Geschichten:Perainehild von Hasenwaldeck

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Gut Hasenwinkel, 3. Efferd 1045 BF:

Die Praiosscheibe war bereits untergegangen, als Hasenwaldeck in Hasenwinkel ankam. Doch rund um die ein halbes Dutzend Höfe brannten mindestens ebenso viele Feuer und erleuchteten die kleine Lichtung, auf dem das Rundlingsdorf stand. Die Menschen hier glaubten, die Feuer würden den wuchernden Reichsforst und seine sonderbaren Kreaturen vom Dorf fernhalten. Andere behaupteten, der kleine Firun-Tempel böte Schutz vor den Gefahren des Waldes. Wie dem auch war, Hasenwinkel blieb vom wuchernden Reichsforst verschont und auch Wölfe zeigten sich hier, selbst im kältesten Winter, nicht.

Mürrisch dreinschauend, setzte Iriold ab und führte sein Pferd durch das kleine Dorf. Die Bewohner waren schon in ihren Höfen verschwunden. Auf einem kleinen Hügel, umgeben von Hecken bewehrten Feldern und Wiesen, stand der Gutshof seiner Familie. Hier herrschte Iriolds Großtante Perainehild von Hasenwaldeck als Ritterin und das schon seit über 50 Götterläufen. Doch nun ging es mit der alten Ritterin zu Ende, hörte sie doch schon Golgaris Schwingen rauschen. Ein letztes Mal ließ Perainehild nach der Hasenschar schicken – und alle kamen.

Gut Hasenwinkel war ein klassischer Waldsteiner Dreiseitenhof, jedoch vollständig aus Stein gemauert und das Dach mit feuerfesten Schieferschindeln bedeckt. Das Haupthaus zählte zwei Stockwerke, rechter Hand befand sich der Gesindetrakt, in dem sich auch die Küche befand, linker Hand war ein Stall – für Pferde und auch Kühe. Stall und Gesindetrakt verband eine zwei Schritt hohe Mauer aus Bruchstein, was dem Gut etwas Wehrhaftes gab.

In der kleinen, mit Holz vertäfelten Eingangshalle, die über und über mit Geweihen und ausgestopften Jagdtopfähren geschmückt war, warteten bereits Iriolds Gemahlin Alma mit ihren beiden Kindern Dorinthe und Brinwulf, sowie Irolds Mutter Tysta.

„Den Göttern zum Gruße, mein Sohn, Boron voran“, begrüßte Tysta ihren Sohn mit einer Umarmung. „Du bist spät, aber noch nicht zu spät!“

Iriold nickte nur stumm und folgte den beiden Frauen ins Schlafgemach Perainehilds. Hier warteten bereits Iriolds Vater, Junker Hartwulf Gerbald, seine Schwester Gesta mit seinem Schwager Marbert und den vier Kindern des Paares, sowie die entfernte Verwandte Giselda, die extra aus der Reichsstadt angereist kam. Auch Perainehilds Sohn Gerbrecht und Enkel Arnulf waren zugegen.

„Wie immer der Letzte“, frotzelte Gesta ihren Bruder an und erntete einen tadelnden Blick vom Familienoberhaupt.

Als spürte Perainehild die nun vollständige Anwesenheit der gesamten Hasenschar, öffnete sie ihre müden Augen einen Spalt breit. Ihr trockener, von tiefen Falten gesäumter Mund bemühte sich zu sprechen. Ritterin Perainehild konnte auf ein langes, rondrianisches Leben zurückschauen. Sie war die „ritterliche Alte“ der Hasenwaldecks, die an fast allen Schlachten der jüngeren Vergangenheit seit Kaiser Retos Machtübernahme teilgenommen hatte. Die Schlacht auf den Vallusianischen Weiden sollte ihre letzte gewesen sein. Danach zog sie sich auf ihr Gut Hasenwinkel zurück. 'Genug gekämpft, jetzt sind andere an der Reihe', pflegte sie zu sagen. Doch auch dann noch hatte ihre Stimmer innerhalb der Hasenschar Gewicht und sie wurde nicht müde gegen die Ungerechtigkeiten der Streitzig-Herrschaft in Uslenried zu wettern.

Ross und Einhorn sind schwach“, begann die Alte mit überraschend fester Stimmer zu sprechen. „Es ist die Zeit des Waldsteiner Niederadels, wir müssen zusammenstehen und zu alter Stärke zurückfinden. Doch wir müssen uns vor den falschen Führern hüten … denn Leustein und Weißenstein werden uns und unsere Ideale verraten, ihr Herz schlägt nicht für den Niederadel … sie verachten uns. Sie wollen wieder auf den Platz, von dem sie glauben, dass er ihnen zusteht. Doch sie irren, die Geschichte hat ihr Urteil über sie bereits gefällt. Wir müssen mit dem aufrechten, traditionellen Waldsteiner Niederadel streiten … mit Eynweiher, Breitefurten … .“

Dann verstummte die Alte und schloss ihre Augen zum letzten Mal. Familienoberhaupt Hartwulf verneigte sich vor der soeben Verstorbenen. Eine große Heldin war gegangen.


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Wenig später versammelte sich die Hasenschar in der kleinen, aber gemütlichen Halle des Gutshofs. Ein jeder hatte einen Krug Uslenrieder Rotes in der Hand.

„Auf Perainehild, möge sie an Rondras Tafel Einzug halten und über unsere Familie wachen!“, sprach Hartwulf mit weit ruhiger Stimme als von ihm erwartet und fügte dann mit fester, polternder Stimme hinzu. „Es gilt unsere Familie für das, was kommen mag, zu wappnen. Die Zeiten sind günstig für uns, denn sie verheißen Umbruch. Wichtig, ist, dass die Hasenschar zusammensteht, da hat die selige Perainehild recht. Iriold, mein Sohn, du wird ihr als Ritter von Hasenwinkel folgen und hier unser Schwert sein!“ Der Angesprochene nickte überrascht.

„Was ist mit mir?“, polterte Gesta los, die ihrem Bruder die neue Position offenkundig neidete.

„Du, eine Tochter und Erbin, ernenne ich zur Ritterin der Hasenheide. Dir obliegt es nun, unsere nördliche Flanke vor den Begehrlichkeiten der Hettfelds zu schützen!“ Brummend nickte Gesta, fürs Erste war sie zufrieden. Gegen die Hettfelds konnte sie sich wenigstens profilieren, ihr Bruder hingegen, würde hier in Hasennwinkel versauern.


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Als alle Familienangehörigen sich zurückgezogen hatten, trat Tysta an ihren Gemahl Hartwulf. „Und was ist mit dem weiteren Vermächtnis Perainehilds? Sie beschwor uns auf ihrem Totenbett nicht gemeinsame Sache mit den Leusteins und Weißensteins zu machen … schließlich sind die Verbündete der Streitzigs.“

„Es wird sich zeigen, wer wem wirklich loyal sein wird“, brummte der Junker von Hasenwaldeck. „Der junge Streitzig-Baron wird sich nicht an der Macht halten und auch der Seneschall wird fallen, das werden die anderen schon noch begreifen! Und nun Zeit fürs Bett!“