Geschichten:Sonnenstand – Am Grafenhof I
Burg Reinherz, Eslamsgrunder Grafenhof, zweite Hälfte des Jahres 1044 BF:
Frohen Mutes und die Nase gen Himmel gereckt, ritt Damian Niteo von Malagant auf seinem schwarzen Almadaner den Weg zur Grafenfeste Reinherz hinauf. Begleitet wurde der 'schöne Ritter' – wie er landläufig von den schmachtenden Maiden und vor allem Burschen genannt wurde – von Junkerin Zanira von Pfiffenstock und Brinburga von Vairningen. Der Rat der Kronvögtin von Monvaldorn hatte sich nach zähen Beratungen dazu durchringen können, diese drei Adligen an den Eslamsgrunder Grafenhof zu beordern um dort für die Krone nach dem Rechten zu sehen. Damian war sehr entzückt wegen dieser willkommenen Abwechselung – saß doch sonst in seinem Turm Casa Mons fest und musste sich mit den furchtbar fantasielosen und vor allem unansehnlichen Monserval und ihrem Karseitzer Kettenhund rumschlagen. Da kam eine Reise an den Grafenhof – und dann noch in offizieller Mission gerade recht.
Die Drei ritten an der ausgedehnten Parkanlage von Burg Reinherz vorbei, die trotz des schon recht milden Wetters wie ausgestorben da lag. Sehr ungewöhnlich, die Damian empfand, war der Park doch sonst voll von Höflingen, Musikanten und Gauklern. So kannte er es zumindest aus den Briefen seiner Tante. Besagten Gauklern sollte die Truppe jedoch dennoch begegnen. Eine Gruppe der fahrenden Künstler kam den Monvaldornern von der Burg aus entgegen – aufgebracht zeternd und sichtlich verärgert.
"Freunde des Kurzweils, wohin des Weges?" Sprach Damian mit jovaler Stimme. "Ihr wirkt gar so als habe das Lachen aus Reinherz Auszug gehalten."
"Wenn ihr Unterhaltung und Zerstreuung sucht, geht nicht an den Grafenhof." In der Stimme der jungen Gauklerin klang Enttäuschung und Resignation mit. "Der Graf duldet kein Lachen, nur noch Gebete an den Götterfürsten."
"Ah, ja das ist ja mal ... eine Überraschung." Der Ritter aus Dornbusch blickte fragend zu seinen Reisegefährtinnen. "Also mir ist der Hof als Ort der Freude, des ausschweifenden höfischen Lebens und so bekannt. Und nun das?"
Ungläubig setzten sie ihren Weg fort – die Gaukler von der Burg weg, die Monvaldorner zu ihr hin. Im Burghof angekommen saßen die Reiterinnen ab. Damian tat es ihnen gleich – mit Eleganz und Anmut, die wohl ihresgleiche suchte. Als er zum stehen kam, zückte er seinen goldumrandeten Handspiegel, fuhr sich geübt durch seine blonden, leicht gewellten Haare und wandte sich an seine Begleiterinnen.
"So, wie gehen wir nun vor?"
Der Anblick der Anlagen hatte Brinburga unweigerlich an die Zustände am Hofe der Kaisermark erinnert. Seit dem Tod des Markvogtes litt dieser unter inneren Konflikten vor allem jedoch an Auflösungserscheinungen. Aus eben jenem Grund hatte Brinburga sich auf diese Reise begeben können, sie hatte jedoch nicht erwartet einen ähnlich trostlosen Hof vorzufinden.
“Nun…” räusperte sich die Mittfünfzigerin. “Das Leben am Hofe scheint zum Erliegen gekommen zu sein.” Nachdenklich ließ sie nochmals ihren Blick schweifen. “Schenken wir den Spielleuten jedoch glauben, sind seine Bewohner nun sehr Fromm. Ich würde also vorschlagen, dass sollte uns nicht noch jemand begrüßen, wir als erstes die Kapelle aufsuchen und dem Götterfürsten für seine Gnade danken.”
Das sie mit ihrem Plan beabsichtigte sich dem Verhalten des Hausherren anzupassen und gut Freund zu machen, machte die Edeldame durch ihre Formulierung relativ deutlich.
Zanira stieg ebenfalls von ihrem Pferd ab, mit einer legeren Selbstverständlichkeit, welche noch durch ihren stolzen Reitergang betont wurde. Die Situation mit den Gauklern hatte sie mit gewisser Skepsis bedacht. Den Vorschlag der Vairningen nun auch, auch wenn die Intention der Frau mehr als deutlich war. Zanira behagte die Situation hier nicht, und das nicht nur weil die Gesandten aus Monvaldorn sich auch (noch) nicht ganz grün waren. Nein, sondern weil gleißende Eiferer gefährlich waren und oft auch erpicht darauf andere Meinungen im Keim zu ersticken. So war sie sich noch unsicher was sie hier sollten, aber ihr Vetter Selo hatte ihr “geraten” solche Gelegenheiten wahrzunehmen, ebenso wir er ihr “empfohlen” hatte Ritter des Fuchsrudels alsbald vor, während und nach dem Eslamsgrunder Turnier zu beheimaten. Da diese “ein Garant für Harmonie und ritterlichen Tugenden” wären. Sie verstand worum es ihm ging, doch schienen sich gerade diese beiden Dinge sich beinahe zu widersprechen. Frömmelnder Graf und Korgonder Ritter - das passte nur schwer zusammen. Und wo zweiteres eine gewisse Faszination auf sie ausübte, sorgte ersteres eben für Unbehaglichkeit. Nicht dass sie Praios nicht schätze für seine Geschenke, wie den Sonnenschein und ihren Stand, doch in Garetien sah man den Götterfürsten anders als in ihrer Heimat und hier ganz besonders: strenger, härter, unverzeihlicher. Aber vorallem eifersüchtiger - andere Kulte, solche die sie insgeheim lockten, wurden kritisch beäugt oder gleich mit Feuer und Schwert bekämpft. Doch sie mochte das Abenteuer und so pflichtete sie Brinburga bei: “Ja, dem stimme ich zu, alles andere könnte auch als Affront aufgefasst werden.”
"Dann auf auf meine Damen, der Praiosdienst wartet auf uns." Geschwind drehte sich der 30 Sommer zählende Ritter um, wies einen umher streunenden Burschen an sich um die Pferde zu kümmern und warf diesem dabei keck ein paar Münzen zu.
Auf dem Weg zur Praios-Kapelle begegneten den drei Herrschaften vor allem in Weiß und Gold gewandete Schwertträger – Bannstrahler wie jedes Kind hier in Eslamsgrund wusste und – und dieser Anblick war Damian neu – in einfache weiße Tuniken gekleidete Menschen mit ernstem Blick, die stumm ihrem Tagwerk nachzugehen schienen.
Vor der Kapelle angekommen, wachten sechs Ritter, angetan in den gräflichen Farben, das verschlossene Portal.
Zanira zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts, entschied sich den “galanten” Mann sprechen zu lassen, der sich ohnehin gerne reden hörte.
Mit ihrer ebenfalls weißen Kleidung, war es fast so als würde Brinburga zum Hof gehören. Ein Umstand den sie durchaus als verwunderlich empfand, schließlich war sie sonst immer der dezente Tupfer unter den vielen bunten und meist aufwändigen Gewändern der adligen Gesellschaft. Aufrecht und Stolz, doch zugleich in Vorbereitung eine Kapelle zu betreten mit der entsprechenden Demut, schritt sie zielstrebig mit ihren Begleitern ihrem Ziel entgegen. Innerlich machte sie sich derweil bereits ein Bild vom Grafenhof. Mit einem feinen Gespür für die verschiedenen Intrigen, Hinterhältigkeiten und Verlogenheiten die Adlige gern untereinander sponnen hatte sie sich bisher immer gut zurecht gefunden. Sah sie sich all die ernsten Mienen an, war vermutlich jegliches Vergehen bereits dem Praios-Diener gebeichtet worden. Vermutlich musste er gar Beistand anfordern, da er all der Leute Beichten sonst nicht abnehmen konnte.
An der Kapelle angekommen, hielt sie sich bewusst einen Schritt hinter ihrem Begleiter sodass dieser als erstes das Wort an die Herrschaften richten konnte.
Sich unvermittelt an der Speerspitze der kleinen Gruppen befindend, sah es Damian als seine Pflicht an das Wort an die wachenden Ritter zu wenden. "Stolze und ehrbare Rittersleut unseres allseits geliebten Grafen Siegeshart, aus tiefsten Herzen ist es unser Begehr den erleuchteten Worten des Herrn Praios zu lauschen."
Ohne eine erkennbare Gesichtsregung machten zwei der Ritterinnen Platz und öffneten das zweiflügelige Portal der Kapelle. Mit einer ausladenden Geste drückte Damian den Rittersleut seinen Dank aus und trat ein.