Benutzer:Orknase/Briefspiel

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Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.

Drei Krähen und ein Räblein

Totgeboren

Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042, am Morgen

Totenruhe

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Totenwacht

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042


Die Würfel sind gefallen

Die erste Nacht

Der Morgen danach

Donnerhof, Anfang Hesinde 1042

(...)

Der Götter Werk und Yolandes Beitrag

Lehrstunden (Dritter Teil)

Schloss Dryadenstein, 17. Ingerimm 1042

(...)

Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Befleckt

Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Yolandes Werk

Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen

Ein Antrag mehr

Burg Scharfenstein, 3. Peraine 1043

(...)

Konspiratives Treffen

Burg Rallingstein, Peraine 1043

„Dass ich das noch einmal erleben darf“, begrüßte der Junker zu Erlenfall das Oberhaupt der Familie Schwarztannen mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen, „Was für eine Ehre Euch hier auf Burg Rallingstein begrüßten zu dürfen, Euer Hochgeboren.“ Die beiden letzten Worte betonte er überdeutlich.

Enria von Schwarztannen holte Atem: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund, Euer Wohlgeboren. Meint Ihr nicht auch?“

„Oh, wie recht Ihr doch habt“, stimmte er ihr da vielsagend zu, „So recht.“

„Nun, angesichts der derzeitigen Umtriebe, die hier in Schwarztannen vonstatten gehen, scheint eine zeitweilige Allianz die einzige Möglichkeit zu sein, der Krähen Herr zu werden.“

„Dann setzt Euch doch an die bescheidene Tafel...“, lud der Vogt Emmeran von Erlenfall sie alle ein, „... unserer bescheidenen Burg.“

Es wurde Wein gereicht.

„Bescheiden“, spottete Helmrat von Schwarztannen-Scharfenstein, der natürlich auch einen Anspruch auf die Baronswürde erhob, den man aber gemeinhin als Hochstapler betrachtete, weil er seinen vermeintlichen Anspruch auf die Abstammung aus der längst erloschenen Linie der Familie Schwarztannen-Scharfenstein ableitete. „Äußerst bescheiden.“ Er trank einen großen Schluck Wein.

Bescheiden war freilich hier überhaupt nichts. Die Familie Erlenfall hatte sich mit Burg Rallingstein verewigt und zeigte damit überaus deutlich wer sie war und auch das sie für Höheres bestimmt war und das war mindestens der Baronsthron.

„Ich denke wir sind uns einig“, ergriff nun der wenig schweigsame Boronidan Eslam von Erlenfall, Prätor des Boron-Tempels zu Hexenmühle das Wort, „Das Problem ist nicht Baron Drego an sich. Er ist genauso beeinflussbar wie sein Namensv...

„Hört! Hört!“, rief der Schwarztannen-Scharfensteiner schadenfroh dazwischen, nahm einen kräftigen Schluck Wein und legte den Finger ganz tief in die Wunde, „Warum sitzt dann nicht eine Eurer Familien auf dem Baronsthron?“

„Es ist nicht der Baron. Es sind die Krähen. Sie umringen ihn. Schotten ihn ab. Lullen ihn ein. Und machen sich dabei überall breit. Fast sein ganzer Hof besteht aus ihnen. Und die schlimmste von ihnen, die Oberkrähe, diese Alisa...“

Ailsa“, gluckste Helmrath da amüsiert, „Ailsa. Ihr scheint nicht sonderlich gut informiert zu sein. Vielleicht ist daran Eure Einflussnahme gesch...“

„Sie ist das eigentliche Problem“, fuhr der Boron-Geweihte fort, „Wenn wir es schaffen sie in Misskredit zu ziehen, dann sind wir sie los und die restlichen Krähen auch.“

„Und was...“, meldete sich nun Sigmunde Brinhild von Schwarztannen zu Wort, „... schwebt Euch da so vor?“

„Ganz einfach“, meinte der selbsternannte Baron zu Schwarztannen, „Wenn sie eine Liebschaft mit einem anderen hat, noch besser wäre ein Kind, was glaubt Ihr, wird der Baron tun?“

„Er wird sie verstoßen“, schloss Raulbrin Reto von Schwarztannen, „Und wenn sie fällt, dann werden auch die anderen Krähen fallen.“

„Klug beobachtet“, pflichtete ihm der Junker bei, „Überaus klug.“

„Wir schmieden also ein Komplott“, fasste die Edle zu Gerbachsroth zusammen, „Gewissermaßen verabreden wir eine Allianz.“

„Eine zeitweilige Allianz“, korrigierte Enria von Schwarztannen unter dem Nicken Emmeran von Erlenfalls, „Die andauern soll, bis die Krähe fällt.“

„Bis die Krähe fällt“, stimmte der Junker ihr zu, „Danach kämpft wieder jeder allein.“

„Nun“, der Boron-Geweihte erhob sein Glas, „Fann lasst uns darauf trinken: Auf den Fall der Krähe!“

„Auf den Fall der Krähe!“, echoten sie.

Kindesraub

Wehrhof Gerbachsroth, Peraine 1043

Als Drego von Altjachtern zusammen mit seiner zukünftigen Gemahlin Ailsa ni Rían die Stube des Wehrhofes Gerbachsroth betrat, standen sie einem Knaben von ungefähr sechs Götterläufen gegenüber.

„Ihr seid ja...“, die Augen des Knaben wurden groß, als er begriff, wer da gerade vor ihn getreten war, obgleich man den Baron und seine Liebste angekündigt hatte, „... ja wirklich der Herr Baron!“

Milde lächelte dieser ihn an und blickte auf den vor ihnen stehenden Knaben herab: „Nun, der bin ich. Das hast du gut erkannt. Und wer bist du?“

Stordan Raulfried von Gerbachsroth, Euer Hochgeboren“, antwortete der Knabe sichtlich nervös und verbeugte sich, „Und in Abwesenheit meiner werten Frau Mutter Herr über dieses Haus.“

„Dann sei uns gegrüßt, Stordan Raulfried von Gerbachsroth“, erwiderte der Baron, „Herr über dieses Haus.“ Da deutete er auf die Frau neben sich. „Dies ist meine Verlobte und zukünftige Gemahlin Ailsa ni Rían.“

„Die Zwölfe mit Euch“, nun verbeugte sich der Knabe auch vor Ailsa, „Ähm... Euer... hm... Hochgeboren?“

Seine Frage blieb unbeantwortet, stattdessen lächelte Ailsa ihn an: „Sei auch du mir gegrüßt Stordan Raulfried von Gerbachsroth und seien die Zwölfe allzeit mit dir.“

Einen Moment herrschte Schweigen. Die Bediensteten beider Seiten standen unschlüssig herum, belauerten sich, niemand schien zu wissen, weswegen der Baron und seine Krähe gekommen waren.

„Nun, Stordan, ich habe viel von deinem werten Herrn Vater gehört.“

„Von meinem Vater, Hochgeboren?“, wollte der Knaben aufgeregt wissen, „Er war ein aufrechter Rittersmann!“

„Dann willst du ihm gewiss folgen? Als aufrechter Ritter?“

Da nickte Stordan energisch: „Das will ich, Euer Hochgeboren, das will ich. Sehr sogar. Und eines Tages meinem Vater als Edlem zu Gerbachsroth folgen.“

„Nun, Stordan, dann habe ich außerordentlich gute Nachrichten für dich“, hob der Baron an, hielt den Knaben dabei mit seinem Blick fixiert und deutete mit seiner Hand auf seine Verlobte, die zu seiner Linken stand, „Meine zukünftige Gattin wird dich in Pagenschaft nehmen.“

Fassungslose Blicke der hiesigen Bediensteten kreuzten sich, während sich ein breites Grinsen über das Gesicht des Knabens legte. Unruhig begann er von seinem einen auf das andere Bein zu hibbeln.

„Auf dass ein genauso aufrechter Rittermann aus dir werde, wie dein Herr Vater einer war. Und einer besseren Pagenmutter, Stordan, könnte ich dich nicht anempfehlen. Sie ist nicht nur bezaubernd schön, besitzt Liebreiz und Ausstrahlung, sondern sie ist auch eine ausgezeichnete Ritterin, was sie bereits auf mehreren Turnieren unter Beweis gestellt hat. Bei ihr wirst du viel lernen.“

Während der Ansprache des Barons, lächelte Ailsa den Knaben an, der wurde nur immer noch aufgewühlter und sein Grinsen immer noch breiter. Dann stellte die Ritterin die eine Frage: „Willst du mein Page werden und mir stets tr... ?“

„Aber, Euer Hochgeboren“, protestierte da Stordans Kindermädchen energisch, „Ihr könnt doch nicht einfach... ?“

Da hob Drego abwehrend die Hand und sie verstummte. Sichtlich verunsichert blickte der Knabe von seinem Kindermädchen zum Baron und anschließend zu dessen Verlobten.

„Nun“, versuchte es die Reichsritterin erneut und schenkte dem Knaben ein liebliches Lächeln, „Willst du mein Page werden und mir stets treu dienen, auf dass du eines Tages deinen Ritterschlag erhalten wirst und in die Fußstapfen deines werten Herrn Vaters treten kannst? Auf dass dir Ruhm und Ehre zuteil werde, du erfolgreich in Turnieren und Schlachten seist. Möchtest du ein stolzer, aufrechter Ritter sein, zu dem alle aufsehen werden?“

Und die Augen des Knabens leuchteten: „Ja, das will ich!“

Verschwörung auf Rallingstein

Burg Rallingstein, Peraine 1043

„Wir werden uns doch nicht etwa an diesem... irrwitzigen Plan beteiligen?“, hob Edlbrecht von Erlenfall an, nachdem ihre Besucher Burg Rallingstein verlassen hatten.

Der Junker lacht amüsiert: „Natürlich nicht.“

„Seit wann machen wir uns selbst die Finger schmutzig, wenn wir dafür unsere Schergen haben?“, warf Boronidan in die illustre Runde, „Die Schwarztanner werden unserer Schergen sein. Sie werden sich die Finger schmutzig machen. Für uns. Und wir werden davon profitieren.“

„Freilich gibt es auch keine zeitweilige Allianz“, stellte Emmeran klar, lehnte sich zurück und nahm einen Schluck Wein.

„Und das die Schwarztanner dies glauben...“, führte der Geweihte weiter aus, „... zeigt nur wieder einmal nicht nur ihre Dummheit sondern auch, wie wenig sie die Baronswürde verdient haben. Sie saßen dort viel zu lange und das auch noch vollkommen zu Unrecht.“

„Also warten wir, bis einer der Schwarztanner der Krähe ein Kind gemacht hat?“, wollte der Vogt wissen.

„So ist es“, pflichtete der Junker ihm bei, „Wir werden warten.“

„Und wenn es so weit ist. An wen wird sich der gramgebeugte Baron dann wohl wenden?“, sponn der Prätor den Plan weiter.

„Nicht an die Schwarztanner. Die haben ihn hintergangen. Sie werden genauso in Ungnade fallen, wie die Krähe. Und der Weg für uns ist frei. Ein ausgezeichneter Plan, der die Schwarztanner ausschaltet und uns den Baron auf dem Silbertablett serviert“, nun nahm auch Edelbrecht einen kräftigen Schluck Wein, „Und wenn er sich an Graf Drego wendet? Die beiden sollen gute Freunde sein. Nicht zuletzt deswegen, soll er den Baronsreif erhalten haben.“

„Er hat ihn wohl erhalten, weil er denselben Namen trägt“, spottete Boronida da höhnisch, „Andere, einem Baron würdige Qualitäten, hat er nicht.“

„Darum werde ich mich kümmern. Auch ich kenne Graf Drego“, erklärte der Junker. Dass er seine eigenen Pläne hatte, verschwieg er. Seine Familie musste nicht alles wissen. Und vielleicht, ja vielleicht trug dieses ganze Unterfangen genug Chaos in die Baronie um zu...

„Und warum ist es dir dann dennoch nicht gelungen, die Baronswürde für unsere Familie zu erlangen?“, wandte der Vogt ein.

„Weil Baron Drego seinen Namen mit Graf Drego teilt. Ganz einfach.“

„Ihr werdet hier die Stellung halten...“, entschied der Junker, „... und schnellstmöglich die Lücken füllen, die die Krähen hinterlassen haben. Mit uns loyalen. So sichern wir unseren Einfluss auf den Baron. Und von jenem Zeitpunkt an, wird der Baron tun, was wir ihm sagen. Als sonderlich Willensstark gilt er ja nicht gerade. Und mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit, werden wir gewiss viel bewirken können.“

„Zu Baronen macht uns das aber nicht“, stellte Edelbrecht fest.

„Das stimmt wohl“, stimme der Geweihte nickend zu.

„Dafür wird Jesmina sorgen. In seiner Not und in seinem Elend, betrogen von der Krähe, wird es ein leichtes für meine Tochter sein, ihn mit geeigneten Mitteln um den Finger zu wickeln.“ Und das seine Tochter dazu fähig war, das bezweifelte er nicht und die Mittel, nun, über die Mittel verfügte sie freilich auch oder aber konnte sie sich verschaffen. „Sobald sie ein Kind von ihm erwartet, wird er sie heiraten – darauf werde ich sorgen. Und dann sitzt eine von uns auf dem Thron und die Baronie gehört uns.“

„Dann müssen wir eine mögliche Eheschließung mit allen Mitteln vermeiden“, dachte nun Edelbrecht weiter.

„Die werden wir vermeiden. Mit allen Mitteln. Koste es was es wolle. Dafür werde ich sorgen“, versprach der Geweihte, „Es wird mir eine Freude sein. Und vielleicht sind unsere Probleme, dann bereits alle gelöst...“

„Nun“, endete der Junker mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen, „Dann lasst uns darauf trinken: Auf den Fall der Krähe!“

„Auf den Fall der Krähe!“, echoten die Brüder.

Verschwörung auf Gerbachsroth

Stacken, Peraine 1043

Erst als sie Stacken passiert hatten, brachen die drei Schwarztanner ihr eisernes Schweigen.

Diese eitlen Gockel!“, platze es aus Enria von Schwarztannen heraus, „Einer schlimmer als der andere. Mir ist richtig schlecht geworden.“

„Überhebliche Affen!“, kommentierte Raulbrin nickend.

„Eingebildetes Gesindel“, fügte Sigmunde hinzu, „Glauben tatsächlich sie seien etwas besseres.“

„Und genau deswegen, meine Kinder, werden wir sie auflaufen lassen“, eröffnete das Familienoberhaupt, „Und zwar so richtig. Sollen sie ruhig an eine Allianz glauben.“ Die Elde zu Gerbachsroth lachte: „Ich hätte mich auch an keine Allianz mit denen gehalten. Nicht mal an eine zeitweilige. Verschlagenes Pack.“

„So lange die daran glauben, reicht das auch vollkommen aus. Wir werden unterdessen unsere eigenen Pläne verfolgen und ihren Glauben an diese Allianz zu unserem Vorteil nutzen. Sollen sie nur die Füße stillhalten, weil sie an einen gemeinsamen Plan glauben.“

„Und“, hob der ehemalige Vogt mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend an, „Wie genau sieht unser Plan denn nun aus?“

„Gut, das du fragst, mein Sohn, sehr gut. Zu versuchen alle Krähen zu beseitigen, scheint mir nicht nur recht aussichtslos, sondern auch geradezu sinnlos zu sein“, führte Enria da aus, „Sie besetzten zu viele Ämter. Haben zu viel Macht. Besser ist es, sich mit ihnen zu verbünden.“

„Und den Erlenfallern damit in den Rücken fallen“, schloss Sigmunde.

„So ist es, mein Kind, so ist es. Die werden sich noch umschauen!“

„Der Plan, werte Frau Mutter, der Plan.“

„Die Krähe ist der Schlüssel. Die Krähe, mein Sohn. Die Krähe.“

„Das heißt, das wir den Baron beseitigen müssen“, dachte Sigmunde weiter.

„So viel ist mir auch klar, Schwesterchen. Ganz doof bin ich nun auch nicht“, murrte Raulbrin verstimmt, „Also wie genau stellt Ihr Euch das aber vor, Mutter?“

„Nun, mein Sohn. Da kommst du ins Spiel.“

„Wusst ich‘s doch!“, schimpfte der da drauf los, „Immer bleibt alles an mir hängen. Und, was ist es dieses mal, das ich für unserer Familie tun soll?“

„Deine Aufgabe, Raulbrin, ist eine recht einfache. Du wirst der Geliebte der Krähe.“

„Ach, wenn es nur das ist“, der ehemalige Vogt lachte laut und schallend auf, „Mutter! Ich habe eine Frau. Ich habe zwei Kinder.“

„Das hat dich sonst auch nicht gestört“, meinte da seine Schwester.

„Das musst du ja gerade sagen. Du hättest wohl noch weitere Bälger, wenn du noch jemand hättest, dem du sie anhängen könntest. Hast du aber nicht.“

„Und du willst mein Bruder sein?“

„Glaub mir, hätte mich je jemand gefragt, dann...“

„Genug!“, brachte die Mutter ihre beiden Kinder zum Schweigen, „Es reicht. Alle beide.“

Beleidigt schwiegen die beiden Geschwister.

„Raulbrin, deine Frau kann dich nicht leiden. Viel mehr verabscheut sie dich sogar.“

„Oh, vielen Dank, Frau Mutter. Welch nette Worte.“

Und weil Sigmunde schadenfroh zu grinsen begann: „Und du passt besser auf, dass du kein weiteres Kind empfängst. Deinem Gatten kannst du es ja nicht mehr anhängen.“

„Du bist so ungerecht, Mutter!“, schimpfte diese da gekränkt.

„Die Krähe ist eine ansehnliche Frau. Durchaus hübsch. Mit Liebreiz. Umgarne sie ein wenig. Sei nett und höflich zu ihr. Sei zuvorkommen. Wickle sie ein wenig ein. Schmeichle ihr. Mach ihr Komplimente. Und sei in jenen Stunden für sie da, in denen sie dich am meisten braucht. Es wäre doch nicht das erste mal, dass eine Frau deinem Charme erliegt, mein Sohn...“

Raulbrin atmete schwer.

„Und wenn sie dann erst einmal ein Kind von dir erwartet, dann wirst du der neue Baron werden und unsere Familie wird in neuem Glanz erstrahlen und zu seinem alten Recht kommen.“

„Ich denke Ihr vergesst da etwas, Mutter“, mahnte Raulbrin, „Was ist mit ihrem Gatten? Mit meiner Frau?“

„Nun, tragische Unfälle kommen immer wieder vor, nicht wahr mein Sohn?“, ein vielsagendes Lächeln zierte ihre Wangen, „Auch wenn deine Schwester und ich dann erst für welche sorgen müssen...“

Entsetzt blickte Sigmunde ihre Mutter an und wollte gerade etwas erwidern, da hörten sie aufgeregte Rufe: „Frau von Schwarztannen. Frau von Schwarztannen.“ In der Ferne tauchte eine Person auf. Die Gruppe Reiter eilte ihr entgegen.

„Frau von Schwarztannen. Frau von Schwarztannen“, rief die Frau unablässig und blieb plötzlich erschöpft stehen, „Es... es ist... zu spät.“

Nun erkannte Sigmunde die Frau: Das Kindermädchen ihres Sohnes.

„Was... was... was hat das zu bedeuten?“, fragte die Edle entsetzt.

„Euer... Sohn“, keuchte das Kindermädchen außer Atem, „Euer Sohn.“

Stordan?“, entfuhr es der Edlen vollkommen fassungslos, „Was ist mit ihm? Was ist mit meinem Sohn? Was ist mit Stordan?“

„Sie hat ihn“, würgte sie hervor, „Die Krähe. Sie hat ihn.“

Pfand

Burg Scharfenstein, Peraine 1043

„Ihr“, entfuhr es Sigmunde Brinhild von Schwarztannen aufgebracht, „Ihr... Ihr... Ihr... Ihr diebische Elster. Ihr durchtriebene Krähe. Ihr verdorbenes Stü...“

„Mäßigt Euch!“, schritt der Baron mit harscher Stimme ein, „Ihr sprecht mit meiner Verlobten!“

„Ich spreche mit einer diebischen Elster...“, wurde die Edle zu Gerbachsroth nicht müde zu betonen, „... die mir mein Kind geraubt hat!“

Llyr ui Rían, die Hauptmann der Krähengarde, stellte sich zwischen die aufgebrachte Mutter und die zukünftige Gemahlin des Barons und versuchte zuerst beschwichtigend auf diese einzuwirken: „Euer Wohlgeboren! Ich bitte Euch. Mäßigt Euren Ton. Eurem Sohn wird es hier an nichts mangeln.“

„Gestohlen hat sie ihn mir“, fuhr diese dennoch fort. In ihren Augen funkelte der pure Zorn. „Feige und hinterrücks!“

„Beruhigt Euch!“, rief Llyr die Schwarztannerin erneut auf. Dieses Mal legte er etwas mehr Nachdruck in seine Stimme. „Und reißt Euch zusammen.“ Er dämpfte ihre Stimme. „Was glaubst Ihr mit Eurem Verhalten eigentlich hier zu erreichen?“

„Ich will MEIN KIND ZURÜCK!“, brüllte die Edle da ungehalten und versuchte an Hauptmann der Krähengarde vorbeizukommen, der hielt sie jedoch zurück und weitere Mitglieder der Krähengarde umringten den Baron und seine Verlobte, „Ihr, diebische Elster, werdet mir MEIN KIND ZURÜCKGEBEN!“

„Es ist genug!“, entschied der Baron da wütend, „Ich werde nicht länger dulden, wie Ihr über meiner Liebste sprecht. Bringt sie mir aus den Augen.“ Und er setzte nach: „SOFORT!“

Da packten zwei Gardisten die zeternde Mutter und begannen sie unter lautem Geschrei aus dem Raum zu zerren. Nun erhob sich Ailsa und bat: „Wartet.“

Die Gardisten verharrten. Die Reichsritterin trat an die Edle heran.

„Euer Sohn, Euer Wohlgeboren, ist aus freien Stücken mit mir gekommen. Ich verbitte es mir daher, dass Ihr Euch herausnehmt von Raub zu sprechen, denn von Raub kann keine Rede sein.“

„Ihr müsst ihn gestohlen haben“, würgte Sigmunde hervor, „Er wäre nie mit Euch gekommen. Niemals! Mit so einer diebischen E...“

„Dann kennt Ihr Euren Sohn wohl schlecht, Euer Wohlgeboren, äußerst schlecht.“

„Er ist noch ein Kind. Wie konntet Ihr mir mein Kind stehlen. Er ist MEIN SOHN!“

„Und nun MEIN PAGE“, stellte Ailsa kühl fest, „Und daran wird sich auch durch Euer Gezeter nichts ändern. Findet Euch also damit ab.“

„Ich weiß...“, presste die Edle zu Gerbachsroth heraus. Ihre Stimme ein leises Zischen. „... dass Ihr meinen Sohn als Pfand haltet. Ich weiß es ganz genau.“

Ailsa schenkte ihr ein vielsagendes Lächeln und raunte ihr leise zu: „Dann wisst Ihr doch gewiss auch, Euer Wohlgeboren, dass die Dämonenbrache ein gar schrecklicher Ort ist.“ Die Reichsritterin hielt einen Moment inne. „Und sie – bedauerlicherweise – immer wieder Menschen verschlingt. Menschen, die nie wieder auftauchen. Menschen, die dort ihr Leben lassen. Menschen, deren Leichen nie gefunden werden. Sie erhalten nie eine göttergefällige Bestattung. Und, Euer Wohlgeboren...“, sie fixierte ihre Gegenüber, „... ich hoffe sehr, dass Eurem Sohn solch ein Schicksal erspart beleibt.“

„Das... das... das... werdet Ihr bereuen!“, drohte Sigmunde unverhohlen, „Dafür werdet Ihr bezahlen! Bei den Göttern, dafür werdet Ihr bezahlen! Ihr und... und Eure Krähen.“

„Gebt auf Euch Acht, Euer Wohlgeboren“, erwiderte die Rían mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen, „Und ich werde dafür auf Euren Sohn Acht geben. Es wäre schließlich höchst bedauerlich, wenn ihm etwas zustieße...“

Krähe und Leuin

Aufbruch

(...)

Versprochen ist versprochen

... und wurde doch gebrochen

Hirsch, Krähe, Katze

Die frustrierte Krähe

Burg Basilstein, Firun 1043

Hildana von Nadoret-Luring schäumte vor Wut. Vor Jahren hatte sie in das ach so mächtige Haus Luring eingeheiratet. Drei Kinder hatte sie der Familie geschenkt und nie etwas für sich selbst gefordert. Die Familie hatte sie zur Burgvögtin von Basilstein gemacht und über Jahre hatte sie ihre Aufgabe treu erfüllt und nie um etwas gebeten.

Vor einer Woche aber war sie nach Luring gereist um bei Graf Drego vorzusprechen um, zum ersten Mal in ihrem Leben eine Bitte an die Familie zu stellen, der sie stets treut gedient hatte. Ihr Gatte war bereits seit über zwanzig Jahren tot und doch war sie auf ihrem Posten geblieben und war nicht Heim in den Kosch gekehrt.

Sie hatte nicht für sich gebeten, sondern für ihren Sohn Frembald. Während seine Geschwister an der Magierakademie und der Boron-Kirche untergebracht waren war Femdbald seit seinem Ritterschlag nicht mehr weitergekommen. Er saß im Kosch am Hof ihres Vetters Perval und hatte seither nichts mehr angestellt.

Nun aber da der Reichsforst in Fehde stand und sicher bald viele Lehen frei werden würden sah Hildana ihre Stunde gekommen. Es war an der Zeit die Zukunft ihres Sohnes zu sichern. Er sollte nicht sein Leben lang anderen zu Diensten sein müssen. Ein eigenes Lehen musste her. Dafür hatte sie all ihren Einfluss aufgewendet, aber es hatte dennoch nichts genützt. Drego hatte sie abgewiesen und ihr Einfluss war bei weitem nicht so groß gewesen wie sie gedacht hatte. Ihre Kontakte waren die letzten Jahre über merklich schwächer geworden. Für den Grafen war sie die trauernde Witwe, die auf einer Burg versauerte und wenn es nach Drego ginge durfte das auch so bleiben.

Was es ihr nicht einfacher gemacht hatte war, dass Frembald sich immer noch am Hof ihres Vetters Perval drüben im Kosch herumdrückte. Wenn er sich wenigsten zeigen würde und für den Grafen ins Feld ziehen würde. Das würde Hildanas Unterfangen erleichtern, aber nein er blieb einfach im Kosch, schon seit seinen Pagentagen war er kaum mehr in Garetien gewesen. Kein Wunder also, dass die Familie Luring dem Unbekannten kein Lehen schenken wollte.

Wenn er doch mehr wie sein Vetter Bolzer sein würde, der ihr als Hausritter diente. Bolzer war tapfer und aufrecht und war für Drego ins Feld geritten. Ihr schlechtes Verständnis für Frauen teilten Bolzer und Frembald aber, sehr zu Hildanas Ärger. Bolzer hatte eine Frau aus einem unbedeutenden Geschlecht, gegen den Willen seiner Eltern und der Familie geheiratet. Frembald dachte derweil gar nicht daran sich zu vermählen und stieg vermutlich so manchem Rock hinterher. Hildana hoffte nur, dass er nicht so enden würde wie der ewige Junggeselle Perval.

Bolzer hatte immerhin für Nachwuchs gesorgt. Dafür musste sich Hildana nun mit dessen unsäglichen Gattin auf ihrer Burg herumschlagen. Dieser Tage passierte also nicht viel was Hildana Freude bereitete.

Autor: Sindelsaum

Hirsch und Katze

Burg Basilstein, Firun 1043

„Sie schlafen jetzt“, erklärte Bolzer von Nadoret als er das von einer einzelnen Kerze beleuchtete Zimmer betrat.

„Bolzer?“, fragte Meara ni Rían schläfrig, hob kurz ihren Kopf und ließ ihn dann wieder in die Kissen gleiten. Sie war kurz eingenickt. „Schlafen die beiden?“

„Sie schlafen“, antwortete er ihr leise, um sie nicht noch mehr aufzuwecken. Er war bei ihren Kindern gewesen und hatte diese zu Bett gebracht. Natürlich hätte er das auch dem Kindermädchen überlassen können, aber es waren seine Kinder, er hatte sie schon geraume Zeit nicht mehr gesehen und vor allem liebte er sie. „Schlaf weiter, Liebes. Schlaf weiter.“

Doch Meara war nicht mehr nach schlafen zumute. „Kommst du zu Bett?“, fragte sie lieblich, „Ohne dich ist es so kalt und leer und...“ Ein vielsagendes Lächeln legte sich über ihre Lippen. Sie zog sich das Nachthemd über den Kopf und warf es auffordernd ihrem Liebsten zu.

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Sanft strich er ihr das leicht feuchte Haar aus dem Gesicht. Der Schweiß noch nicht trocken auf ihrer Haut. Ganz dicht schmiegte sie sich an ihn und seufzte dabei leise: „Ach, mein Liebster. Wie froh bin ich, dass du wohlbehalten zu mir zurückgekehrt bist. So froh und... so glücklich.“

Er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn: „Reto ist ein ganzes Stück gewachsen. Und Emer spricht immer mehr und besser.“

„Ja, manchmal plappert sie ohne Unterlass”, sie hob ihren Kopf, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, „Sie hat jeden Tag nach dir gefragt. Und jeden Tag haben wir für dich gebetet... “

„Und deine Gebete wurden erhört“, erneut küsste er sie, „Und wie könnten die Götter sie auch nicht erhört haben?“

„Ach, Bolzer”, seufzte sie da, „Ich hatte solche schreckliche Angst um dich. Was soll denn aus uns werden, wenn dir etwas zustößt? Vor allem...“ Sie hielt einen Moment inne, „... was soll aus mir werden?“

„Du wirst auf immer das bleiben, was du auch jetzt bist: Die Liebe meines Lebens und die wunderbare Mutter unserer Kinder. Großartige Kinder.“

„Ich habe das Gefühl, dass deine Familie unseren Traviabund nie überwinden wird. Sie werden mir immer grollen. Mein Leben lang.“

„Sie lieben unsere Kinder, wie wir sie lieben und sie werden auch dich lieben. Gib ihnen noch etwas Zeit.“ Zwei Götterläufe waren vergangen, seine Familie hatte sich noch nicht an sie gewöhnt, sich noch nicht mit ihr abgefunden. Und ganz gleich, was Bolzer auch sagte, sie glaubte nicht daran, dass sich das jemals ändern würde. Sie war der Stachel in ihrem Fleisch. Ein schmerzender Stachel, den man bei der nächstbesten Gelegenheit herausriss. „Sie hatten nun mal andere Pläne für mich und dann kamst du...“

„... und Emer“, Meara gluckste, „Unsere süße, kleine Emer. Wäre sie nicht gewesen, dann hätten sie einem Traviabund nie zugestimmt.“

„Nun, sie war aber da. Unser kleines Mädchen. Ihre Schönheit hat sie von dir. Gewiss wird auch sie eines Tages einem Mann, für den seine Familie eine höhergestellte Dame ausgesucht hat, den Kopf verdrehen und ihn heiraten.“

Da lachte die Rían herzlich: „Wie du das sagst. Es klingt so schön. Wie in einem Märchen.“

„Seit dem du an meiner Seite bist, ist mein Leben ein Märchen und jeder einzelne Tag ist einer voller Glück und Liebe.“

Sie seufzte entzückt und schmiegte sich an ihren Gatten.

„Und deswegen will ich nur das Beste für euch“, er küsste sie, „Ihr seid meine Liebe, mein Leben, euch gilt all meine Mühe, mein Streben. Ich will, dass ihr es einmal besser habt, dass unsere Kinder es besser haben. Und deswegen werde ich erneut in die Fehde ziehen.“

Meara zuckte zusammen und wisperte leise: „Das fürchtete ich...“

„Ach, Liebste. Meine Liebste“, er umschlang sie, drückte sie an sich, „Ich werde nicht allein zurückkehren, hört du? Man wird mich bringen, denn ich werde mit Gefolge anreisen. Ich werde aufsteigen. Ein eigenes Lehen erhalten. Und ihr, ihr werdet dann mit mir kommen. An einen anderen, besseren Ort. Und ich verspreche dir, nein, ich schwöre dir, dort wirst du die Herrin sein und dich nicht mehr vor dem vermeintlichen Groll meiner Familie fürchten müssen.“

Er küsste sie erneut.

„Ich wünsche mir ein besseres Leben für Euch. Für dich, für unsere Kinder. Und so fleißig, wie du zu den Göttern betest, was soll mir da schon passieren?“

Autor: Orknase

Der Fall des Hirsches

Doriant, Ende Phex 1043

Endlich war es soweit. Er, Bolzer von Nadoret, durfte in den Krieg ziehen. Bisher war er immer übergangen worden. Während andere Ruhm an ihre Banner haften durften hatte er auf Burg Basilstein rumsitzen müssen, gut irgendjemand musste die Burg ja bewachen, aber hätte man sich dafür nicht jemand anderes suchen können? Bolzer hatte schließlich Ambitionen. Er hatte seine Frau und zwei junge Kinder zu ernähren. Er wollte ihnen eine gute Zukunft bieten können und bisher hatte er dazu nichts weiter vorzuweisen als einen klangvollen Namen. Sein Bruder machte am Hof des Garether Markvogtes große Karriere und seine Schwester würde eines Tages das fette Gut Eychfeld erben. Er aber hatte bisher auf einer zweitrangigen Burg versauern müssen. Aber damit war es nun vorbei. Sein Ersuchen war erhört worden und er war an die Grenze zu Waldstein geschickt worden um dort Grenzwacht zu halten. Nicht ganz der glorreiche Kriegszug nach Hartsteen der ihm vorgeschwebt war, aber immerhin ein Anfang. Wenn er sich hier einen Namen machte standen ihm sicher viele Türen offen.

So war er nun, schon seit einigen Wochen auf dem Wehrhof Doriant stationiert. Sie hatten sich mit den Waldsteinern belauert, denn üblen Verrätern.

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„Bolzer! Wir müssen uns zurückziehen!“ Unswins Stimme war eindringlich.

„Ich fliehe doch nicht vor ein paar dahergelaufenen Waldsteiner Bauern!“

„Doch, das müssen wir. Hier und heute können wir keinen Sieg erringen. So landen wir nur auf ihren Spießen.“

„Das ist unritterlich! Ich habe nicht so lange auf meine Gelegenheit gewartet, um jetzt den Schwanz einzuziehen.“

„Bolzer, lebe jetzt und siege später!“

Der Nadoreter warf einen schnellen Blick auf das Schlachtfeld. Ihre Kämpfer waren tatsächlich in der Unterzahl und die geschickt postierten Spießknechte der Waldsteiner verhinderten einen Flankenangriff der anwesenden Reichsforster Ritter. Zumal die Angreifer eine Hand voll Bogenschützen dabei hatten die ihr Handwerk wunderbar verstanden.

„Ah, von mir aus, blast zum Rückzug. Wir gehen zurück auf den Mühlbach und hindern sie zumindest am Übergang nach Süden.“

Unswin gab den Befehl weiter und nach ein paar Augenblicken war ein Hornsignal zu hören. Sofort versuchten die Reichsforster Kämpfer sich von den Waldsteinern zu lösen. Die Hauptleute hatten große Mühe eine kopflose Flucht zu verhindern und den Rückzug einigermaßen geordnet zu gestalten. Zumal die Waldsteiner jetzt ihre Gelegenheit sahen und gnadenlos nachrückten.

„Unswin, so wird das nichts!“

„Ich sehe es Bolzer. Lass die Ritter antreten. Wir reiten zwischen die Linien hindurch und schaffen unserer Infanterie Luft, um sich abzusetzen.“

Bolzer rief seinen Fahnenträger an die Seite und sammelte schnell die wenigen Ritter um sich. Sie bildeten einen schmalen Keil und auf das Kommando des Nadoreters stürmten die mit gesenkten Lanzen auf die linke Flanke der Waldsteiner zu. Im letzten Moment schwenkten sie ein Stück ein und ritten durch die schmale Lücke zwischen Reichsforster und Waldsteiner Fußvolk, die sich vor ihnen auftat. Auf der anderen Seite der Linien angekommen machten die Reiter einen Linksschwenk und verharrten als Nachhut hinter ihren fliehenden Fußsoldaten. Nach ein paar Augenblicken ließ sich erkennen, dass ihr Plan funktioniert hatte. Die Waldsteiner blieben zurück und wandten sich jetzt mehrheitlich der Plünderung des Dorfes Doriant zu. Eine Handvoll Spießkämpfer und Bogenschützen sicherte die Straße gegen die abziehenden Reichsforster. Der Nadoreter ritt noch einmal ein paar Schritt an die Reichsforster Linie heran und hob drohend sein Schwert, um ihnen zu zeigen, dass er nicht vorhatte diese Niederlage auf sich beruhen zu lassen.

„Das sollte reichen! Komm Bolzer, sehen wir zu, dass wir hinter den Mühlbach kommen.“

Unswin wendete sein Pferd, als er plötzlich das Surren von Bogensehnen vernahm. Bevor er sich wieder gedreht hatte, hörte er das Geräusch einschlagender Pfeile und das erstickte Gurgeln Bolzers. Der Keilholtzer hatte sein Pferd halb gewendet und sah, wie sein Kampfgefährte unendlich langsam aus dem Sattel rutschte. In seinem Hals steckte ein Pfeil, der durch den Nacken eingedrungen und mit der blutigen Spitze am Kehlkopf wieder ausgetreten war. In die Linie der Reichsforster kam jetzt wieder Bewegung. Offensichtlich hatten sie die Provokation Bolzers sehr arg aufgenommen und wollten sich nun seinen Leichnam als Trophäe holen.

„Orkendeck! Ritter, zu mir! Wolfram, Leubrecht, holt ihn da vorne weg. Ich gebe euch Deckung!“

Unswin schnappte sich seinen Kriegsbogen und die Pfeiltasche und stieg vom Pferd. Er steckte ein halbes Dutzend Pfeile vor sich in die vom getauten Schnee matschige Wiese und legte das erste Mal an. Die vorderste Waldsteinerin war bereits auf zwanzig Schritt herangekommen und wurde von der Wucht des Pfeils, der sie mittig in der Stirn traf, förmlich nach hinten geschleudert. Der zweite wurde von der Schnelligkeit überrascht mit der Unswin seinen Bogen wieder bereit hatte und bekam den Pfeil durch die lederne Rüstung direkt ins Herz. Die restlichen Spießknechte verlangsamten verunsichert ihren Angriff. Als nach wenigen Augenblicken der dritte von ihnen schreiend mit einem Bauchschuss zusammenbrach, wandte sich der Rest endgültig zur Flucht. Jetzt preschten endlich die zwei Reiter vor, hoben den toten Bolzer auf sein Pferd und beeilten sich wieder hinter Unswin zu gelangen. Der sandte noch einen weiteren Pfeil gegen die Waldsteiner Schützen, die ihm mit ihren Kurzbögen an Reichweite unterlegen waren. Einer Schützin durchschoss er damit den Oberschenkel. Unter großem Geschrei wurde sie von ihren Kameraden aus der Frontlinie gezogen. Jetzt endlich näherten sich mit Schilden bewehrte Schwertkämpfer und bildeten einen Schildwall, hinter dem sich die restlichen Waldsteiner sammelten.

Der Greifenfurter sah sich um. Inzwischen stand er allein auf weiter Flur. Gegen die jetzt wieder kampfbereiten Waldsteiner hätte er aber auch mit den übrigen Reichsforster Kämpfern nichts mehr ausrichten können. Ruhig sammelte er seine restlichen Pfeile wieder ein, schulterte den Bogen und bestieg sein Pferd. Er spürte keinen Triumph darüber, dass er die Waldsteiner von einer weiteren Verfolgung abgehalten hatte, denn sein Herz war schwer von der Trauer um einen Kampfgefährten, der ihm in den letzten Monden unbewusst zum Freund geworden war. Ohne sich noch einmal in Richtung Doriant umzusehen, folgte er den sich zurückziehenden Reichsforster Truppen.

Autoren: Sindelsaum, Robert O.

Die Jungen von Hirsch und Katze

Burg Basilstein, Anfang Peraine 1043

Hildana von Nadoret-Luring seufzte schwer. Ihr Neffe, der ungestüme Bolzer, war gefallen, erschlagen von Waldsteiner Truppen bei der Verteidigung der Grafschaft. Wie konnte es nur so weit kommen? Ganz Garetien stand in Flammen und die Ritterschaft schlachtete sich gegenseitig mit einer Inbrunst ab, die sie schaudern ließ. Hildana hatte die Nachricht von Bolzers Tod bereits vor zwei Tagen erreicht, aber noch hatte sie dessen Witwe Meara nichts gesagt. Sie hatte ihr noch nichts gesagt, hatte sie sich doch in Ruhe ihre nächsten Schritte überlegen wollen.

„Gefallen?“ Meara wurde sogleich schwindelig. Jeden Tag, den Bolzer im Krieg gewesen war, hatte sie für ihn gebetet. Er war immer so zuversichtlich gewesen, dass er als Sieger heimkehren würde und sie hatte sich dennoch immer vor Sorge verzehrt, sobald er ausgeritten war. Meara sackte auf die Knie und begann zu schluchzen. Sie konnte und wollte sich vor ihrer gestrengen Tante nicht mehr im Griff halten. All ihre Albträume hatten sich erfüllt. Sie war alleine auf weiter Flur mit ihren Kindern.

Ein Leben ohne Bolzer? Ohne den Mann, den sie von Herzen liebte? Sie hatte mit ihm über alles reden können, alles ausspreche, alles sagen, ohne sich dumm vorzukommen und er hatte sie gehalten, ganz gleich was geschehen war. Und nun? Er war doch ihr Leben gewesen, doch ihr Leben war gestorben. Einfach so gestorben. Gefallen. Ein sinnloser Tod. So unfassbar sinnlos! Wie sollte sie nur weiterleben? Wie sollte es nur weitergehen? Der Platz neben ihr im Bett würde auf immer leer bleiben, leer und kalt und Meara würde von Bolzer nichts bleiben, dafür würden die Nadoreter schon sorgen...

Irgendwann begannen die Tränen zu versiegen. Ihre Tante stand noch immer da. „Was hast du jetzt vor?“, fragte sie Meara, ohne dabei besonders große Anteilnahme zu zeigen. Meara schluckte. Hier konnte sie nicht bleiben, dass wusste sie. Hildana hatte sie nie besonders gemocht, vielleicht weil sie nicht aus einem so arroganten und von sich selbst besessenen Geschlecht kam wie Bolzer, oder aber weil Bolzer und sie aus Liebe und nicht aus Familienkalkül heraus geheiratet hatten. „Ich werde zu Vater nach Rubreth gehen. Er wird uns sicher irgendwie unterbringen können.“

Hildana schnaubte. „Das wird er ja müssen, er ist ja schließlich dein Vater. Nur damit das klar ist. Die Kinder bleiben erst einmal hier und gehen nach Eychfeld zu den Großeltern. Du weißt ja gar nicht wie man einen von Nadoret großzieht.“

Mearas Trauer wandelte sich in Zorn. „Du willst mir meine Kinder wegnehmen? Das... das... kannst du nicht machen. Das… das… das wagst du nicht. Ich bin ihre Mutter!“

Hildanas Gesichtszüge verhärteten sich. „Jetzt beruhig dich doch Kindchen. In ein paar Jahren würden sie ja ohnehin als Pagen aus dem Haus gehen. Es ist doch das beste für die Kinder. Mit dem Einfluss unserer Familie haben sie eine große Zukunft vor sich. Als Kinder einer land- und anstellungslosen Dame ohne Namen aber werden ihnen viele Türen verschlossen bleiben.“

„Das kannst du nicht machen”, wiederholte Meara, sie spannte sich an und wollte sich auf ihre Tante werfen, aber sie wurde von harten Händen gepackt.

„Aber, aber.“ Hildanas Stimme klang tadeln. „Du wirst doch nicht deine Hand gegen deine eigene Familie erheben wollen. Wenn du dich so aufführst wirst du leider ein paar Tage dein Zimmer nicht verlassen dürfen. Wenn du dich beruhigt hast kannst du tun und lassen was du willst, aber versuch keinen Blödsinn mit den Kindern. Der Einfluss des Hauses Nadorets reicht weit und wir werden dich finden und zur Rechenschaft ziehen solltest du den Kindern jemals wieder zu nah kommen.“

Meara wurde in eine Ecke des Raumes geschubst und Hildana verließ das Zimmer. Hinter ihr knallte die Tür zu und ein schweres Schloss angebracht.

Autoren: Sindelsaum, Orknase

Der Hirsch kommt nach Hause

Burg Basilstein, Anfang Peraine 1043

(...)

Die Katze auf leisen Sohlen

Burg Basilstein, 2. Peraine 1043

Meara hatte sich in den Schlaf geweint. Ein tiefer Schlaf. Sie träumt von Bolzer. Von ihrem Liebsten. Er lag neben ihr. Hielt sie im Arm. Küsste sie. Ihre Nase hatte sie in das Bettzeug gedrückt. Es roch nach ihm. Noch...

Dann ein Geräusch direkt neben ihr. Sie schreckte auf. Jemand packte sie. Hielt ihr Mund und Nase zu. Zerrte sie aus dem Bett. Meara wehrte sich. Versuchte dem Griff zu entkommen. Rang um Atem. Kämpfte. Trat. Biss. Doch ihr Angreifer ließ nicht locker. Hielt sie fest. Ganz fest.

Es war ihr Ende. Bei den Göttern! Sie würde sterben. Die alte Hexe Hildana, das hatte sie also für sie vorgesehen. So wollte sie sie also beseitigen und den Weg zu ihren Kindern frei räumen. Ein hinterhältiger Mord. Mitten in der Nacht. Sie hatte Hildana viel zugetraut, aber das? Dass sie sie so hasste?

Die Finsternis um sie herum drohte an Kontur zu verlieren. Sie verschwamm vor ihren Augen, wurde schwammig und haltlos. Ihre Gegenwehr erstarb abrupt. Wenn, ja, wenn sie nun starb, schoss Meara durch den Kopf, dann wäre sie zumindest mit Bolzer wiedervereint...

Da lockerte ihr Angreifer seinen Griff. Gab Mund und Nase frei. Und während Meara Atem holte, raunte er ihr leise ins Ohr: „Ich kannte Euren Gatten. Ich habe ihn heimgebracht. Ich weiß... Ich... Rubreth ist für Euch nicht sicher. Ihr müsst nach Schwarztannen. Eure Familie hält Schwarztannen.“

Noch immer rang sie um Atem: „Wer... wer seid Ihr? Und warum... warum... tut Ihr das?“

„Ich bin Unswin von Keilholtz und Bolzer war mein Freund“, erwiderte der Mann, „Ich habe mit ihm zusammen gegen die Waldsteiner gekämpft. Und Kampfgefährten kümmern sich. Wir lassen einander nicht im Stich. Er hätte es so gewollt, da bin ich mir sicher...“

„Und jetzt?“, fragte sie weiter.

„Ich werde für Euch da sein, wenn Ihr mich braucht. Ihr seid die Gattin meines Freundes. Doch jetzt bringe ich Euch erst nach Schwarztannen. Dort seid Ihr sicher.“ Er half ihr auf. Warf einen Beutel auf ihr Bett. Erst da bemerkte Meara den diesigen Schein einer Laterne, die am Fußende neben ihrem Bett stand. Die Finsternis vermochte sie kaum zu lindern. Spendete nicht einmal genug Licht um die Gestalt des Fremden deutlich zu erkennen. Seltsamerweise fürchtete sie sich nicht mehr. Er hatte so eine liebe Stimme. Ein Mensch mit so einer Stimme, konnte ihr doch nichts böses wollen.

Meara packte eilig. Viel war es nicht. Ihr gemeinsames Leben mit Bolzer passte in ein schmales Bündel, mehr blieb ihr nicht, auch nicht von ihm, nicht einmal ihre Kinder, nur die Erinnerung, die blieb ihr, aber die würde bald verblassen und Bolzer würde nur noch ein Schatten unter Schatten sein..

Nachdem er das schwere Schloss wieder an der Tür angebracht hatte, brachen sie auf. Er trug ihr Bündel. Ging voran. Bewegte sich recht sicher durch die im finsteren liegende Burg. Die Laterne führte er mit sich. Ein feines Tuch dämpfte ihr Licht. Meara folgte ihm. Sie hatte das Gefühl im vertrauen zu können.

Nach einer Zeit blieb er vor einer Tür stehen. Sie hörte seinen Atem. Er wartete. Deutete mit Nachdruck auf die Tür und sprach dabei kein einziges Wort.

Autoren: Robert O., Orknase

Die Katze nimmt Abschied

Burg Basilstein, 2. Peraine 1043

Meara trat in den dunklen Raum hinein, er folgte ihr mit der Laterne, schloss die Tür und blieb dort stehen.

„Mutter?“, wisperte eine leise Kinderstimme.

Emer“, schluchzte Meara herzzerreißend, wandte sich um und erkannte ihre Tochter, „Emer!“ Sie eilte zum Bett des Mädchens und schloss sie in die Arme, herzte und küsste sie und hielt ihre Tränen zurück. Meara wollte nicht vor ihren Kindern weinen. Es würde schwer genug für sie sein, schwer genug ohne ihre Mutter zu sein. Das Einzige, ja das Einzige was sie noch für ihre Kinder tun konnte, war ihnen den Abschied so leicht wie möglich zu machen. Und eine Erklärung für die Trennung zu liefern.

„Emer. Meine kleine Emer“, hob die Rían leise an, während sich ihre Tochter liebevoll an sie schmiegte, „Ich werde eine Zeit lang fort gehen.”

„Weggehen?“, fragte das Mädchen verschlafen.

„Ja, weggehen.“

„Weit weggehen?“

„Nein, nicht weit weg. Ich bin ganz in eurer Nähe. Und...“, beschwichtigte die Mutter ihre Tochter, „... so lange ich fort bin, wirst Du mit deinem Bruder auch fort gehen.“

„Emer auch weggehen?“, wiederholte das Kind. „Ja, Emer du gehst auch weg. Du und dein Bruder Reto. Zu Verwandten deines Vaters. Die werden dann gut auf euch beide aufpassen. Und bald, ja ganz bald werde ich euch auch besuchen“, log sie weiter, „Ganz, ganz, ganz bald. Also sei schön anständig und benimm dich, hörst du?“

Emer nickte.

„Aber jetzt... jetzt musst du wieder schlafen, Emer“, damit bettet sie das Mädchen in ihr Bett, strich sich die nahenden Tränen aus den Augen, deckte sie liebevoll zu und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, „Schlaf gut, Emer. Möge Boron dir schöne Träume schenken.“

Sie küsste ihre Tochter ein letztes Mal. Tränen in ihren Augen, die sie sich noch nicht zugestand zu weinen. Dann erhob sie sich und trat an das Bett ihres Sohnes. Reto schlief ruhig in seinem Bettchen. Er zählte knapp eineinhalb Götterläufe und würde seinen Vater nie kennenlernen, sich nie an ihn erinnern, sehr wahrscheinlich würde das auch Emer nicht. Ob ihre Kinder sich an sie erinnern würden? An ihre Mutter?

„Irgendwann...“, wisperte sie leise und strich ihrem Sohn sanft über sein feines Gesicht. Bereits jetzt ähnelte er seinem Vater. Er ähnelte ihm sehr. „... werden wir uns wieder sehen. Eines Tages. Nur die Götter wissen wann. Bis dahin wirst Du wachsen und gedeihen und ich... ich werde jeden Tag an dich und deine Schwester denken. Jeden einzelnen Tag bis...“ Da brach ihre Stimme. Heiße Tränen kullerten ihr über die Wangen. „... bis zu unserem Wiedersehen.“ Auch ihrem Sohn hauchte sie einen Kuss auf die Stirn. Einen Abschiedskuss. „Ich liebe dich, Reto. Du bist mein Sohn und das wird auch immer so bleiben, ganz gleich wo auch immer du bist...“

Meara wollte gerade gehen, da sagte Emer: „Emer hat Mutter lieb.“

„Ich liebe dich auch, meine kleine Emer.“

„Und Emer hat auch Vater lieb!“

„Ja, ich ihn auch“, erwiderte die Rían mit zugeschnürter Kehle, „Ich ihn auch...“

Autor: Orknase

Die Flucht der Katze

Goldlinden, 2. Peraine 1043

Meara hatte keine Zeit gehabt ihrem Vater zu schreiben. Sie hatte auch sonst niemandem schreiben können. Vielleicht hätte sie es ohnehin nicht getan. Vielleicht hätte die alte Hexe ihre Briefe auch abgefangen. Zugetraut hätte sie es ihr, ganz abgesehen davon, dass sie ohnehin nicht gewusst hatte, was sie hätte schreiben sollen...

Noch in der Nacht brachen sie nach Schwarztannen auf. Die Pferde fanden sie bereits gezäumt und gesattelt vor. Viel Gepäck hatten sie nicht, waren dennoch nicht sonderlich schnell. Die Dunkelheit verlangsamte sie. Sobald es heller wurde, ging es dann merklich schneller. Gegen Mittag erreichten sie Goldlinden. Dort suchten sie sich eine Unterkunft. Stellten ihre Pferde unter. Nahmen ein Zimmer und ließen sich etwas zu essen bringen. Der Keilholtzer ließ sie nicht allein.

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„Esst“, forderte Unswin sie auf und deutet auf die noch volle Schale vor ihr, „Ihr müsst Essen, um bei Kräften zu bleiben.“

„Wozu?“, wollte Meara erschöpft wissen. Wie ein Häufchen Elend saß sie zusammengesunken auf ihrem Stuhl. Aus verweinten Augen blickte sie ihn an. „Ich habe alles verloren: Meinen Mann, meine Kinder. Wozu das alles noch?“

„Weil Ihr lebt!“, erwiderte er ihm entschieden.

Meara entfuhr ein kehliges Lachen, wandte ihren Blick ab und murmelte: „Ach, was wisst Ihr denn schon...“

Da straffte der Greifenfurter sich und ergriff mit seiner linken ihre rechte Hand. Seine war ganz warm, ihre ganz kalt. Und Meara blickte zu ihm auf.

„Ich weiß, wie es sich anfühlt“, hob er an, „Ich kennen diesen Schmerz, habe ihn selbst erleben, erleiden, ertragen müssen.“ Gebannt begann sie ihn anzustarren. „Wenn es einem das Herz zerreißt, man nicht weiß, wie es weitergehen soll, weil man sich ein Leben ohne den anderen einfach nicht vorstellen kann und… auch nicht will. Ich kenne diesen Schmerz. Ich kenne ihn ganz genau.“ Er hielt einen Moment inne. „Ich habe meine Frau verloren. Ich habe sie sehr geliebt. Der Liebe wegen haben wir geheiratet.“

„Wir auch“, erwiderte sie tonlos, „Gegen den Willen seiner Familie. Er sollte eine andere heiraten. Eine bessere Partie. Aber...“ Sie zuckte mit den Schultern. „... wir liebten uns.“ Kurz holte sie Atem. „Es ging nur weil... weil... Emer war unterwegs. Wäre sie nicht gewesen, dann...“ Meara schluchzte. „Meine süße, kleine Emer...“ Ruckartig entzog sie ihm ihre Hand und wischte sich die nahenden Tränen aus den Augen.

„Ihr seid nicht allein!“, versicherte er ihr, „Und deswegen müsst Ihr das nicht allein ertragen. Ich will für Euch da sein. Euch beistehen. Euch Hilfe und Stütze sein. Ihr könnt auf mich zählen.“

„Von...“, wandte sie da ein, „Von Greifenfurt aus?“

Er dachte kurz nach, ehe er vorschlug: „Dann kommt doch mit mir. Kommt mit nach Greifenfurt. Mit nach Friedheim. Mit auf mein Gut.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Dort seid Ihr sicher und...“

„Das geht nicht“, wisperte sie leise, „Meine Familie... meine Kinder... sie sind alle hier und dort... dort ist niemand, niemand außer... außer Euch.“

Autoren: Robert O., Orknase

Die Katze bei Nacht

Goldlinden, 3. Peraine 1043

Herr von Keilholtz?“, fragte Meara leise in die Nacht hinein. Erst war da nur Stille, dann jedoch ein leises Rascheln. Da fuhr sie fort: „Wie ist das passiert?“

„Sie ist an der Gaulsfurt gefallen“, erwiderte er ihr leise, „Gemeinsam sind wir in die Schlacht hinein geritten. Ich kam heraus, sie nicht...“

Einen Moment herrschte Stille.

„Das... das... das tut mir sehr leid“, erwiderte die Rían mitfühlend, „Deswegen sagtet Ihr, dass Ihr mich versteht, weil... weil Ihr mich versteht.“ Sie hielt einen Moment inne. Dann seufzte sie. “Irgendwie ist es beruhigend zu wissen, das man selbst nicht die einzige Person ist, die so empfindet, auch wenn es den Schmerz in keinster Weise lindert...“

Wieder kehrte Ruhe ein.

„Wie ist das passiert?“, wiederholte sie ihre vorherige Frage, „Das, mit Eurem Gesicht.“

„Ich dachte schon, Ihr fragt nie.“

„Meine Tränen und mein Kummer haben mir meinen Blick verschleiert“, versuchte sie kehlig zu erklären, „Und so ist mir erst vorhin aufgefallen...“

„Ich weiß, Ihr habt mich angestarrt. Aber da seid Ihr nicht die erste...“

„Verzeiht“, bat sie reumütig, „Es liegt mir fern Euch zu kränken! Es ist nur so, dass ich... ich so etwas nicht erwartet hatte. Mitten in der Nacht habt Ihr mich aus den Fängen dieser alten Hexe befreit. Ein tugendhafter, mutiger, ja gar tollkühner Mann, der sein eigenes Wohl zurückgestellt hat um die Gattin seines Kampfgefährten aus den Händen dessen Familie zu entreißen. Ein Mann mit warmen Händen und einer markanten, aber vertrauensvollen Stimme und so voller Tatkraft und Mitgefühl. Und wenn Ihr mich nun fragt, ob ich erwartet habe, dass das die eine Seite des Gesichtes meines Retters entstellt ist, dann sage ich Euch: Nein, erwartet habe ich das nicht. Aber einem Mann, der all das für eine vollkommen Fremde getan hat, nur weil er mit ihrem Mann zusammen gekämpft hat, tut so etwas keinen Abbruch. Ich fürchte mich nicht vor Euch. Auf eine merkwürdige Art und Weise, seid Ihr mir irgendwie vertraut. Vielleicht weil Ihr meinen Gatten kanntet.“ Sie hielt einen Moment inne. „Für mich seid Ihr nicht entstellt, sondern gezeichnet. Und dieses Zeichen hat gewiss auch eine Geschichte.“

„Eine Flammenlanze, in der Schlacht der drei Kaser. Der Schmerz streckte mich sofort nieder. Ich erwachte erst sehr viel später wieder und musste leidvoll erkennen, dass wir nicht nur die Schlacht verloren hatten, sondern ich auch meinen Vater, an dessen Seite ich als Knappe in den Kampf geritten war.“

Von solchen Dingen verstand Meara recht wenig: „Das klingt... schrecklich! Fürchterlich! Die Schlacht verloren und dann noch den Vater! Unfassbar. Es klingt aber, als hättet Ihr noch wesentlich mehr verlieren können..“

„Das hätte ich wohl...“

„Dann will ich den Göttern danken, dass sie ihre schützende Hand über Euch gehalten haben und Euch Euer Leben ließen.“

Autoren: Robert O., Orknase

Die Flucht der Katze geht weiter

Burg Scharfenstein, 3. Peraine 1043

Meara schlief lange und tief. Und Unswin ließ sie schlafen. So brachen sie erst spät auf und erreichten erst gegen Abend Burg Scharfenstein, deren mächtige Schildmauer man bereits von Weitem ausmachen konnte. Zwei Wappenbanner hingen von deren Zinnen herab. Das eine zeigte das Wappen der Altjachterner, das andere das ihrer Familie: Schwarze Krähe auf silbernem Grund.

Am Tor zur Vorburg trafen sie auf zwei Gardisten. Der Ältere richtete das Wort an sie: „Den Zwölfen zum Gruße, was ist euer Begehr?”

„Die Zwölfe mit Euch“, erwiderte der Keilholtzer den Gruße, „Ich bin Unswin von Keilholtz und das ist...” Er deutete auf seine Begleiterin. „... Meara ni Rían. Wir wünschen mit Euer Hochgeboren zu sprechen.“

„Euer Hochgeboren ist heute nicht zu sprechen“, erwiderte der Jüngere entschieden. Der Ältere jedoch wollte zuerst wissen: „In welch dringender Angelegenheit wünscht ihr ihn denn zu sprechen?“

„Eine familiäre Angelegenheit“, antwortete der Greifenfurter.

„Es geht um den Tod meines Gattens Bolzer von Nadoret“, fügte Meara steif hinzu.

„Mein Beileid”, bekundete der Ältere betroffen.

„Dann handelt es sich um eine Angelegenheit...“, stellte der Jüngere fest, „... die die Familie Rían betrifft?“

Die beiden nickten.

Der Ältere erklärte: „Baron Drego von Altjachtern feiert heute mit der Reichsritterin Ailsa ni Rían Verlobung.“ Und der andere fügte hinzu: „Demzufolge ist heute keiner von beiden zu sprechen.“

„Welch freudiger Anlass“, merkte Meara mit ausdrucksloser Miene an.

„Selbstredend werden wir warten, bis Hochgeboren oder seine Verlobte Zeit für uns findet“, schloss der Keilholtzer diplomatisch.

„So lange werdet Ihr als Mitglied ihrer Familie Gastung hier erhalten. Und Ihr, Herr von Keilholtz, selbstredend als ihr Begleiter auch“, stellte der Ältere klar und wies den Jüngeren an: „Bring die Hohen Herrschaften in die Burg und sorge dafür, dass Unterkunft erhalten und ihre Pferde versorgt werden.“ Da wandte er sich wieder den beiden Reitern zu: „Wenn Ihr ihm folgen mögt.“

Und sie folgte.

Autoren: Robert O., Orknase

Die Katze und das falsche Täubchen

Burg Scharfenstein, 3. Peraine 1043

Später, da war es bereits tiefe Nacht, klopfte es an ihre Tür. Meara und Unswin hatten sich die Zeit mit einem Kartenspiel vertrieben.

„Tretet ein“, bat die Rían den Gast herein und eine hübsche Frau mit blondem wallenden Haar und grünen Augen in Begleitung einer Boron-Geweihten trat ein. Die beiden erhoben sich.

„Ich bin Yolande von Raukenfels“, stellte sich die Fremde vor, „Vögtin zu Schwarztannen. Und das ist...“ Sie deutet auf die Geweihte neben sich. „Ihro Gnaden Nurinai ni Rían.“

„Meara ni Rían“, stellte sie sich nun selbst vor und deutete dann auf ihren Begleiter: „Und das ist Unswin von Keilholtz. Er war so freundlich mich nach Scharfenstein zu begleiten.“

Sie setzten sich in die kleine Sitzecke. Auf der einen Seite Meara und Unswin und auf der anderen Yolande und Nurinai.

„Ich habe nicht erwartet, Euch noch wach anzutreffen“, stellte die Vögtin fest, „Bin aber umso erfreuter, dass ich niemanden aus dem Schlaf reißen musste...“

„Im Augenblick kann ich keinen Schlaf finden, Euer Hochgeboren“, seufzte Meara schwer, „Und der Hoher Herr von Keilholtz war so nett mir noch Gesellschaft zu leisten.“

„Ach, die Feier!“, Yolande nickte verständnisvoll, „Sie wird sich wohl noch bis in die frühen Morgenstunden ziehen.“ Wie zur Bestätigung nickte sie.

„Dann seid ihr die Schwester von Eilein und Elerea?“, wollte nun die Geweihte wissen und musterte ihre Gegenüber genau.

Sie nickte zustimmend. „Aus dem garetischen Zweig“, erklärte sie weiter, „Ich hoffte hier auf meinen Vater zu treffen.“

Fragend schaute Nurinai sie an: „Auf... Euren Vater?“

„Er ist Kammerherr am Hof der Landvögte von Rubreth. Mein Bruder ist dort Hausritter.“

„Und warum sucht Ihr sie dann hier und nicht in...“, die Geweihte hielt einen Moment inne, „... Rubreth?“

„Weil ich hörte, dass Rubreth nicht sicher sei und meine Familie Schwarztannen halte...“

Da lachte Yolande: „Ja, so kann man das nennen. In der Tat. So kann man das wirklich nennen.“

Meara blickte ausdruckslos drein. Unswin schwieg. Nurinai musterte die Rían noch immer.

„Und was wolltet Ihr denn von Eurem Vater?“, fuhr die Raukenfelserin nun fort.

„Obdach“, erwiderte die Rían direkt, „Mein Gatte, Bolzer von Nadoret, ist gefallen. Ich weiß wo, ich weiß wann, ich weiß wie. Ich weiß, dass er tot ist, auch wenn ich ihn nicht habe sehen können. Und auch wenn ich gedacht hatte, die Verbindung zwischen uns sei so stark, dass ich es gewiss gespürt hätte, so hatte ich es nicht. Er ist einfach so gestorben. Und ich habe es nicht gemerkt.“ Tränen glitzerten in ihren Augen. „Unsere gemeinsamem Kinder haben die Nadoreter zu sich genommen, dass ich ihre Mutter bin, hat sie nicht gekümmert. Ich sei nicht würdig sie zu erziehen, hieß es nur...“

„Das... das... das tut mir aufrichtig leid!“, drückte die Vögtin ihr Mitgefühl aus, „Ich habe selbst Kinder. Ich...“

„Und jetzt...“, Meara begannen dicke, heiße Tränen über ihre Wangen zu laufen, „... jetzt weiß ich einfach nicht wohin...“

Autor: Orknase

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