Geschichten:Großfürstenhof – Ein Ziel vor Augen
Schloss Gerbaldsaue,Handlungsort ist:: Kaiserlich Gerbaldsmark, Boron 1045 BF:
Reichsvogt Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor stand in seinem opulenten Ankleidezimmer mit ausgebreiteten Armen und ließ sich geduldig von seinem jungen und ungemein ansehnlichen Leibdiener Amar Feqzaïl das Festgewand ankleideten – das nicht weniger opulent war als das Ankleidezimmer. Feinster, mit Gold bestickter Brokat traf auf edelste aranische Stoffe. Reto liebte diese Extravaganzen, doch waren sie nicht nur Selbstzweck, sondern erinnerten ihn auch an seine aranische Herkunft, auch wenn er sich per se nicht als Aranier bezeichnete, sondern als Mittelreicher. Zu tief saß in ihm noch der Verrat der aranischen Fürsten Sybia. Auch wenn Reto in Perricum und Gareth aufgewachsen war, so umgab er sich doch gerne mit seiner altaranischen Entourage.
Während Retos Leibpage Siyandrion von Palmyr-Donas ihm vollmundigen Perricumer Roten kredenzte, offerierte ihm Salix Eorcaïdos von Aimar-Gor auf einem samtenen Tablett eine Reihe von Schmuckstücken. Reto deutete auf die goldene Pfauenbrosche, in der viele kleine Saphire eingelassen waren. „Eine bittersüße Erinnerung an Perricum und einer großen Liebe“, sinnierte der Aimar-Gor, „außerdem umschmeichelt die Brosche meine Augen, nicht war Timshal?“
Der Kammerherr nickte zustimmend und musterte genau, wie das Festgewand an seinem Herren an Form und Sitz gewann. Timshal von Palmyr-Donas war ein Vetter mütterlicherseits von Reto und einer seiner engsten Vertrauten. Der Perricumer hatte die Gabe sich im Hintergrund zu halten und doch alles mitzubekommen, was vor sich ging. So konnte er seinem Vetter vortrefflich Bericht erstatten, was am Hof vor sich ging.
„Gut, gut, meine Lieben, es ist vollbracht.“ Reto betrachtete das vollendete Kunstwerk – also sich selber – im großen, Gold umrandeten Luringer Spiegel. In diesem Moment betrat durch eine der Geheimtüren Retos Sekretär Romelio von Agur das Ankleidezimmer.
„Herr, es ist so weit, die Gäste warten.“ Romelio bewunderte seinen Herrn, nicht nur, weil der die höfische Repräsentation perfektioniert hatte, sondern weil dieser hinter all dem Pomp auch noch wusste was er tat. Mit Eifer und Durchsetzungskraft hatte er den Gerbaldmarker Hof umgekrempelt und lästige Zöpfe abgeschnitten – mitunter ohne Rücksicht auf Verluste. Der Hof funktionierte nun wie ein zwergisches Uhrwerk, jeder kannte seinen Platz, hatte seine Aufgabe. Gerade weil alles wie am Schnürchen ließ, konnte sich der Reichsvogt auch dem Müßiggang hingeben. Manch einer mochte ihm das verleiden, aber der Reichsvogt lieferte stets.
„Wunderprächtig!“ Der Reichsvogt der Gerbaldsmark trank den vollmundigen Roten aus und flanierte in Richtung der zweiflügeligen Tür, die seine beiden Pagen Siyandrion und Salix öffneten. Vor der Tür warteten bereits Retos Knappen Salix Borontreu von Zolipantessa und Tolmario Silem von Aralzin.
„Auf, auf, meine Hübschen“, rief Reto beschwingt, „welch Monströsitäten müssen wir uns gleich in der Arena stellen?“
„Die Burggräfin der Halsmark hat sich ankündigen lassen“, bemerkte Romelio trocken.
„Ach, dieses langweilige Ding“, ätzte Salix.
„Wiewohl, inhaltslos, aber von tadelloser Abstammung, das wiegt in unserem Stande mehr.“
So schritt der Reichsvogt mit seiner Entourage in den Thronsaal von Schloss Gerbaldsaue, wo ihn die anderen Höflinge bereits erwarteten. Reto ließ sich auf einer ausladenden Kissenlandschaft nieder und winkte seinen Hausritter Savertin von Vairningen herbei.
„Mein Tüchtiger, ich spüre, meine Zeit hier in der Gerbaldsmark wird sich schon bald dem Ende zuneigen. Andere Aufgaben warten auf mich und du, mein Guter, wirst der Schlüssel dazu sein. Reise als mein Schatten nach Meilersgrund zum Krongericht. Große Dinge werden sich dort ereignen, da sei dir sicher. Und sei dir gewahr, ein jeder Dienst soll nicht unvergolten bleiben. Je größer der Einsatz, desto größer soll mein Dank sein.“