Benutzer:Orknase/Briefspiel

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Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.

Drei Krähen und ein Räblein

Totgeboren

Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042, am Morgen

Totenruhe

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Totenwacht

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042


Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen

Erster Eindruck

Burg Scharfenstein (...)

Verschwörung in Schwarztannen

Wer verschwört sich hier eigentlich mit wem?

Konspiratives Treffen

Kindesraub

Verschwörung auf Rallingstein

Verschwörung auf Gerbachsroth

Pfand

Sauerei

Gefallen gegen Gefallen

(...)

Schloss Sonnentor, Rahja 1043

Alderan von Fuchsstein: "Ha Alderei, jetzt bist du ja doch unter die Haube gekommen und dann auch noch mit einer Reichsforsterin, was ist denn in dich gefahren? Hat dich deine Mutter endlich weich geprügelt?"

Alderan von Nadoret: winkt ab "Die Olle ist eigentlich ganz nett. Warum also nicht habe ich gedacht."

A.v.F.: "Als ob. Ist die Tante nicht sogar schon Witwe?"

A.v.N.: "Ja schon, aber jung ist sie trotzdem noch und hat ein nettes Lehen obendrein "

A.v.F.: "Ach daher weht der Wind. Hast du jetzt nicht auch noch einen Stiefsohn?"

A.v.N.: "Schon, aber der ist weit weg, ist schon Page."

A.v.F.: "Jetzt schau noch so bedrückt. Eine schöne Witwe mit einem fetten Lehen zu heiraten ist doch keine Schande." Hält kurz inne. "Das hat deine Familie eingefädelt, oder? Du warst doch sicher noch nie in Gerbachsroth."

A.v.N.: nickt "Ich hab's wohl meinem Bruder zu verdanken. Der hat beim neuen Baron in Schwarztannen, Drego von Altjachtern, ein Stein im Brett gehabt. Der hat das jedenfalls alles in die Wege geleitet. Ich habe Sigmunde eigentlich erst auf der Hochzeit kennengelernt. Ich hatte schon befürchtet, dass sie eine hässliche Schachtel sein würde, aber sie ist ganz nett anzuschauen."

A.v.F.: "Das sieht dir aber ähnlich. Lange hast du es im Reichsforst aber nicht ausgehalten. Schöne Witwe hin, oder her."

A.v.N.: "Ist ja auch langweilig da. Außer für einen Erben zu sorgen gibt’s da ja nichts zu tun. Aber ist auch egal immerhin ist Sigmunde jetzt schwanger und ich bekomme bald einen Erben. Damit ist es dann getan und ich kann es mir hier am Hof weiter gutgehen lassen. Mit dem zusätzlichen Einkommen lässt es sich hier auch gleich besser leben."

A.v.F.: "Hat Birnhild denn nichts dagegen, dass du euer Geld hier am Hof durchbringst?“

A.v.N.: "Achwo, die ist sicher auch froh dass sie daheim freie Hand hat.“

A.v.F.: "Na dann. Darauf erst einmal ein Bier."

Autor: Sindelsaum

(...)

Gerbachsroth, Firun 1044

Alderan stand etwas ratlos am Grab seiner Frau. Er hatte sie aus politischen Gründen geheiratet und sie eigentlich auch kaum gekannt, aber er fühlte sich dennoch für ihren Tod verantwortlich, war sie doch bei der Geburt ihrer Kinder gestorben. Er war ehrlich traurig und verfluchte sich nicht an ihrer Seite gewesen zu sein. Gut es war langweilig in Gerbachsroth, aber er hatte ihr gegenüber eine Verantwortung gehabt. Es war wohl eine äußerst schwere Geburt gewesen. Das erste Kind war gesund und munter gewesen, aber das zweite war nur noch todgeboren worden und hatte bald darauf seine Mutter mit sich auf die Reise über das Nirgendmeer genommen. Er hätte wohl nichts daran ändern können, aber er hätte wenigstens an ihrer Seite sein sollen.

Er hatte sie während ihrer Schwangerschaft nur einmal besucht, ein Umstand der ihn nicht gerade mit Stolz erfüllte. Auch wenn er dafür von seinen Freunden aufgezogen worden war hatte er sich am Hof des Markvogtes stets an die Gebote der Travia gehalten. Andere mochten ihn als lebenslustig und feierfreudig einstufen, aber er war doch immer noch aus altem Koscher Adel. Freilich hatte er bis auf Kindertage nie im Kosch gelebt, aber eine gewisse Verantwortung brachte der Name „von Nadoret“ doch mit sich.

Nun war er nach nicht einmal einen Jahr Ehe bereits Witwer und für ein Kleinkind verantwortlich, darüber hinaus auch noch für Stordan, Sigmundes Sohn aus erster Ehe. Der Bursche war auch erst sieben Jahre alt. Immerhin war Stordan bereits in Pagendiensten und damit außer Hause. Seine sonstige Familie bestand nur aus Kindern, aber er war bei seiner Pagenmutter in guten Händen. Sie würde sich schon um den Vollwaisen kümmern.

Alderan hielt es ganze acht Tage auf Gerbachsroth aus, dann nahm er seine Tochter Birnhild, genannt nach dem Zweitnamen ihrer Mutter, mit sich und ritt nach Scharfenstein um bei Baron Drego vorzusprechen. Das Gespräch währte nicht sehr lange. Weder Baron, noch die vielen Rians an seinem Hof schienen seiner Gattin eine Träne nachzuweinen und hatten ihn kurzerhand zum neuen Edlen ernannt, konnte ein Kind doch in Zeiten von schweren Fehden kein Lehen führen.

Am Rande traf er sogar kurz auf Meara ni Rían, die Gattin seines gefallenen Bruders. Er hatte sie vorher noch nie kennengelernt und war durchaus daran interessiert die zurückgezogene Frau etwas näher kennenzulernen, aber Meara schien auf seine Familie nicht gut zu sprechen zu sein und fand bald einen Grund das Gespräch abzubrechen. Die nächsten zwei Tage ging sie ihm dann aus dem Weg.

Also brach Alderan schließlich mit Klein-Birnhild auf. Er wusste nicht so recht was er mit einem Kleinkind anfangen sollte, drum entschied er sich sie zu seiner Mutter bringen. Sie würde seine Tochter sicher gerne aufziehen. Er wusste ja auch gar nicht wie man so etwas machte und außerdem war der Hof des Marktvogtes nichts für kleine Kinder. Er würde sie auch bitten ihm einen Vogt zu empfehlen, der die Amtsgeschäfte vor Ort erledigen konnte und Alderan die Rendite des Lehens direkt an den Hof schickte. Am besten ein Koscher aus altem Adel, der seiner Familie gegenüber loyal war und nicht in seine eigene Tasche wirtschaften würde.

Autor: Sindelsaum

Krähe und Leuin

Aufbruch

(...)

Versprochen ist versprochen

... und wurde doch gebrochen

Familienzuwachs

(...)

Burg Schwarzenfels, Peraine 1043

(...)

Weiß wie Schnee

Die Weiße Rabe

Über mir kreiste ein Rabe. Ein weißer Rabe. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen weißen Raben gesehen. Und nun kreiste er über mir. Ich schaute ihm lange zu. Verharrte. Und als ich da so stand und ihn beobachtete, hatte ich das Gefühl, auch er beobachte mich. Eine seltsame Magie ging von ihm aus. Eine wilde Magie. Ungezähmt wie die Natur selbst. Mich schauderte, als diese Art der Magie mein Innerstes für einen kurzen Moment berührte und sich dann wieder zurückzog. Ich keuchte. Fühlte plötzlich jede einzelne Faser meines Körpers schmerzen.

Der Rabe zog noch eine Bahn am Waldrand entlang, dann flog er in den Hexenwald hinein. Und ich folgte. Aus den Augen verlor ich ihn jedoch nicht. Er schien regelrecht auf mich zu warten. Saß mal hier und mal dort auf einem Ast. Immer weiter und weiter drang ich in den Wald hinein, bis die Bäume vor mir einer kleinen Lichtung wichen. Dort wuchs saftig grünes Gras. Es schimmerte wie angelaufenes Kupfer im Licht der untergehenden Praiosscheibe. Ein Reh nutzte die letzten Stunden des dahinschwindenden Tages und äste friedlich zusammen mit seinem Kitz. Das Muttertier hob seinen Blick, als ich näher kam, musterte mich, entschied dann, dass ich keine Gefahr darstellte und wandte sich wieder dem zu, was unter meinen Füßen lag. Es war nicht die Reaktion des Tieres allein, die mich verblüffte, es war auch der Umstand das Reh und Kitz weiß waren. Weiß wie Schnee.

Das Krächzen des Raben riss mich aus meinen Gedanken. Wieder spürte ich die Magie nach mir greifen. Und erneut zog sie sich nach einer kurzen Berührung zurück. Mein Blick fiel auf eine kleine Hütte, die sich am Rande der Lichtung in den nahen Wald schmiegte. Sie fügte sich perfekt in ihre Umgebung ein. Der Rabe erhob sich und flog auf sie zu. Ich folgte ihm, wie zuvor auch. Die Tür stand einen Spalt offen. Unter dem kleinen Vordach hingen eine Vielzahl von Kräuterbündeln. Einige frisch, die anderen bereits trocken. Ein würziger, herber Geruch ging von ihnen aus. Ich sog ihn ein. Und er erinnerte mich an etwas oder… an jemanden? Zu Beginn hatte mich die Magie geführt, aber nun? Nun war mir, als ob ich mich an jemanden erinnerte und als ob es jene vage Erinnerung sei – nicht mehr als ein dunkler Schatten in der Dämmerung – die mich dort hinein zu ziehen versuchte.

Ich öffnete die Tür einen Spalt weiter. In der Hütte sah es ebenso aus, wie hier draußen. Gebündelte Kräuter hingen von der Decke herab. Ein noch würzigerer und noch herberer Geruch drang mir in die Nase, verstärkte die Erinnerung und damit das Verlangen, hinein zu gehen. So trat ich ein. Drinnen sah es kärglich aus. Ein Tisch mit zwei Stühlen, dahinter eine verrußte, offene Feuerstelle. Der weiße Rabe saß auf dem Ast eines toten Baumes ohne Rinde, der zwischen den gestampften Boden der Hütte und der hölzernen Decke gezwängt worden war. Mit seinen hellblauen, leuchtenden Augen schaute er mich direkt an, musterte mich. Mir jagte ein kalter Schauer den Rücken hinab, denn sein Blick drang tief im meine Seele, bis auf den Grund meiner Seele. Nackt und hilflos fühlte ich mich. Und die wilde Magie drang tiefer in mich hinein, immer weiter und weiter und weiter, wühlte sich durch meinen Kopf, durch meine Erinnerungen, erforschte die Tiefe meines Seins. Plötzlich erhob sich der weiße Rabe krächzend und das magische Band zerriss.

„Endlich“, hauchte da eine sanfte Frauenstimme zu meiner Linken. Erschrocken wandte ich mich ihr zu, sah den Raben auf ihrer Schulter sitzen. Es war eine kleine Frau von äußerst zierlichen Wuchs, ihr langes, weißes Haar trug sie zu einem dicken Zopf geflochten, die hellblauen Augen ähnelten denen ihres Raben und auch ihre Haut war so weiß wie sein Gefieder. Um ihren Körper hatte sie eine Decke gewickelt. Sie machte einen wiegenden, bedächtigen Schritt auf mich zu und gab den Blick auf die mit allerlei weißen Fellen geschmückte Bettstatt hinter ihr frei. „Endlich“, raunte sie mir erneut zu, „Ich habe so lange auf dich gewartet. So lange.“ Sanft legte sie ihren Kopf schräg. Fixierte mich mit ihren hellblauen Augen. Wieder begann Magie in mich hinein zu sickern. Sie ähnelte der wilden, ungezähmten Magie, die von dem Raben ausgegangen war, doch diese war noch stärker, drang noch tiefer. Ich schauderte. Konnte ihren Atem auf meiner Haut spüren. Selbst unter meiner Kleidung konnte ich ihn spüren. Gänsehaut breitete sich über meinen gesamten Körper aus. „Denn ich wusste, dass du kommen wirst. Ich habe es gesehen. Vor vielen Götterläufen habe ich es schon gesehen. So lange habe ich auf dich gewartet.“

Vollkommen unerwartet ließ sie die Decke zu Boden gleiten und offenbarte ihren splitternackten, bleichen, aber makellosen jungen Körper. Ganz dicht trat sie an mich heran. Ich schluckte, wusste nicht so recht wie mir eigentlich geschah. Ihr süßlich, lieblicher Geruch stieg mir in die Nase, vernebelte mir die Sinne, raubte mir meinen Verstand. Mein Atem ging schnell. Ich begann die Kontrolle über mich selbst zu verlieren, immer mehr und mehr entglitt sie mir und ich geriet in den Sog dieser Fremden. Dieser schönen, anmutigen, nackten Fremden. Mit Bestimmtheit legte sie ihren Zeigefinger gegen meine Lippen und als ihre Haut meine berührte, da entfuhr mir ein wohliges Seufzen.

„Ich werde ‚Die Weiße Rabe‘ genannt“, raunte sie mir leise zu, „Alle nennen sie mich so. Dabei trug ich früher mal einen anderen Namen. Ich habe ihn vergessen. So wie ich viel über die Zeit vergessen habe. Dich jedoch habe ich nicht vergessen. All die Götterläufe nicht. All die Götterläufe habe ich auf dich gewartet und nun, nun bist du endlich hier, Ortal ay Fasar.“ Erwartungsvoll blickte sie mich an. „Und jetzt, jetzt wirst du endlich erhalten, worauf du die ganzen Götterläufe gewartet hast...“ Ein lustvolles Stöhnen entrann meiner Kehle, dann schwanden mir meine Sinne gänzlich...

[...]

Stadt Schwarztannen

„Das hier ist dein Reich“, erklärte mir Helmrat von Schwarztannen-Scharfenstein als er mich durch den Keller des großzügig geschnittenen Hauses führte, „Hier kannst du tun und lassen, wonach dir auch immer ist. Deine Forschungsobjekte werden dir von der Stadtwache zur Verfügung gestellt werden. Einen unterirdischen Gang müsstest du allerdings noch dorthin graben...“ Er bedachte mich mit einem vielsagenden Blick. „... oder viel mehr graben lassen.“

Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und erwiderte ihm: „Eine Kleinigkeit, Helmrat, eine Kleinigkeit. In welche Richtung?“

„Dort“, er wies mir die Richtung, „Zuvor solltest du aber ein Blick in die Karte werfen. Es gibt einige Keller, die du umgehen musst...“

Ich nickte.

„Abgesehen davon, wirst du für die Sicherheit Salomes Sorgen. Die Praioten kleben mir nämlich an den Hacken“, Helmrat rollte entnervt mit den Augen, „Oder viel mehr kleben sie dem Mädchen an den Hacken.“

„Weil sie magische Begabung zeigt?“

„Sie haben sie aus dem Haus entführt um sie im Tempel auszubrennen, was ich gerade noch so habe verhindern können“, empörte er sich kopfschüttelnd, „Wo kommen wir denn da hin, wenn unbescholtene Bürger fürchten müssen von den Praioten verschleppt zu werden?“

„Es wird nicht ihr letzter Versuch bleiben“, schloss ich nüchtern, „Was glaubst du, wie oft man mir schon angeboten hat mich von der Last des Frevels Madas zu befreien? Ich habe aufgehört zu zählen...“

„So etwas hatte ich schon befürchtet“, er schenkte mir ein gequältes Lächeln, „Deswegen müssen wir vorsichtig sein. Vor allem du.“ Er bedachte mich mit einem langen Blick.

„Ich lasse mich einfach nicht erwischen“, erwiderte ich ihm verschmitzt, „Und was den Rest angeht, so ist es für dich und das Kind besser, dass ihr nur das wisst, was ihr wissen müsst. Je weniger Fragen du stellst, desto besser.“

Nun grinste der Schwarztannen-Scharfensteiner: „Du hast dich wirklich kein bisschen verändert.“

„Nun“, meinte ich durchaus stolz, „Das ein oder andere habe ich schon noch dazugelernt.“

„Und so wie ich dich kenne, wird das meiste davon unseren besonderen Aufpassern nicht gefallen...“

„Ach“, winkte ich nur grinsend ab, „So kann man das nun wirklich nicht sagen. Praioten neigen eben ein bisschen dazu... hm... alles gleich überzudramatisieren. Das liegt wohl an ihrer... hm... verstockten Natur?“

Helmrat lachte ein lautes, schallendes Lachen: „Verstockt sind sie alle, aber Hochwürden ist regelrecht verknöchert! Ein Praiot nordmärker Schule sozusagen, der nur all zu gerne alles vernichten möchte, was irgendwie magisch ist. Die ihm unterstellen Geweihten sehen das nicht alle so, aber sie schulden ihm Gefolgschaft. Müssen sie ja.“

„Na dann gehe ich mal davon aus, dass ich das ein oder andere mal kontrolliert werde“, seufzte ich, „Schleichen die auch um das Haus herum?“

„Schleichen?“, der Bürgermeister kicherte schadenfroh, „Für so was sind die nun wirklich nicht gemacht, dafür sind ihre Ornate auch viel zu... hm... leuchtend. Aber in der Tat lungern sie öfters um das Haus herum. Das Haus einfach so betreten, haben sie allerdings nicht mehr gewagt, das könnte Hochwürden nämlich leicht den Kopf innerhalb seiner Kirche kosten...“

Ich schaute ihn fragend an.

„Auch Hochwürden ist nur ein fehlbarer Mensch. Zumindest war er mal einer“, führte der Ritter weiter aus.

„Und du kennst seine Verfehlung?“

„Oh ja!“, stimmte er nickend zu, „Ich kenne sie sehr genau. Nur so habe ich das Mädchen auch freibekommen. Ich habe ihn schlichtweg erpresst.“

„Und warum hast du ihn dennoch nicht hingehängt?“

„Weil ich nicht weiß, wer nach ihm kommt. Vielleicht ist der nächste oder die nächste nicht so... konservativ aber vielleicht ist er oder sie auch noch schlimmer. Weiß man es?“

„Kenne deinen Feind“, erwiderte ich, „Ich sehe, auch du hast dazugelernt.“

„Die Praioten werden wir wahrscheinlich nicht los, aber sie uns auch nicht“, ein vielsagendes Lächeln umspielte seine Wangen, „Wir werden einfach mit ihnen ein bisschen Katz und Maus spielen.“ Einen Moment hielt er inne, dann schlug er den Weg nach oben ein. „Jetzt will ich dir aber erst einmal deinen Schützling vorstellen.“

„Salome, nicht wahr?“

Er nickte stumm. „Versteh mich nicht falsch, Helmrat“, hob ich an, „Aber was hat es mit diesem Kind auf sich? Ich meine, ein Familienmensch bist du nun wirklich nicht oder... irre ich mich da etwa?“

„Sie weiß wann die Menschen sterben, Ortal! Was könnte nützlicher sein?“

[...]

Hexenwald

Als ich erwachte, war es bereits finster. Ich hörte das Knistern eines Feuers. Als ich die Augen aufschlug erkannte ich den weißen Raben unweit von mir sitzen. Mit seinen blauen Augen schaute er mich an. Dann setzte sich die Weiße Rabe zu mir auf das Bett und reichte mir einen Becher.

„Tee“, erklärte sie mit ruhiger Stimme, eine Decke um ihren zarten Körper geschlungen, „Vorsicht heiß!“ Sie bedachte mich mit einem liebevollem Blick. Aus ihrem weißen Zopf hatten sich Strähnen gelöst. In dem weichen Licht des Feuers wirkte sie noch schöner und noch unheimlicher zugleich.

Ich nahm den Becher und setzte mich auf: „Was... was geht hier vor sich? Ich... ich verstehe das alles nicht.“

Sie seufzte und trank einen Schluck Tee während sie in das knisternde Feuer starrte: „Das ihr immer meint, alles verstehen zu müssen. Was gibt es denn da schon zu verstehen?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Vor langer Zeit schon wurden diese Ereignisse vorhergesehen.“ Sie strich mit ihrer Linken mein Haar zurück und blickte mir tief in die Augen. „Es ist unsere Bestimmung.“ Ein zartes Lächeln legte sich über ihre Lippen. „Ich könnte mir weit unangenehmeres vorstellen, als das hier...“

Ich musste grinsen, nicht zuletzt weil sie mir zärtlich über die Wange strich: „Und was für dunkle Haut du hast.“ Sie sagte da mit der Unschuld eines kleinen Kindes. „So schöne, dunkle Haut. Wie flüssige Bronze...“

Mein Grinsen wurde noch ein wenig breiter: „So ist das bei uns Tulamiden.“

Nun nickte sie gedankenverloren: „Du kommst aus Fasar, nicht wahr?“

„Nun, da bin ich zur Akademie gegangen“, erklärte ich, „Aber eigentlich komme ich aus...“

„... Mherwed“, wusste die Weiße Rabe, „Ich weiß. Wo... hm... wo liegt das?“

„Das weißt du nicht?“, lachte ich und verstand nicht, dass sie zwar den Namen meiner Geburtsstadt kannte, aber nicht deren Lage, „Zwischen den Wüsten Gor und Khôm.“

„Ich habe gesehen, dass du anders bist als die anderen“, gestand sie, „Nicht nur äußerlich, sondern auch… auch innerlich. Dass du aber eine Magierin von der berüchtigten Akademie der Geistigen Kraft sein wirst, hat mich schon ein wenig verblüfft...“

Ich musste ein wenig schmunzeln: „Du... du fürchtest dich doch nicht etwa vor mir?“

Nun lachte sie. Laut und schallend, als wäre diese Vorstellung vollkommen abwegig. „Ich bin alt, Ortal“, erwiderte sie da plötzlich seltsam ernst, „Sehr alt. Ich habe viel gesehen und viel erlebt. Es gibt wenig, vor dem ich mich fürchte. Sehr wenig.“

„Aber...“, fühlte ich mich dennoch genötigt nachzuhaken, „Vor mir nicht?“

Erneut lachte sie: „Ich weiß, an welchen Stellen du kitzelig bist. Wie könnte ich mich da vor dir fürchten? Du musst mir nur eines versprechen...“ Mit ihren blauen Augen schaute sie mich durchdringend an. „... meine Gedanken und auch die meines Raben Rohal gehören mir und nur mir allein. Du wirst niemals in meinem Kopf herumwühlen!“

„Natürlich nicht“, erwiderte ich ungewohnt kleinlaut, „Fürchtest du dich denn davor? Davor, dass jemand deine Gedanken kennt?“

Sie legte ihren Kopf von der einen auf die andere Seite: „Ich weiß so viele Dinge, Ortal ay Fasar. Ich habe so viele Dinge gesehen. Diese Dinge... sind nur für mich bestimmt und für niemanden sonst. Ich kenne die Zukunft, aber jemand anderes könnte mit diesem Wissen viel Unheil anrichten. Zu viel Unheil.“

Ich nickte, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt die Bürde, in die Zukunft zu sehen, noch nicht recht verstand: „Fürchtest du dich vor den Praioten?“

Die Weiße Rabe schnaubte: „Ich fürchte mich nicht vor ihnen, aber so manche von ihnen fürchten sich vor mir. Zumindest Hochwürden aus Schwarztannen. Er ist ein verbitterter Mann geworden, dabei war er früher ganz anders. Du musst wissen, er hatte eine große Laufbahn innerhalb seiner Kirche vor sich, bis er auf mich traf. Natürlich, er ist Vorsteher des Tempels geworden, aber...“ Sie zuckte mit den Schultern. „Er hat immer mehr gewollt. An seinem Scheitern gibt er mir die Schuld. Irgendwie bin ich das wohl auch, aber...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern, schien einen Moment in Gedanken versunken. „Hochwürden aus Hexenmühle fürchtet mich nicht. Ein Ereignis in der Vergangenheit hat ein seltsames Band zwischen uns geknüpft. So lange ich jedoch hier in meinem Wald bleibe, wird er in seinem Tempel bleiben.“

„Was ist... was ist damals zwischen euch passiert?“, trieb mich die Neugierde. Doch eine Antwort erhielt ich nicht, stattdessen gestand sie: „Meine größte Furcht jedoch gilt dem Sterben des Waldes.“ Einen Moment hielt sie inne. „Dem Sterben der Tiere im Wald, denn so lange die weißen Tiere hier im Wald leben, so lange wird auch der Wald leben und so lange werde auch ich leben.“ Sie wandte ihren Blick dem knisternden Feuer zu, zog die Decke enger um sich. „Doch das Sterben hat bereits begonnen...“

Weitere Ideen

  • Drei Krähen und zwei Räblein
  • Krähen im Maul des Greifen
  • Das eiserne Band
  • Iwo und Iwana
  • Die Krähe und ihr falsches Täubchen
  • Hühnerbeinchen für Drego