Geschichten:Unverhofftes Wiedersehen
Auf dem Zeltplatz
"...sicher werde ich meine freie Zeit genießen. Und ihr passt schön auf die Baronin auf, während ich im Tempel bin." Die Rittfrau, die mit diesen Worten aus dem Zelt getreten kam war Marnion von Kelsenstein keine Unbekannte. Leomara von Isenbrunn war rückwärts aus der Unterkunft die ihr zugewiesen worden war gegangen, und krachte nun unsanft in eine Person, die ihr durch ihr ungeschicktes Manövrieren völlig entgangen war.
"Oh, ihr müsst verzeihen, wie ungeschickt..." Doch kaum hatte sie gesehen wem sie da über den Weg gestolpert war, schwieg sie auch schon wieder. Damit hatte sie zwar rechnen müssen, doch trotzdem traf sie dieses Wiedersehen mit dem Junker einigermaßen unvorbereitet. Den Krug Bier, den sie ihm übergeschüttet hatte, schaute sie kurz an, bevor sie meinte: „Seid gegrüßt werter Marnion. Hätte ich gewusst, dass ihr es seid, hätte ich Wein gewählt." Der Schalk, der ihr dabei aus den Augen sprühte war unübersehbar.
Marnion war einigermaßen verdattert, die Ritterin so plötzlich unsanft wieder zu sehen. Er wischte sich flüchtig das Bier aus dem Gesicht, während die Masse des Getränks an seinem bisher makellosen gelb schwarzen Festtagsgewand herunterlief und ihn für das Fest als üblen Zecher brandmarkte. In gespielten Zorn erwiderte der Junker:
"Schön, dass Ihr es noch wisst wie ich es mit dem Wein trinken halte, so eine Tat fordert Wiedergutmachung." Ein feines Lächeln umspielte seine Züge. "Doch da ich Euch noch einen Kampf schulde werte Leomara von Isenbrunn, biete ich Euch an, dies in einem Aufwasch zu erledigen. Lasst uns morgen nach den Feierlichkeiten zur Praiosstunde zusammen kommen um unseren Händel ein für alle Mal zu beenden. Das Ergebnis soll auch für dieses heutige Malheur Genugtuung sein, so wir nach dem Kampf am Abend mitsamt unserem Gefolge zum Zechen zusammen kommen und der Verlierer die Zeche zahlt. Dann werde ich Euch zeigen was wir auf Kelsenburg mit Wein und Bier noch alles machen. Seid Ihr damit einverstanden, Werte Dame?"
„Oh, ihr scheut also zwei Kämpfe?“ Sie musterte den besudelten Rock und schaute an sich selbst hinab. Sie trug eine enge helle Lederhose nebst passender kurz geschnittener Weste und war ohne Flecken davon gekommen. Auf Höhe der Brust war das Wappen Gnitzenkuhls eingestickt. Das Hemd darunter hatte nur halblange Ärmel unter denen die eine Tätowierung am Arm- die springende Berglöwin- prachtvoll herauslugte. „Nun ja, da ich bei diesem neuerlichen Zusammenstoß besser weg gekommen bin, will ich mal nicht so sein.“ „Aber mitsamt unserem Gefolge?“ Leomaras hochgezogene Augenbrauen drückten Unmut aus. „Ich glaube kaum, dass mein Knappe und die beiden Waffenknechte nebst zweier Leibdiener und Zofen von Hochgeboren Geshla von Gnitzenkuhl zu euren Feierlichkeiten freigestellt werden. Sie wird sicher nicht auf deren Dienste verzichten mögen. Und ich gehe recht in der Annahme, dass ihr nicht mit unserer Baronin speisen wolltet? Wenn doch, so müsste ich erst erfragen, ob ihr das genehm wäre.“ Sie schaute ihn musternd an. Der Kelsensteiner wirkte trotz das sie ihn so besudelt hatte unbeirrt erfreut über ihr Zusammentreffen. Zudem hatte er anscheinend ein paar Stein an Gewicht zugelegt, wenn sie ihre Erinnerung nicht trog. „Mir scheint es fast, als ob ihr euch nicht mehr ganz an euren Wetteinsatz erinnert.“ In ihren Erinnerungen konnte sie noch deutlich den feierlichen Ton herauf beschwören, in dem er damals verkündet hatte, dass er sich bei den Versammelten für sein ungebührliches Verhalten entschuldigen würde, so er unterlag. Sollte sie unterliegen, sollte Leomara mit ihm auf nebachotische Art und Weise speisen...Süßes, wenn sie sich nicht täuschte. „Ich weiß nicht sicher mit wie vielen eurer Bediensteten ihr angereist seid, aber ich fürchte meine Geldkatze würde dieses Gelage kaum verkraften.“ Dieses Eingeständnis machte ihr zu schaffen, aber sie nahm seine Worte ernst und antwortete aufrichtig. Einer der Waffenknechte schob neugierig den Kopf heraus, bekam von ihr aber einen kameradschaftlichen Schubs, worauf er wieder im Inneren verschwand.
Die anschließenden Worte sprach sie schließlich etwas leiser. „Davon abgesehen stehe ich natürlich zu meinem Wort. Meine Narben sind verheilt und ich werde gegen euch antreten. Ich hoffe, dass das Tjosten mich übermorgen nicht kampfunfähig macht, und ich euch eine würdige Gegnerin sein werde.“
"Das würde Euch so passen, Werteste Duellgegnerin. Nein da kommt Ihr mir diesmal nicht davon, hier nehmt dieses Schmuckstück, es wird Euch für Euren Kampf beschützen.“ Mit diesen Worten griff er an seinen Hals und brachte eine silberne Kette mit einem schwarzen Mantikor daran hervor, dessen Augen aus winzigen Rubinen glühten.
Ungläubig schaute sie auf die Kette, streckte aber keinen Finger danach aus. Was bildete sich dieser Kerl nur wieder ein. „Ich brauche keine glitzernden Schutzamulette, ich kann sehr wohl auf mich selbst aufpassen...und wenn ich auf den Platz kriechen muss, werde ich morgen antreten.“ War die Rittfrau schon wieder ziemlich aufgebracht, schien der Kelsensteiner noch immer bester Laune zu sein.
"Um es zu gestehen, im Falle einer Niederlage hätte wohl meine Geldkatze auch erheblich gelitten.“ Er schmunzelte und fuhr fort. "Doch da Ihr mich einen Feigling nennt, kann ich nicht umhin Euch einen zweiten Kampf abzufordern, wenn es Euch recht ist, können wir auch beim Tjosten gegeneinander antreten, ich nehme an, das ließe sich einrichten? Da Ihr mein Angebot für den Fall einer Niederlage ausgeschlagen habt, ist es nun an Euch sich etwas passendes als Einsatz zu überlegen.”
Jetzt stemmte sie ihre Arme in die Hüften: „Wann habe ich euch bitte einen Feigling genannt? Ihr seid schlimmer als diese Advokaten in Perricum. Man sagt etwas ist blau, und sie machen daraus, dass es auf jeden Fall rot war...! Aber wenn ihr mich fordern wollt, sehr gerne, wendet euch an den Herold, er wird den Kampf annehmen. Und einen Einsatz?“ Nach kurzer Überlegung musste sie plötzlich grinsen. „Jeder ist des anderen Knappe für einen Tag?“
"Wischuuu!” Unwillkürlich blies der Ritter Luft zwischen den Zähnen durch. Man konnte ihm ansehen, das er diesen Wetteinsatz erst einmal verdauen musste. "Diesmal geht Ihr ja ganz schön zur Sache. Nun gut, so soll es sein!” Grinsend ließ er den Anhänger wieder unter seinem schmutzigen Festgewand verschwinden.
"Was Schutz angeht, gleich von woher, bin ich nicht sehr wählerisch und so hoffe ich Euch bald in meinem Dienst begrüßen zu dürfen. Nach so einem Waffengang ist einiges in Ordnung zu bringen, die Ausrüstung zu putzen und ich könnte auch einmal wieder ein gutes Bad vertragen.”
„Seht ihr, darin liegt vielleicht einer der Gründe, warum die Nebachoten zahlen mussten- Hochmut kommt vor dem Fall.“ Ihr Grinsen zeigte ihm, dass ihr Selbstbewusstsein sicher nicht kleiner war als das seine, nur vielleicht mit dem kleinen Unterschied, dass sie nicht mir ihrem Können prahlte.
„Gehabt Euch dann wohl bis übermorgen, ich habe noch einige Geschäfte zu erledigen, wenn Ihr mich sucht findet Ihr mich im zweiten Besucherzelt hinter dem Eingang.“ Danach stapfte der Bergbewohner sein übel zugerichtetes Gewand und die Blicke der Umstehenden ignorierend mit einem gepfiffenen Liedchen auf dem Lippen davon um seine nächstes Ziel anzustreben.
„Dich suchen? Ich brauche dringend etwas auf das ich einschlagen kann, danach werde ich jetzt suchen!“ brummelte Leomara vor sich hin, mit dem festen Vorsatz heute schon etwas ihr hitziges Gemüt zu kühlen, bevor sie unbesonnen gegen diesen eingebildeten Krieger antrat. Die Aussicht ihn mit Unmengen von dreckstarrenden Rüstungsteilen zu beschäftigen zauberte jedoch wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht.
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Die Hitze der Nacht | ▻ |