Geschichten:Der uralte Bund (Vorspiel) - Einhorngruß I
Herberge 'Einhorngruß', Markt Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF:
Der überaus freundliche Herbergsvater hatte Salix mit einem Lächeln empfangen und ihm den Weg zum Zimmer der Hesinde-Geweihten Loderia Pilperquell gewiesen.
„Einfach die Treppe hoch, scharf rechts und dann steht der Herr schon vor der richtigen Tür.“
Der Mann mittleren Alters war eine wahre Frohnatur – das gefiel Salix. Als der Perricumer gerade an der hölzernen Tür klopfen wollte, bogen zwei Frauen in den Gang ein und standen nun fragend vor Salix. Eine der Beiden trug die Insignien der Boron-Kirche offen sichtbar, so dass es sich um eine Geweihte handeln könnte, mutmaßte Salix.
Die andere war eine hochgewachsene Frau mit langem blondem Haar und scharfen grünen Augen, die ihren Gegenüber aufmerksam betrachteten. Sie trug ein gegürtetes Langschwert und darunter den Wappenrock des Reichsforster Grafenbannes und dazu einen passenden warmen Umhang, jedoch keine erkennbare Rüstung. Sie tauschte einen flüchtigen Blick mit der etwas kleineren Frau neben sich aus. Diese war ganz in schwarzes Tuch gekleidet. Über einer einfachen, aber nicht unbedingt schlicht wirkenden Robe trug sie eine dicke Cappa auf der unauffällig, aber doch sichtbar, das Symbol des Herrn des Todes prangte. In ihrem braunen, etwas zerzaustem Haar steckte ein feiner schwarzer Schleier, der ihr den Rücken hinabfiel und ihr Gesicht mit den noch von der Kälte geröteten Wangen und blauen Augen unberührt ließ.
„Boron und seine elf göttlichen Geschwister mit Euch“, hob die schwarz Gekleidete da an, „Seid Ihr etwa auch…“ Ein etwas überrascht oder gar verwunderter Ausdruck trat in ihr Gesicht. „… auch auf dem Weg zu…“ Nun glitt ihr Blick zur Tür. „… Ihro Gnaden Loderia Pilperquell?“
Der junge Mann, mit den blonden halblangen Haaren, blickte kurz ebenso verdutzt zu den Damen, setzte dann jedoch schnell ein freundliches Lächeln auf. Gekleidet war er in einen zugeknüpften dunkelgrünen Gehrock über den er sich einen braunen, fast fußlangen, Umhang geworfen hatte. Keinerlei Waffen oder Wappen waren an ihm zu sehen, während er sich etwas verbeugte.
„Boron mit Euch, eure Gnaden!“, erwiderte er freundlich und richtete sich wieder auf.
„In der Tat suche ich die Geweihte Loderia Pilperquell, laut dem Wirt soll sich hier ihr Zimmer befinden“, damit deutete er an die Tür, vor der er stand.
„Oh! Wie unhöflich von mir! Wenn ich mich vorstellen darf, Salix von Hardenstatt mein Name. Mit wem habe ich denn das Vergnügen, wenn ich fragen darf?“. Mit einem kleinen Schritt Rückwärts entfernte er sich von der Tür und drehte sich nun vollends zu der Geweihten und ihrer Begleiterin um.
„Ich bin Nurinai ni Rían“, stellte sich die Geweihte vor, bevor sie auf ihre Begleiterin zeigte und erklärte: „Und das ist Yolande von Raukenfels.“ Sie hielt einen Moment inne. „Eigentlich sind wir wegen der Hochzeit gekommen, doch dann… dann kreuzte zuerst eine Hesinde-Geweihte unseren Weg und kurz darauf eine kleine Fuchsstatue.“ Sie zeigte deren ungefähre Größe.
„Eine beschädigte“, korrigierte die Ritterin, „Der Schweif ist abgebrochen.“
Da nickte Nurinai zustimmend: „Ja, ja das stimmt. Euch ist es doch nicht etwa… etwa ebenso ergangen, oder… oder vielleicht doch?“
Salix überlegte etwas, kam dann aber scheinbar zu einem Ergebnis. Lächelnd nickte er, „so ungefähr war das auch bei mir, ja“. Er musterte abermals knapp die Tür, bevor er sich an die Geweihte samt Ritter wandte, „nun, dann haben wir wohl ein gemeinsames Ansinnen Ihre Gnaden Pilperquell zu finden“. Mit diesen Worten wandte er sich zur Tür und klopfte zwei Mal daran, „schauen wir doch, weshalb Sie nicht zum Essen erschienen ist“.
Laut hallte das Pochen der Klopfgeräusche im Flur der Herberge nach, doch hinter der hölzernen Tür vernahmen die drei Wartenden nur Stille. Nochmals setzte Salix an zu klopfen, dieses Mal etwas stärker. Nach dem zweiten Pochen sprang der Verschluss aus dem Schloss und die Tür öffnete sich langsam knarzend einen Spalt breit.
„Eure Gnaden Pilperquell?“, rief Salix als er die Türe langsam quietschend etwas weiter öffnete. Ein unangenehm eisiger Windhauch fegte um seine Nasenspitze.
Das Zimmer lag in einem diffusen Dämmerlicht. Vor dem weit geöffneten Fenster gegenüber der Tür stand ein Stuhl. Die Vorhänge vor dem Fenster tanzten einen wilden Tanz im eisigen Wind. Links neben der Tür befand sich ein Tisch, auf dem einige Pergamente lagen. Nicht wenige von ihnen wurden von dem winterlichen Windhauch zu Boden getragen und bäumten sich immer wieder auf, als wären sie lebendige Wesen im letzten Todeskampf. Hinter dem Tisch stand ein Kleiderschrank, dessen rechte Flügeltür offenstand und im Ringen mit dem Wind vor sich hin ächzte. Rechter Hand von der Tür stand das Bett, auf dem eine Person lag mit seltsam verzerrtem Gesichtsausdruck. Salix erkannte sie, es war Loderia. Der Kopf der Geweihten war mit äußerster Brutalität im Halsbereich fast vom Rest des Rumpfes abgetrennt worden. Die vormals weißen Leinen, die ihren Körper bedeckten, war Blutgetränkt. Auf dem Brustbereich lag, fein säuberlich gebettet auf eine blutrote metallene Scheibe, die Zunge Loderias.
„Bei den Göttern!“, entfuhr es Salix, als er sich dessen gewahr wurde, was er hier vorfand. Ein Glück bin ich noch VOR dem Öffnen mit den beiden Damen zusammengetroffen, dachte er sich jedoch im Stillen als er langsam in das Zimmer schritt und sich umsah.
Er ging zu den Fenstern und schloss sie, bevor er die Kerzen auf dem Tisch entzündete. Prüfend ließ er seinen Blick über die Pergamente schweifen, „ich befürchte, wir kommen zu spät…“, stellte er mit niedergeschlagener Stimme und Gesichtsausdruck fest und deutete zur Toten. Ein Zeichen, stellte er für sich fest als er sich der Zunge gewahr wurde, ohne sie genauer angesehen zu haben.
„Ja“, stimmte ihm Nurinai leise zu. Zusammen mit Yolande war sie dem Hardenstatter in das Zimmer gefolgt und nach dessen erschrockenen Ausrufs an das Bett getreten, dort standen die beiden Frauen noch immer.
„Das ist sie“, bestätigte die Geweihte, „Viel mehr… war sie es.“ Zur Bestätigung nickte sie. „Möge Boron ihrer Seele gnädig sein und Golgari sie sicher über das Nirgendmeer geleiten.“ Die Geweihte zeichnete das gebrochene Rad über die Tote und richtete ein stummes Gebet an ihren Herrn.
„Ist das…“, Yolande stockte, „Das ist doch nicht etwa ihre… Zunge, oder?“
Nurinai schenkte ihr einen vielsagenden Blick: „Da wollte wohl jemand das sie schweigt. Sogar über den Tod hinaus.“
„Hm“, machte die Ritterin da nur und zog die Augenbrauen etwas fragend nach oben, „Sagt Herr von Hardenstatt unter welchen Umständen ist Euch die Tote denn begegnet?“
Salix hatte sich von der Toten abgewandt und blickte auf die Pergamente, welche wild über den Tisch verteilt waren. Ein trauriges Ende für eine solch interessante Persönlichkeit, das musste Salix zugestehen. Ihre Unterhaltungen, wenngleich sie kurz waren, hatten ihm Gefallen. Mal ganz von dieser Sauerei abgesehen, so barbarisch… Er hob leicht seinen Kopf, ohne die Ritterin wirklich anzusehen, „Frau… von Raukenfels, sagtet ihr? Nun, unsere Begegnung war zufällig“, raunte er fast, dann richtete sich der Perricumer auf und seinen Blick vollends auf Yolande. „Wir haben das ein oder andere Mal miteinander gesprochen und das Mittagsmahl gemeinsam eingenommen. Sie ist… Verzeiht, war eine außerordentlich gebildete und interessante Persönlichkeit“, erklärte er, mit gedämpfter Stimme, seiner Gesprächspartnerin. „Wie gestaltet sich Euer Kennenlernen denn aus, wenn ich fragen darf?“, wollte nun Salix seinerseits wissen, verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und musterte die Ritterin.
Vor seinem geistigen Auge sortierte Salix die schrecklichen Eindrücke der Szenerie und versuchte sich auf das wesentliche zu konzentrieren. In Gedanken glitten seine Augen wieder über den Tisch voller durcheinanderfliegender Pergamente, die meisten kaum lesbare Kritzeleien, wie es auf den ersten Blick schien. Ein Name war ihm dabei aufgefallen, auch weil er erkennbar leserlicher geschrieben war. Auf einen der zusammengefalteten Pergamente stand Friedbert Jungerich geschrieben.
Während sich Yolande und der junge Herr unterhielten, trat Nurinai andächtig an die Tote heran. Loderias Augen waren weit aufgerissen und starrten ins Nichts. Ihre Gesichtszüge waren verzerrt, ihr Mund wie zu einem stummen Schrei weit geöffnet. Die Wunde am Hals war beträchtlich. Mit bloßem Auge war nicht zu erkennen, ob die Verletzungen von einer profanen Waffe stammten. Die Hände der Geweihten waren blutverschmiert und seltsam verkrampft. Die Blutspuren vor dem Bett, wie auch die akkurate Lage der Toten im Bett ließen den Schluss zu, dass Loderia nicht im Bett gestorben war und sich vorher gewehrt hatte.
„Von einem Kennenlernen zu sprechen, wäre weit übertrieben“, erklärte die Raukenfelserin, „Sie ist Ihro Gnaden über den Weg gelaufen. Das war im Gasthaus ‚Zum goldenen Stiefel des Kaisers‘, nicht wahr?“ Sie blickte zu Nurinai hinüber, die nickte bestätigend und fügte hinzu: „Ich habe sie gesehen. Sie hat jemanden Papiere übergeben, aber ich konnte nicht erkennen wem. Ich kenne auch den Inhalt der Unterlagen nicht, konnte jedoch ein paar Fetzen des Gespräches zwischen ihr und der anderen Person hören. Irgendjemand habe etwas vor. Etwas Großes. Es gäbe vermehrte Aktivitäten. Ihre Gegenüber solle der Fuchsfährte folgen. Das war‘s. Danach habe ich die beschädigte Fuchsstatue gefunden. Deswegen haben wir sie auch gesucht. Wir wollte von ihr wissen, was es damit auf sich hat, aber…“ Sie wandte ihren Blick von der Toten ab. „Wir sollten in Erfahrung bringen, wann Loderia das letzte Mal gesehen wurde und da sie sich zur Wehr gesetzt hat, könnte vielleicht jemand etwas gehört oder gar gesehen haben?“ Etwas fragend schaute sie in die Runde.
Salix fuhr sich mit der rechten Hand um die Mundwinkel und kratzte sich am Kinn. Mehr zu sich als zu seinen Begleiterinnen, „umtriebige Frau die Gute…“, murmelte er. Mit einem Blick zur Toten und einem leichten Kopfschütteln quittierte er den Vorschlag. „Wir sollten vor allem erst einmal die Wache rufen, meint Ihr nicht?“, er deutete auf die Tote und blickte dann von Nurinai zu Yolande, „wer auch immer das getan hat, scheint nicht davor zurückzuschrecken das Leben eines Menschen zu nehmen. Eure Begleiterin, die Hohe Dame von Raukenfels mag ja eine wehrhafte Frau mit Schwert sein aber ich, für meinen Teil, stelle selbst die größte Gefahr für mich da, wenn ich eine Waffe in die Hand nehme“. Mit einem sorgenvollen Blick wandte er sich ab und dem Fenster zu, an welches er herangetreten war und welches er erst vor kurzem geschlossen hatte.
Er strich mit einem Finger über den Rahmen, „Natürlich… verstehe ich, wenn Ihr das Geschehene unabhängig von der Wache untersuchen wollt. Vor allem wegen diesen mehr als seltsamen Umständen“, Salix seufzte und drehte sich wieder zur Boron-Geweihten. „Dann geht ihr doch herunter zum Wirt und befragt diesen, er soll auch gleich die Wache holen, ich schaue mich derweil hier im Zimmer um, ob es noch Hinweise gibt. Wir sollten jedoch eng mit der Wache zusammenarbeiten“, erklärte der Perricumer mit einem aufmunternden Lächeln.
„Ja, die Wache“, stimmte Nurinai zu, „Wie konnte ich das nur vergessen? Man sollte sie informieren. Ihr habt Recht. Der Wirt soll sich darum kümmern. Er soll…“ Sie stockte. „Ihr habt gleich doppelt Recht, Herr von Hardenstatt“, begriff die Rian da erst den Ernst der Lage. „Das hier ist nicht nur Mord. Das hier ist Frevel! Sie ist… war eine Geweihte. Wer eine Geweihte tötet, der ist zu allem fähig! Zu ALLEM!“
Yolande zog sorgenvoll die Stirn kraus: „Das ist nicht gut. Ganz und gar nicht… Dann bist auch Du in Gefahr. Du und…“ Sie verstummte und blicke Nurinai vielsagend an. Die Geweihte erwiderte den Blick mit ernster Miene und erklärte: „Mein Platz ist hier. Bei ihr. Bitte suche den Wirt auf Yolande und veranlasse alles weitere. Ich werde hierbleiben.“ Dass der Ritterin das nicht behagte, sah man ihr wohl an, aber sie widersprach nicht, es wäre ohnehin zwecklos gewesen, sondern blickte lediglich prüfend einige Male zwischen Salix und Nurinai umher, bevor sie sich auf den Weg macht.
Salix blickte der davongehenden Ritterin hinterher, ehe er sich dem Tisch wieder zuwandte und das zusammengefaltete Pergament, auf dem Friedbert Jungerich stand, zu öffnen. Fast schon beiläufig richtete er dabei sein Wort an die, mit ihm im Zimmer zurückgebliebene, Geweihte, „Ihr scheint in Sorge, dass eine weitere Person in Gefahr ist? Darf ich erfahren, wem diese Sorge zuteilwird?“. Salix ging mit dem Pergament Richtung Fenster, war das Licht von außen doch wesentlich besser als das der drei Kerzen auf dem Tisch. Er blickte kurz auf und lächelte der Geweihten entgegen, „um Euch zu beruhigen, ich glaube nicht, dass wer auch immer das hier tat, es insbesondere auf Geweihte abgesehen hat“.
„Ja“ stimmte die Geweihte Salix erneut zu, „Ja, da mögt Ihr recht haben und dennoch… dennoch ist es besorgniserregend, findet Ihr nicht auch? Wer auch immer es war, er hat nicht einmal vor dem Mord an einer Geweihten zurückgeschreckt! Was ist das nur für eine bedauernswerte Kreatur…“ Sie seufzte schwer. Auf die Frage ihres Gegenübers ging sie jedoch nicht ein, stattdessen erklärte sie: „Inzwischen glaube ich, dass ich aus einem bestimmten Grund hier bin und ich spreche nicht etwa davon, dass mich ihr Tod hierhergeführt hat. Ich meine den bloßen Umstand, dass ausgerechnet mir eine dieser Statuen zugedacht wurde. Wenn auch Ihr eine davon zugespielt bekommen habt, habt Ihr Euch nie gefragt, warum ausgerechnet ihr?“
Er hatte ihr aufmerksam zugehört, dabei sich umgedreht und die Hände abermals hinter dem Rücken verschränkt. Ihm war auch nicht entgangen, dass sich die Geweihte mit ihrer Gegenfrage drum herum gewunden hatte, seine Frage zu beantworten. Mit geschürzten Lippen und hochgezogenen Augenbrauen nickte er ihr zu, „nun, die Wege der Götter sind unergründlich, nicht wahr? Manchmal kann ein kleiner Kiesel, den man ins Wasser warf, große Wellen schlagen. Warum sind wir vorhin nach rechts statt nach links gegangen?“.
Kurz schwieg er, schien seine Gedanken zu ordnen, „kennt Ihr einen gewissen Friedbert Jungerich? Ihre Gnaden Pilperquell wollte diesen nach unserem gemeinsamen Gespräch aufsuchen. Vielleicht weiß er mehr?“, wollte Salix wissen ehe er nachsetzte, „ach ja, wann habt ihr die Geweihte das letzte Mal gesehen, lebend? Bei mir ist es zwei Tage her, wir sollten herausfinden, was Sie zwischenzeitlich getan hat“.
„Von einer solchen Person habe ich noch nie gehört, ob es jene ist, mit der ich sie habe sprechen sehen? Gesehen habe ich sie das letzte und einzige Mal vor zwei Tagen. Also am selben Tag wie Ihr. Und ja, wir sollten herausfinden, was sie in der Zeit dazwischen getan hat und wann sie das letzte Mal lebend gesehen wurde.“ Sie holte Atem und erinnerte sich: „So weit ich weiß, wollte Ihre Gnaden Nachforschungen über diese Fuchsstatuen anstellen und der Erzäbtissin Canyraith von der Lohe am heutigen Abend Bericht erstatten. Es scheint daher offensichtlich, dass beide Ereignisse miteinander in direktem Zusammenhang stehen. Wir sollten auch die Erzäbtissin über den Tod Loderias in Kenntnis setzten, was meint Ihr?“
Der Name Canyraith von der Lohe machte Salix stutzig. Dann erinnerte er sich ... der Name stand auf einigen der Traktate und Pergamente, die er auf dem Tisch liegen sah.
Der Adlige nickte zustimmend, ging dann, mit einer Hand in der Tasche seines Gehrocks steckend, zurück zum Tisch mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. Aufmerksam ging er die Dokumente durch, „lasst mich... nur kurz etwas suchen, da stand irgendwo... etwas“. Mit einigem Stirnrunzeln fand er, was er gesucht hatte.
Der Perricumer Edelmann überflog die gesuchten Pergamente. Es waren wissenschaftliche und philosophische Abhandlungen über Bildhauerei, die Symbolik von Statuen etc.. Autorin aller dieser Schriften war die Erzäbtissin des Drakoniter-Hortes zu Gareth, Canyraith von der Lohe.
„Hm, eine Erzäbtissin der Drakoniter mit einem Hang zu Statuen. Sie scheint tatsächlich eine heiße Spur zu sein. Sie beschäftigt sich wohl mit der Symbolik von ihnen“, stellte er fest.
Dann nickte er nochmal bestätigend, hob die Hand und deutete Richtung Ausgang. „Ihr entschuldigt mich bitte kurz,“ raunte er der Geweihten zu. Während er den Raum verließ, blickte er noch ein letztes Mal zur verstorbenen Hesinde-Geweihten. Andächtig schloss er hinter sich die Tür als er draußen war und ging gemeinsam in den Schankraum, wo Yolande noch dabei war mit dem Wirt zu sprechen.
Salix ging an ihr, der Ritterin und dem, nun ganz und gar nicht mehr fröhlich wirkenden, Wirt vorbei nach draußen. Dort blickte er sich kurz um und ging dann zu einem Jungen mit braunen Haaren, der unweit des Eingangs an einer Ecke stand. Die beiden wechselten kurz einige Worte miteinander, wobei der Junge deutlich große Augen machte, dann aber nur nickte und davon ging. Der Adlige selbst ging zurück zum Wirtshaus, umrundete es und befand sich dann auf der Seite, wo sich das Fenster zu Loderias Zimmer befand. Hier blickte er sich kurz um und fand die Fußspuren, die er vom Fenster aus gesehen hatte. Interessiert untersuchte er die Spuren im Schnee. Die Fußabdrücke unterhalb des Fensters waren erstaunlich groß und hinterließen vergleichsweise tiefe Abdrücke im Schnee. Sie führten sowohl zur Hauswand hin, wie auch wieder zurück. Unterhalb des Fensters waren zwei tiefe Abdrücke im Schnee zu erkennen, die von einer Leiter herrühren konnten. Die Fußspuren führten zur Gasse vor der Herberge und verliefen sich in den unzähligen Abdrücken anderer.
Während Salix Abwesenheit erinnerte sich der sichtlich erschütterte Wirt, wann er Loderia das letzte Mal gesehen hatte. Nach seinen Angaben war das am Vortag am späten Abend. Dabei machte die sonst so quirlige und um keinen Spruch verlegene Geweihte einen angeschlagenen und leicht verwirrten Eindruck. Yolande nahm das mit einem leichten Nicken zur Kenntnis. Weiter wollte sie vom Wirt wissen, ob ihm am gestrigen Abend irgendetwas aufgefallen sei. Vielleicht hatte er seltsame Geräusche gehört? Möglicherweise habe Loderia ja noch Besuch erhalten? Oder hatte jemand auch nur nach ihr gefragt? Hatten sich seltsame, gar zwielichtige Personen in der Herberge herumgetrieben oder waren um den Einhorngruß herum gesichtet worden? Anschließend ging Yolande zu Nurinai nach oben.
Dort stand die Rían noch immer am Bett der Toten. Etwas erschrocken blickte sie auf, als Yolande in das Zimmer trat. „Der Wirt hat sie wohl das letzte Mal gestern Abend gesehen“, erklärte die Ritterin, „Wann glaubst Du ist sie gestorben? Noch am selben Abend?“ Da zuckte die Geweihte mit den Schultern: „Schwer zu sagen. Wenn die ganze Zeit über das Fenster offen stand…?“ Die Ritterin seufzte nickend. „Konnte der Wirt Dir sonst etwas Brauchbares sagen?“, wollte Nurinai da wissen. „Nun ja“, hob die Raukenfelserin an, „In letzter Zeit haben wohl auffallend viele nach Ihro Gnaden gefragt. Erst gestern jemand mit einem auffälligen Fuchsamulett und den Tag davor eine ältere Dame mit braun gefärbtem Haar, die wohl auf der Pfalz arbeite.“
Salix war währenddessen wieder in die Herberge gegangen und, nachdem er Yolande nicht mehr unten stehen sah, ebenfalls ins Zimmer hochgestiegen. „Draußen vor dem Fenster finden sich Fußspuren, sowie Hinweise einer Leiter. Leider verlieren sich die Abdrücke im Gemenge der anderen Spuren auf der Straße“, erklärte der Adlige, während er die Tür schloss. Verstehenden nickten die beiden Frauen, hakten aber nicht nach, da wohl auch diese Spur nirgendwo hinführte.
Fragend blickte er zu den beiden Frauen, „vielleicht sollten wir Canyraith von der Lohe, während wir Sie, wie von euch vorgeschlagen, über den Tod Ihrer Gnaden Pilperquell unterrichten, fragen, was genau das für eine Angelegenheit war, weswegen sich beide heute Abend treffen wollten?“. Die Boron-Geweihte schüttelte nur knapp den Kopf, „ich würde ungern Ihre Gnaden hier allein lassen und zumindest auf die Wache warten“. Verstehend nickte Salix und schaute dann zur Ritterin, die einen besorgten Blick zu Nurinai warf, ehe sie antwortete, „ich werde Euch begleiten.“. Zufrieden nickte der Perricumer und verabschiedete sich mit einer Verbeugung von der zurückbleibenden Geweihten.
„Gib gut auf Dich acht“, verabschiedete sich Yolande mit einem vielsagenden Blick, „Und iss etwas, wenn die Wache sich ihrer angenommen hat.“ Einen Augenblick wirkte die Geweihte, als wollte sie der Ritterin Widerworte geben, dann jedoch nickte sie: „Ganz wie Ihr wünscht.“ Da schien die Raukenfelserin einigermaßen zufrieden zu stellen und sie erklärte dem Hardenstatter im Gehen: „Sie kann so schrecklich unvernünftig sein…“ Und damit machten sich Salix und Yolande auf den Weg.
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