Geschichten:Tränen des Launenhaften - Am Horizont
Ugdalf von Löwenhaupt-Hauberach stand mit zweien seiner Soldaten am windumtosten Kai von Praioshaven und erwartete die Ankunft seiner Braut Alinde von Zweifelfels. Voller Anspannung aber auch mit Vorfreude beobachtete er, wie das Schiff, mit dem Alinde reiste, sich gemächlich dem Hafen näherte.
Für einen Moment schweiften seine Gedanken ab vom Hier und Jetzt, hin zur Erinnerung, wie es dazu kam, daß er hier an der Kaimauer eines trostlosen Dorfes auf einer ebenso trostlosen Insel stand.
Noch zwei Götterläufe zuvor stritt er an der SeiteLudalfs von Wertlingen gegen die zahlreichen Kriegsfürsten derWildermark und versuchte als ranghöchster Adliger der Mark, als Pfalzgraf zuBrücksgau, die Interessen des Reiches zu vertreten und durchzusetzen. Auch wenn all dies mit großen Mühen, Strapazen und Opfern verbunden war: Ugdalf war mit seinem Leben und dem Erreichten zufrieden, er hatte es sogar geschafft, endlich aus dem Schatten seines bisher übermächtig scheinenden Vaters herauszutreten.
Doch nun war all dies dahin und Geschichte. In der Schlacht um Berler zog der Pfalzgraf sich eine schwere und langwierige Verletzung zu, die eine längere Genesung abseits der unsicheren Wildermark erforderlich machte. Eine Gelegenheit, die sich seine Gegner nicht entgehen ließen, um ihn zu diskreditieren und um Amt und Würden zu bringen. Ausgerechnet seinem wenig geliebten Vater hatte er es zu verdanken, daß er nicht ins Bodenlose fiel sondern als Hauptmann in dessen Regiment eintreten konnte, was für Ugdalf freilich nur einen schwachen Trost darstellte.
Aber es gab nicht nur Schatten. Vor seinem Sturz hatte er den fast gleichaltrigen Debrek von Zweifelfels, welchen es mit seinen Begleitern mehr oder weniger nur durch Zufall auf diePfalz Brücksgau verschlagen hatte, kennengelernt, sich mit ihm angefreundet und über ihn auch eine Braut gefunden. Gerade der Umstand, daß Debrek seine Base Alinde nicht, wie andere Adlige es zuweilen taten, beinahe schon wie eine Zuchtstute anbot, machte Ugdalf neugierig. Debrek beschrieb seine Verwandte als von ruhigem Gemüt, unprätentiös und eher nachdenklich.
Charaktereigenschaften, die auch dem jungen Adligen zu Eigen waren und die er darob sehr schätzte. Ein Besuch in der Alriksmark, wo Alinde als Dienstritterin der damaligen Burggräfin diente, war daher rasch vereinbart, damit sich der wildermärker Adlige buchstäblich selbst ein Bild von seiner möglichen Gemahlin machen konnte.
Am Ende des einwöchigen Aufenthaltes waren alle Beteiligten übereingekommen, daß die Beiden nach einer angemessenen Verlobungszeit den Traviabund miteinander eingehen würden. Beim Gedanken daran stahl sich ein leicht versonnenes Lächeln auf das Antlitz des Löwenhaupters. Vielleicht war es an der Zeit, die dunklen Schatten der Vergangenheit zumindest ein wenig von sich wegzuschieben und nach vorne zu schauen.
Jäh wurde Ugdalf durch das Leuten einer Glocke, die das Einlaufen des Schiffes ankündigte, aus seinen Gedanken gerissen. Zeit, Alinde willkommen zu heißen.
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