Geschichten:Ausgeschwärmt – Etilia

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Burg Zwingstein, 1. Hesinde, in der Nacht

„Sag mal, Lorine“, hob Nurinai am Abend an, nachdem sich die drei Schwestern und ihre Pagin zurückgezogen hatten, „War eine Geweihte bei Ailsa und Dir?“

Aus müden Augen schaute die kleine Pagin die Geweihte an: „Seltsam, dass Ihr mich das fragt.“

„Und?“, hakte Nurinai nun nach, „War da eine Geweihte?“

„Nein“, erwiderte das Mädchen und schüttelte schläfrig ihren Kopf, „Eine Geweihte war da nicht. Aber...“

„Aber?“

„Aber die heilige Etilia war da.“

„Die...“, Ailsa stockte, „... die heilige Etilia?“

„Das hast Du doch geträumt!“, meinte Scanlail, „Lorinchen, flunker uns bloß ni...“

„Jetzt seid doch mal still!“, rief die Geweihte ihre Schwestern zur Ordnung.

„Sie war aber da!“, verteidigte sich die kleine Pagin energisch, „Die heilige Etilia, sie war da.“

„Und... hat sie sich dir auch so vorgestellt?“

„Nein, aber ich kenne doch die heilige Etilia!“, wieder nickte das Mädchen, „Ich weiß genau wie sie aussieht. Und die Frau sah genauso aus. Genau so. Also kann es nur die heilige Etilia gewesen sein.“

Nurinai nickte. Ailsa und Scanlail guckten sich zweifelnd an.

„Das glaubst Du doch nicht wirklich, blühende Narzisse?“, wollte die Ritterin wissen.

„Ich habe auch Nella gesehen, obwohl die gar nicht wirklich da gewesen sein kann...“, gestand Scanlail schulterzuckend.

„Das Du nicht ganz richtig im Kopf bist, das wusste ich schon immer“, murmelte die Ritterin und wurde sogleich mit einem bösen Blick ihrer mittleren Schwester belegt.

„Du dachtest ja auch, wir würden Dich aussetzten“, relativierte die Geweihte.

Da musste Ailsa lachen.

„Ach, haltet doch alle beide den Mund!“, schimpfte die Skaldin eingeschnappt, „Was wisst ihr denn schon!“

„Ich weiß“, hob Nurinai da an, „Dass die Geweihte...“

„Es war die heilige Etilia“, korrigierte Lorine nickend, „Ganz sicher.“

„Nun. Sie hat etwas dagelassen. Im Gegensatz zu Nella.“

„Und... was soll das sein?“, wollte Ailsa schulterzuckend wissen.

„Ja, genau, was soll das sein?“, pflichtete ihre jüngere Schwester ihr bei.

„Du trägst doch einen schwarzen Karneol um Deinen Hals, nicht wahr?“

„Ja, aber... aber das ist doch Deiner“, instinktiv fasste sich Ailsa an ihren Hals und suchte dort nach dem Edelstein, den sie um ihren Hals trug.

„Ich hab meinen noch“, erwiderte Nurinai und zog ihren schwarzen Karneol, den sie auch an einem Lederband um den Hals trug, zum Beweis hervor.

„Aber... aber... aber...“, stammelte nun Scanlail, „Was geht hier vor?“

„Hat euch unser Vater je von der Nacht meiner Geburt erzählt?“

„Es war der 30. Firun. Sie waren eingeschneit. Es war bitterkalt. Du wurdest mitten in der Nacht geboren. Er hat schrecklich geweint...“, begann Scanlail, „... so wie bei uns allen.“

„Ja, auch das. Aber das war nicht alles“, hob da die Geweihte an, „Um Mutter und mich stand es schlecht. Sehr schlecht. Vater hat versucht Hilfe zu holen, aber sie waren eingeschneit. Wäre er gegangen, hätte das seinen sicheren Tod bedeutet und ihr wart ja auch noch da. Deswegen ging er nicht und dann, spät in der Nacht, da kam eine Geweihte vorbei. Es war...“

„Die heilige Etilia?“, fragte Lorine neugierig.

Nurinai zuckte mit den Schultern: „Zumindest war es eine Etilianerin. Angeblich hört sie auf den Namen Nurinai.“ Sie lachte. „Deswegen heiße ich heute so.“

Einen Moment war es still.

„Mutter und auch ich verdanken dieser... Fremden unser Leben. Sie hat es uns geschenkt oder aber zumindest unser Leben bewahrt. Und seit diesem Tag tragen wir beide einen schwarzen Karneol um unseren Hals.“ Sie nickte vielsagend. „Vater hat versucht die Geweihte zu finden. So viele Etilianer gibt es ja eigentlich nicht. Aber...“ Nun zuckte sie mit den Schultern. „Gefunden hat er sie nie.“

„Das war die heilige Etilia“, schloss Lorine und untermalte ihre Vermutung mit einem energischen Nicken, „Sie hat Euch und Eure Mutter beschützt, Ihro Gnaden, so wie sie auch Eure Schwester beschützt hat. Und sie war es auch, die mit mir auf Beißi saß und Flocke gerächt hat...“

Darauf wusste keine der Schwestern etwas zu sagen. Alle drei warfen sich lediglich vielsagende Blicke zu.

„Leg ihn nie ab“, riet Nurinai jedoch noch, „Hörst Du, weiße Lilie?“

Ailsa schluckte schwer: „Was geschieht, wenn ich es tue?“

„Als ich mein Noviziat antrat, haben sie es versucht. Daraufhin wäre ich fast gestorben...“

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„Glaubst Du, es war wirklich die heilig Etilia?“, wollte Ailsa wissen, als sie alle im Bett lagen und keiner von ihnen Schlaf finden konnte, nicht einmal die kleine Pagin, dabei waren sie alle schrecklich erschöpft.

„Es ist nur eines sicher“, erwiderte Nurinai, „Wir haben eine mächtige Verbündete. Eine sehr mächtige.“

Heilige Etilia“, hob da nun die kleine Pagin an, „Danke, dass Du Ihro Gnaden, ihre Mutter und meine Pagenmutter beschützt hast. Ganz gewiss wirst Du auch uns andere schützen.“


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Texte der Hauptreihe:
K1. Praios
K2. Firun
K3. Rondra
K4. Boron
K5. Efferd
K9. Travia
K10. Hesinde
K11. Tsa
K12. Phex
K14. Etilia
Autor: Orknase