Geschichten:Des Greifen Tatzen - Lähmende Kälte
Südlager, Kaiserlich Neue Rabenbrücke, Mitte Hesinde 1044 BF
Nachdenklich blickte der Reichsvogt der neuen Rabenbrücke auf die Karte, welche vor ihm ausgerollt auf dem Tisch lag. Die Arbeiten waren eingestellt, der Boden war dank der Kälte so hart wie Granit, ein befestigen der Straße war nun nicht mehr möglich. Resigniert hob er seinen Blick Richtung Zelteingang, als er die herannahende Baumeisterin hörte.
„Den Zwölfen zum Gruß, Herr Reichsvogt!“, grüßte Alya den Einäugigen mit strengem Blick. Auch ihr war bewusst, dass unter diesen Umständen an ein Fortführen der Arbeiten nicht zu denken war. „Den Zwölfen zum Gruß“, erwiderte der blonde Mann und richtete sich auf.
„Der Boden ist gefroren, das Wasser nun eisig kalt. Wenn Euer Wohlgeboren nicht zufällig das Erdreich erwärmen können, werden wir die Arbeiten einstellen und auf wärmere Temperaturen warten müssen“. Stellte Ayla fest, während sie an den Tisch trat und etwas auf der Karte suchte.
Bärfried brummte missmutig und blickte ebenfalls auf die Karte, wenngleich ihm nicht wirklich klar war, was genau er zu sehen erhoffte, meist blickte er darauf und dachte über die verschiedensten Dinge nach, selten war eine Karte dabei von großem Nutzen. „Nein, das Erdreich wird wohl gefroren bleiben müssen. Zumindest wüsste ich nicht wie wir das ändern sollten“. „Seht Ihr, deshalb habe ich auf Tempo gedrängt. Als Ihr hier her gekommen seid hatten wir bereits Mitte Boron, Firuns Hauch kommt schnell, vor allem dann, wenn man ihn am wenigsten brauchen kann!“. Die Baumeisterin deutete auf eine Stelle auf der Karte.
„Da, die Desme führt im Winter wesentlich weniger Wasser. An dieser Stelle ist sie zumindest während dieser Zeit passierbar“. Mit einem triumphierenden Blick schaute sie zu Bärfried, der nun mit dem Stirnrunzeln begann. „Ihr wollt, dass wir die Leute über diese Furt führen? Durch das eisige Wasser?“, „Habt Ihr eine bessere Idee? Die Brücke ist nicht fertig und wird auch vor Frühjahr nicht fertiggestellt. Ein Umweg über Ennetbrück kostet ein bis zwei Tage, Zeit, die man unter Umständen nicht hat. Ich schlage vor wir errichten dort zwei Posten mit gespannten Seilen, die das Überqueren erleichtern“.
Der Reichsvogt kratzte sich am Kinn und überlegte. In den nun fast 30 Tagen, in denen er hier war, hatte er einiges gelernt. Das überraschte sogar ihn selbst, scheinbar hatte die Flottenakademie in Perricum Recht mit ihrer vormaligen Devise, die Kadetten buchstäblich ins kalte Wasser zu schmeißen. „Nun gut, dann werden wir diesen Posten jedoch genügend Decken, Feuerholz und warme Getränke mitgeben. Nicht dass uns noch jemand nach der Überquerung erfriert“.
Die Baumeisterin nickte zufrieden, „eines noch! Die Wachposten sollten ausreichend groß sein!“. Der Einäugige nickte fast schon resignierend, „ich weiß, ich weiß. Es werden ausreichend Gardistinnen abgestellt und die Patrouillen zur Brücke verdoppelt“. Ayla nickte zufrieden, verbeugte sich knapp und ging dann ebenso schnell wie sie gekommen war.
Bärfried blickte ihr sorgenvoll nach. Kurz bevor die Bauarbeiten an der zweiten Brücke zum Erliegen gekommen waren, mussten sie sich mit zerbrochenem Werkzeug und beschädigten Baumaterial herumärgern. Die Übergriffe wurden schlimmer, irgendwem passte es ganz und gar nicht, dass das Heer hier Brücken schlug.
Bärfried stand vor dem Feuer und wärmte seine Hände. Die Temperaturen waren abermals gefallen und ihm war so, als ob sich eine Eisschicht an den Stellen bildete, die nicht Richtung Feuer ausgerichtet waren. „Ich hatte gehofft über die neue Brücke zu kommen! Und nicht mir hier den Allerwertesten abzufrieren“. Stellte der Hauptmann, etwas säuerlich, fest, während er in Decken gehüllt an seinem Getränk schlürfte.
Der Reichsvogt blickte mit bittrer Mine auf, „es tut mir aufrichtig leid, Herr Hauptmann. Für Eure Unannehmlichkeiten werde ich Euch selbstverständlich im Südlager ein Fässchen Wiesenschlösschen spendieren! Es ist überdies bereits alles für Eure Ankunft vorbereitet, die Köche haben einen hervorragenden Braten gezaubert und euer Zelt wird bereits aufgewärmt“. Der Hauptmann rümpfte die Nase und blickte zur Furt herab, wo gerade der zweite Trosswagen am queren war.
„Na immerhin etwas… Ich hörte von Problemen mit Aufständische?“, Bärfried winkte ab. „Nichts was wir nicht im Griff hätten“, oder in den Griff bekommen werden, ergänzte er im Sinne. „Einige übermütige Bauern, die wohl nicht mit der Entscheidung Ihrer Exzellenz zufrieden waren schlunder Land den Hartsteenern zuzuschreiben“.
Der Hauptmann nickte knapp, „ich hoffe Ihr habt es diesem Pack gezeigt? Der Angriff auf kaiserliches Eigentum ist ein schweres Verbrechen. Der Strick ist da nur die gnädigste Antwort…“, stellte er grimmig fest und blickte abermals zu dem Trosswagen, der nun auf ihrer Seite der Desme angekommen war. „Gut, wir sollten aufbrechen. Ich freu mich schon auf den Braten und das Wiesenschlösschen, hab schon viel von der Braukunst der Zwerge gehört“.
Bärfried nickte knapp, in Gedanken war er bei den Aufständischen, die ihnen das Leben schwerer machten, als er zugeben wollte. Er hatte gehofft, dass ihre Angriffe über den Winter pausieren würden, doch er hatte sich geirrt. Nun waren sie in einem „Katz-und-Maus“-Spiel gefangen, wobei die kaiserlichen Truppen mit dieser Art der “Kriegsführung“ so ihre Probleme hatten. Wie bekämpfte man einen Feind, den man nicht sehen konnte? Die Kaiserlichen waren dazu übergegangen Fallen zu stellen, ebenfalls verdeckt zu agieren, doch oft schafften es die Angreifer sich in das umliegende Gebiet zurückzuziehen. Aus diesem Grund würde Bärfried in wenigen Tagen die umliegenden Adligen aufsuchen, in der Hoffnung dort Unterstützung für sein Anliegen zu erhalten oder zumindest herauszufinden, ob die Aufständischen Rückhalt im hiesigen Adel hatten.