Geschichten:Eine glühende Verehrerin des Siegers der Rudelturney

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Wehrturm Natterkopf, Baronie Gnitzenkuhl

Unzufrieden umrundete Sie den Mann. Natürlich war er nur ein Annäherung an das Original, aber sie war froh, dass Selissa ihr wenigstens in dieser Sache eine ergebene Tochter gewesen war. Sie hatte ihr in der Reichsstadt eine Art Ebenbild für die Sitzungen gefunden, zufällig! Er war schmächtiger, natürlich bei den Lebensstil, aber Gesicht, Haare und Bart waren nach einem Bad, einer Rasur und einem Haarschnitt wirklich unfassbar ähnlich. Unweigerlich verselbstständigkten sich ihre Gedanken, und verweilten bei ihrer geliebten Tochter. Bei der Wahl des zweiten Gatten nunja, da hatte sie leider nicht auf sie gehört! Ohnehin war sie neuerdings so störrisch und verstockt. Vermutlich hielt wie vermutet die Ehe mit Hlutharion nicht,was sie sich davon versprochen hatte. Hätte sie einmal besser auf sie gehört. Ein Versehrter musste es sein, hätte sie nicht einen Mann nehmen können, dessen Familie ihn nicht verstoßen hatte? Stattdessen hockte sie jetzt bei diesen verschrobenen Köhlern nah des unheimlichen Forstes. Sie schüttelte den Kopf, und merkte, dass der Mann, der als ihr Modell fungierte, sie seltsam anstierte, was sie zurück ins Hier und Jetzt holte. Genug der Ablenkung, schollt sich die Frau selbst in Gedanken. Er war zwar äußerlich sehr ähnlich, doch sobald er den Mund aufmachte, war die Illusion dahin, dass Original und Abbild auch nur irgendetwas gemein hatten. Erneut mass sie mit Fingern und Augen ab, was sie hier vor Augen, und dann wieder dort, auf Leinwand gebannt hatte. Mühsam versuchte Sie sich die wenigen Momente ihres Zusammentreffens auf der Turney in Erinnerung zu rufen. Der Moment, als er obsiegt hatte, diesen Ausdruck der Augen, die Pose, das wollte sie fest halten.

Einen strahlenden Sieger, hoch zu Ross, ja, das war er schon, doch der Ausdruck auf dem Gesicht, er wollte ihr noch nicht so recht gefallen. Was fehlte nur? Wütend knüllte sie einen getränkten Lappen auf die kritischen Stellen, und entfernte eine feine Schicht Farbe, und warf ihn anschließend in die Ecke. Sie brauchte das Original, sie musste ihn einfach sehen, mit eigenen Augen, ganz nah! „Geh, geh geh GEH!“ rief sie schließlich immer lauter dem verdutzt drein schauenden Mann entgegen, der rasch seine eigenen Habseligkeiten packte, und das Weite suchte.


Trenner Perricum.svg


Da es nicht die erste Sitzung mit Tsaiane für ihn war, endete seine übereilte Flucht bereits vor der Tür ihrer Räume, und in deutlich gemächlicherem Tempo begab er sich über die Weinberge zurück zum Wehrturm, wo mit Sicherheit ein gutes Mahl auf ihn warten würde. Er hatte fast den Eindruck, dass sie ihn mästeten, seitdem er hier war. Er schmunzelte ob dieser absurden Vorstellung.

Er dürfte sich nur nicht von Anshelm, dem Hausherren erwischen lassen. Ihm war noch immer nicht klar, weshalb man ihn aus dem Hafen Perricums hierher gebracht hatte, aber bei Phex, er fühlte sich wie in Traviens Schoß. Ein warmes Essen jeden Tag, saubere Kleidung und sogar ein eigenes Nachtlager bei den Knechten. Was wollte man mehr? Er musste nicht einmal was stehlen, oder betteln, geschweige denn jemandem bespitzeln oder um die Ecke bringen. Sogar Arbeit hatte er bislang keine tun müssen, bis auf dieses Rumhocken und immer in die gleiche Ecke glotzen.

Sein gesundes Mißtrauen war ihm natürlich mit dem Umzug nicht abhanden gekommen, Glück war flüchtig, das hatte sein Leben in den Gassen Perricums ihm täglich gezeigt. Darum nahm er sich auch heute wieder vor, bevor er nach der abgebrochenen Sitzung sein Mittagsmahl einnahm, zu lauschen, ob er mehr erfahren konnte. Wem genau er nun angeblich wie aus dem Gesicht geschnitten sei. Soviel wusste er inzwischen. Vielleicht ließ sich ja sogar damit in Zukunft weiter Geld verdienen? Er leckte sich beim Gedanken daran, gierig über die Lippen.

Wie ein Fuchs, der der schreckhaften Gans nahe kommt und darum keinen Laut von sich gibt, näherte er sich dem Wehrturm von der Seite, wo die Ställe und der Misthaufen waren. Dort im Hof gestikulierten die Eheleute Mistelstein miteinander. Scheinbar keine harmonische Unterhaltung, ob er jetzt mehr erfahren würde? Ein süffisantes Lächeln machte sich auf seinen Zügen breit. Er wusste genau, dass der Kerl nicht zu schätzen wusste, was er an der Frau hatte. Er hatte ihn gleich erkannt. Zu oft hatte er ihn in Perricum schon nachts gesehen, dort wo die Lustknaben standen und auf Kundschaft warteten. Die Frau sprach beruhigend auf ihn ein, nur einzelne Wörter waren es, doch die reichten aus, um klar zu machen, dass er näher ran musste, wollte er endlich erfahren, wem er ähnelte.

„…sie hat nach dem Tod Oblodors doch so wenig, dass ihr Herz berührt...sicher ist das nur eine Phase…sie würde dir nie schaden wollen…hat eben einen Narren an dieser Idee gefressen…“

Doch die Worte seiner Angetrauten schienen Anshelm von Mistelstein eher noch ärgerlicher zu machen. So war das, was er sprach dann auch deutlich besser zu verstehen, denn er hatte seine Stimme wahrlich nicht im Zaum.

„Was weiß sie denn schon von dem Fuchsrudel und seinem Anführer, oder diesem Gewinner der Rudelturney ausser, dass er eine imposante Erscheinung ist? Sie hat GETRÄUMT, … GETRÄUMT, dass sie ihm ein Denkmal in Form eines Gemäldes setzen wird, und seitdem ist sie wie besessen von der Idee. Keine gute Rede, keine Argumente, nichts, hält sie davon ab, seitdem sie ihn dann auch noch auf der Durchreise EINMAL gesehen hat und sich nach dessen Rede völlig auf dem Irrweg befindet.“

Anshelm strich sich ärgerlich das Haar aus der Stirn und sah aus, als müsste er dringend etwas, oder jemanden schütteln. Aus seinem Versteck hinter dem Misthaufen sah er wie sich die Fäuste des sonst so beherrscht wirkenden Mannes mehrfach öffneten und schlossen. Wohl das Erbe des Vaters. Oblodor war scheinbar berühmt berüchtigt gewesen für seine Unbeherrschtheit, das hatten ihm die Knechte nachts bei schlechtem Schnaps und einer Scheibe Schinken erzählt.

Die Frau wirkte bekümmert und fern in Gedanken versunken, als sie leise antwortete. Verflucht, er verstand sie nicht. Dieses Frauenzimmer war ihm ohnehin suspekt. Sie war viel zu sehr von Hesinde gesegnet worden, als das es ihr gut tat. Er hatte ganz genau gesehen, wie sie akribisch am Vortag Zahlenkolonnen geprüft, und daraufhin in irgendwelche Bücher Notizen geschrieben hat. Das hätte dieses Mannsbild machen sollen, stattdessen war der jedoch genau wie seine Mutter ein Künstler! Er schüttelte das Haupt. Frauen sollten an den richtigen Stellen rund und ausserdem willig sein. Dann hatte man vor ihnen seine Ruhe und den nötigen Spaß um es lange zusammen auszuhalten. Das hatte ihn die eigene Vergangenheit gelehrt. Alles andere machte einem das Leben nur schwer. Gut, sie sah wirklich ansehnlich aus, aber wäre sie eher wie Gishild, dann wäre sie jetzt einfach in die Küche, und hätte dem Burschen was gekocht, oder einfach verführerisch den Rock gehoben, und ihm Ablenkung verschafft.

Seine eigenen Gedanken hatten sich verselbstständigt, sodass ihn jetzt die Heftigkeit der Reaktion des Ritters überraschte, als der brüllte:

“…nein, ich mäßige mich nicht Daria. Ich kann nicht weiter zusehen, wie meine Mutter sich und damit unsere Familie in den Schmutz zieht. Ich verfluche diesen elenden Glaubert von Eschenrod, und bei nächster Gelegenheit werde ich beweisen, dass er und seinesgleichen es nicht wert sind ein Denkmal gesetzt zu bekommen!“

Wütend stapfte Anshelm von Mistelstein die Anhöhe hinauf, um dem erhitzten Gemüt entgegen zu wirken, derweil Daria seine Frau dastand, und ihm scheinbar reglos nachsah, wie er davon rannte.

Issel ließ sich ratlos hinter dem Mist auf den Boden sacken- Glaubert von Eschenrod also! Er kratzte sich am Kopf. Nie gehört. Was hatte er auch geglaubt, wer das sein sollte, wem er ähnlich sah? Störrebrandt? Er gluckste in sich hinein, und stellte nach kurzem Überlegen, was er jetzt tun sollte fest, dass sein Magen knurrte. So war es, wenn man sich erst einmal an regelmäßiges Essen gewöhnt hatte. Man sollte die Kuh melken, solange sie ein Kalb hatte. Er klopfte sich den Staub von der Kleidung, und machte sich auf den Weg in die Küche, als sei nichts geschehen.