Geschichten:Verschollene Eber - Ankünfte
Stadt Greifenfurt, Residenz
Anselm Hilberan von Hundsgrab-Bugenbühl hatte sich bei dem Ritt nicht viel Zeit gelassen und war deswegen bereits nach etwas mehr als einer Tagesetappe in Greifenfurt angelangt. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten, in Greifenfurt bei seinem Stadthaus nach den Geschäften zu sehen, ritt er diesmal gleich weiter zur Burg, in der er den Prinzen anzutreffen hoffte.
Sein dreigeteiltes Schild - Greif in der Basis, oben flankiert von Tanne und Hund -, das Zeichen von Gut Peckackern, zeugte deutlich davon, wer er war. Das Gut unterstand in direkter Lehnsfolge dem Markgrafenhause, weshalb es diesem Gut auch gestattet war, den Märkischen Greifen im Wappen zu führen. Unter dem Wappenrock, welcher von dem Hundsgraber aufstrebenden Hund geziert und in Grün und Orange geteilt war, blinkten die Ringe des Ringelpanzers. Anselms Haupt war geschützt von einer Sturmhaube.
Derart gewappnet ritt er den Weg innerhalb der Burg herauf und erreichte den Burghof.
Nach zweieinhalb Tagesreisen war es endlich soweit: der Golgaritentrupp näherte sich der Stadt Greifenfurt, über deren Stadttoren das blau-goldene Greifenwappen prangte. Die Pferde waren erschöpft, die Reiter nicht minder. Die Torwachen ließen die Ordensleute mit dem gebrochenen Rad auf den Wappenröcken passieren und so wandte sich die kleine Schar in der Stadt direkt gen Burg. Als sie schließlich im Burghof eintrafen, schien es allen ein Segen, aus dem Sattel gleiten zu können. Der Hauptmann der Wache, Ardo von Keilholtz ä.H. nahm die Ankömmlinge in Empfang.
Der gelbe Mantel des Reiters war stark verschmutzt, als er sich den Toren Greifenfurts näherte – kaum war das Wappen des Boronshofes darauf zu erkennen. Das ging auch den beiden Wachen so, die den Reisenden misstrauisch beäugten und mit vorgestreckter Hellebarde zum Halten zwangen.
"Heda! Wer seid ihr und in welchen Geschäften reist ihr in die Hauptstadt der Mark?"
Der Reiter, der bisher vom scharfen Ritt erschöpft mehr im Sattel gehangen als darauf gesessen hatte, richtete sich auf und funkelte die beiden Gardisten finster an:
„Answin von Boronshof ist meine Name und ich bin hier auf Bitte des prinzlichen Gemahls unserer geliebten Markgräfin – und jetzt gebt den Weg frei!“
Diese Worte spie er den beiden Gardisten förmlich entgegen, die nach einem zweiten Blick auf den verschmutzten Mantel eilig zur Seite wichen. Wenig später hatte der Boronshofer die markgräfliche Burg erreicht, nur um gleich am Tor den Gardisten zu fragen: "Weilt der Prinz noch hier?"
Die Antwort - man warte noch auf ihn und den Baron von Zalgo - entlockte ihm ein kurzes Stirnrunzeln. Dennoch ließ er sich dankbar, wenn auch von seinem steifen Bein behindert etwas ungelenk, vom Pferd gleiten, wobei auch ein Taubenknochen zu Boden fiel. Er warf die Zügel seiner beiden Pferde einem Knecht zu und verschwand eiligen Schrittes in der Residenz.
Einige Stunden später erreichte auch der Baron von Zalgo die Stadt Greifenfurt. Noch am Stadttor erkundigte er sich, ob der Prinz noch in der Stadt weile. Nachdem die Wachen ihm dies bestätigt hatten und ihn auch wissen ließen, dass der Boronshofer ebenfalls heute eingetroffen sei, wandte sich Tyrian an seinen Knappen und sprach: „Wohlan, nun gibt es viel zu tun.“
Kurz darauf musste Knappe Gerrick, nachdem man in einem Gasthaus halt gemacht hatte, in Windeseile alle Kleider ausbürsten, die Stiefel wichsen und auch die Pferde eilig striegeln. Sodann saß man wieder auf und ritt zur nahen Residenz hinüber, die man, der Baron mit gelassenem Blick und ruhiger Haltung, der Knappe verschwitzt und mit rotem Kopfe, alsbald erreichte.
Der Baron schwang sich vom Sattel und verließ sich darauf, dass sein Knappe die Zügel übernehmen würde. Zum Posten am Eingang sprach er: „Sei er so gut und lasse er seiner prinzlichen Hoheit melden, der Baron von Zalgo sei eingetroffen und ihm zu Diensten“. Der Posten stand stramm, ließ dann jedoch den Blick auf das Geschehen hinter den Baron gleiten. Hinter Tyrian kündeten die auf die Steine schlagenden Hufe, dass sein Knappe die beiden Rösser nicht im notwendigen Maße im Griffe hatte. Tyrian drehte sich um und Missmut umwölkte seine Stirn. Sein Knappe hatte noch nicht einmal die Zügel im Griff. Aus den Augenwinkeln sah er bereits einen Burschen der Residenz herbeieilen.
Kaum drei Tage später traf ein leicht derangierter Greifwin vor den Toren Greifenfurts ein. Innerlich seine Reitkünste (oder genauer deren Fehlen) verfluchend glitt der Junker kurz vor dem Stadttor vom Pferd, entschlossen, den restlichen Weg zur Residenz auf Schusters Rappen zurückzulegen.
So würdig wie möglich schritt er mit einem Nicken an den Wachen der Stadtgarde vorbei und marschierte in die Stadt. Nach kurzer Überlegung, ob es wohl klüger sei, erst Quartier zu nehmen oder direkt zur Residenz zu gehen, entschied er sich für Letzteres und wanderte, zunehmend besser gelaunt (jetzt da die Reiterei hinter ihm lag) zur Residenz hinauf.
Dort eingetroffen bemerkte er, jenseits eines Knechts, der sich mit zwei Pferden redlich mühte, eine ihm nur allzu gut bekannte Gestalt. 'Der Zalgoer? Hier? Na das kann ja lustig werden...' Bilder aus seiner Knappenzeit beim Baron von Zalgo erschienen im Kopf Greifwins, die er mit einem unwirschen Kopfschütteln beiseite wischte.
'Dem Feind keine Furcht zeigen!' ermahnte er sich mit einem Rat seines Vaters und steuerte auf zwei nahe Wachen zu. Deren fragenden Blick mit einem „Die Zwölfe zum Gruße! Meldet bitte den Junker zu Weidensee bei seiner prinzlichen Hoheit. Oh, und kümmert Euch bitte um mein Pferd...“ beantwortend, drückte er die Zügel einem der beiden Wächter in die Hand.
Das aufkommende Protestgemurmel ignorierte er geflissentlich und wandte sich dem Eingang der Residenz (und dem Baron von Zalgo) zu. Während er über den Hof marschierte, setzte er ein möglichst freundlich wirkendes Lächeln auf, sich innerlich auf das Unvermeidliche vorbereitend...
Als er so nahe herangekommen war, dass ein weiteres Hinauszögern aufgefallen wäre, hob Greifwin die Hand zum Gruß und rief dem Zalgoer zu: "Euer Hochgeboren, erfreut Euch hier zu sehen! Seid Ihr auch auf dem Weg zu Seiner Hoheit?"
Baron Tyrian wandte sich Greifwin zu: "Ach, Junker Greifwin! Ich kann nicht sagen, wie groß meine Freude ist, euch gerade hier zu treffen. Schön, daß ihr auch schon eingetroffen seid. Geht es eurer werten Frau Großmama gut?" Die Antwort des Junkers gar nicht abwartend deutete er in die Residenz: "Laßt uns hingehen. Der Prinz wartete gewiß voller Ungeduld auf seine Mitstreiter."