll eine Kopie des Sonnentempels zu Gareth werden – lediglich um ein Zwölftel verkleinert. Dazu hat man die alten Baupläne des Baumeisters Owilmar von Gareth aus den Archiven der Stadt des Lichtes geholt, woselbst das Vorbild in den Jahren 581 – 542 vor Hal errichtet worden ist. In den zwölf Nischen der Rundsakrale sollen Tempel zu Ehren aller Zwölf Götter geweiht werden, so daß das Heiligtum wahrlich dem ganzen Pantheon gewidmet sein werde. Der maximale Durchmesser des Gebäudes wird an Rand der äu-ßeren Kolonnaden 208 Schritt betragen, der des Innenraums wird zwischen den Götternischen immerhin noch 115 Schritt betragen, während die freie Halle einen Durchmesser von 66 Schritt besitzen wird. Ge-baut wird mit feinstem Marmor aus dem Raschtulswall, der von den besten Prospektoren aus den Ferkinagebieten geholt wird. Jede Woche kommen mehrere Dutzend Ochsenkarren am Baugrund an und bringen schwerste Ladung. Holz für den Bau liefern die Baronien Bärenau, Natzungen und Reichsgau, wo ganze Wälder gerodet werden. Im Ganzen, schätzt man, werden im Laufe des nächsten Götterlaufes mehr als tausend Männer und Frauen am Bau beteiligt sein.


Das Kastell des OZR

Liebevoll wird das bretterumzäunte Lager der Zornritter »Kastell« genannt, wobei die garetische Lanze des Ordens nicht einzuschätzen weiß, ob der Name Spott oder Achtung bedeuten soll. Der Orden leistet sei-nen Beitrag zur Errichtung des Monumentes, indem er die Baustelle bewacht und von den Übeln fernhält, die über sie kommen könnten: angefangen bei Dieben und Räubern bis hin zu Störenfrieden von jenseits der Trollzacken. Die Garetier und die Pulether –und nicht zuletzt auch der garetische Adel – rechnen es dem Eslamsgrunder Orden hoch an, daß sie dem Projekt ihre Mithilfe gewähren; gab es doch im Vorfeld der Planung, als noch Burggraf Parinor von Borstenfeld um Unterstützung und Mittel warb, einigen Ärger gerade mit Or-den der Rondrakirche, namentlich den Schwertern zu Gareth. Dennoch munkelt man, daß die garetischen Teile der Zornritter eigentlich noch mehr tun wollten, als nur Wache zu schieben. Immerhin sieht man den Wächter Garetiens, Gerion Sturmfels, bisweilen am Ort, der sich bemüht, den Rittern mehr Eifer einzuhauchen, als nur Dienst nach Vorschrift zu tun.


(B.Berghausen)