Geschichten:Schäumende Wasser - Am Nest der Schlange

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Auf dem Darpat, höhe Stadt Rabicum, Markgräflich Perrinmarsch, Ende Hesinde

Die drei Schiffe waren gut durchgekommen, es war zu keinem Zwischenfall zwischen Wasserburg und Rabicum gekommen und doch lagen die Nerven aller Anwesenden blank. Die ständigen efferdheiligen Choräle hatten am Anfang noch Allen Zuversicht gegeben, doch nun hatten sie sich so sehr in die Köpfe der Leute auf der Admiral Dozman und der Windhatz gebohrt, dass sich die eine oder andere Seesoldatin am liebsten Seetang in die Ohren gesteckt hätte.

Dara von Hardenstatt stand neben ihrem Steuermann und ließ den Blick schweifen. Der Fluss war ungewöhnlich warm zu dieser Jahreszeit, das war ihr schon in Wasserburg aufgefallen und sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Die Temperatur schien genauso willkürlich wie das Gemüt des Unergründlichen.

Selo von Alxertis lehnte an der Reling der Elida und blickte gelangweilt auf die vorbeiziehende Landschaft. Eigentlich war er nur mitgekommen, weil ihn seine Schwägerin darum gebeten hatte. Seitdem diese die Kapitänin der Sonderflottille bei ihm abgeholt hatte, standen beide in regem Kontakt. Zuvor hatte der Junker nicht viel Kontakt mit der Familie seiner Schwester; als verbohrte Zackenländer hatte er sie immer angesehen. Doch die Kommandantin des Wasserburger Stützpunkts war erfrischend anders.

Der Efferdgeweihte Ludrian von der Brücke streckte sich geräuschvoll und ließ ein tiefes Seufzen vernehmen. Er hatte sich eine kurze Pause vom Rezitieren der Gebete gegönnt und griff nach seinem Weinschlauch, aus dem er einen großzügigen Schluck nahm. Eigentlich wäre er lieber beim Südweiser mitgefahren, allerdings wollte er Efferdan dylli Turakis so weit wie möglich meiden. Seit dem Zwischenfall im Kloster war der Gute hinsichtlich der Person Ludrians ziemlich verstimmt. Verstohlen blickte der Mann zur Wächterin vom Darpat.

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Jovis von Cardebas hatte sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten, hatte pflichtbewusst die Choräle und Gebete mitgesungen und mitgesprochen, doch ansonsten war er nicht in die Nähe des Südweisers gekommen. Die Hochgeweihten des Efferd hatten ihn abgeschirmt, fast so, als wollten sie das Artefakt vor allzu gierigen Blicken beschützen. Doch plötzlich wurde der junge Novize von einer unbestimmbaren Ruhe erfasst. Sie breitete sich tief in seinem Inneren aus und erfasste jede Faser seines Seins. Als wäre die Zeit zu zähfließendem Honig geworden, bewegte sich Jovis auf den Südweiser zu, von dem die Ruhe auszugehen schien. Er schob sich an den Geweihten des Efferd vorbei, die sich verwundert anschauten und nichts von dieser Ruhe, diesem Gefühl der Strömung, mitbekamen. Der junge Mann streckte seine Hände nach dem Südweiser aus und umfasste ihn. In dem Moment, als er das Artefakt berührte, schlug die Nadel aus und ein Ruck, der durch das Schiff ging, warf einige der Passagiere zu Boden! Während der junge Novize mit ruhiger Stimme warnend intonierte: "Die Brüder im Zwist, doch wehret der Schwester! Sie steigt empor aus den Untiefen, da sich die Brüder streiten, weil der ältere nicht zu sehen vermag in seinem Gram. Sehet da kräucht es, ich sehe es. Wehret der Schwester, streitet, zu den Waffen!" Schon brach auf Deck ein Durcheinander aus - die Warnung hatte gewirkt.

Diese Aufregung blieb auch auf der Admiral Dozman nicht lange unbemerkt. Das Marschtempo der Kolonne hatte sich mittlerweile drastisch verlangsamt und nun konnte Yanda auch sehen, warum. Der Flusssegler war in einer dunkelgrünen, zähen Masse stecken geblieben, die augenscheinlich auf dem Wasser trieb. Schon seit einiger Zeit hatte ein fauliger Geruch stetig zugenommen. Dieser Algenteppich schien wohl der Ursprung davon zu sein. Von der Position der Kommandantin aus war es nicht eindeutig zu erkennen, aber Yanda erahnte Bewegungen auf dem dunklen Geflecht. Sie zückte ihr Fernrohr und suchte kurz die vermutete Stelle mit einigen Schwenks der Apparatur. Tatsächlich, aus einer kleinen Öffnung in der grünen Masse, die unter die Wasseroberfläche führte, krabbelten scheußlich entstellte Krabben. Fast erinnerten die Tiere an Chimären, an vielen Stellen zusammengewachsen und mit einer abnormen Anzahl von Scheren und Beinen. Manche dieser Tiere waren über und über mit schwarzem Schleim bedeckt und es wurden allmählich immer mehr. Ganz offensichtlich hatten sie sogar ein Ziel, denn in einer geraden Linie liefen sie alle in dieselbe Richtung, hin zur Windhatz, die immer noch im Algenteppich festeckte. Durch das Fernrohr sah Yanda eine Matrosin am Bug der Windhatz, die sich in grotesk vergrößertem Detail in den Darpat übergab. Lang blieb Yanda keine Zeit, darüber die Nase zu rümpfen, denn schon wurde ihre Aufmerksamkeit von der schrillen Alarmglocke der Elida von Salza eingefordert. Dort herrschte bereits Kampfeslärm. An der Reling hing ein ekelhaft humanoides Wesen mit einem roten Tentakelkopf, dass sich trotz der Hiebe der leidlich im Kampf bewanderten Schiffsbesatzung versuchte einen Weg an Deck des Schiffes von Kapitän Leuwangen zu bahnen, doch zum Glück war diese vorgewarnt gewesen, ob der übernatürlich laut gesprochenen Worte des jungen Novizen. Während Rondrara und Selo den ersten Udapothen noch recht gut in Schach halten konnten, sah Yanda bereits zwei weitere dieser Daimoniden mit ihren unnatürlichen Saugnäpfen an der Bordwand hochkrabbeln. Vielleicht hätte sie die Seesoldaten nicht von der Elida abkommandieren sollen.

“Geschütze besetzen und fertig machen zum Feuern!”, schrie Yanda durch den aufkommenden Trubel, obwohl sie ganz genau wusste, dass sie mit den zwei Rotzen und der Hornisse nicht in das Kampfgetümmel auf der Elida eingreifen konnte. Viel mehr wollte sie weiteren Gefahren oder sogar einem Angriff auf die Admiral Dozman zuvorkommen.

Plötzlich wölbte sich der dicke grüngraue Algenteppich an einer Stelle vor der Admiral Dozman immer mehr nach oben, wie eine widerliche Eiterblase die, prallgefüllt, drohte zu platzen. Scließlich gebahr sie den Kopf einer jungen Seeschlange, behangen mit stinkenden Algen, dieser ragte ca. zwei Schritt in die Höhe und schien sich dort kurz zu orientieren. Ein Raunen, genau wie Stoßgebete an Efferd, war aus allen Richtungen zu hören. Das war der Moment, auf den Yanda gewartet hatte. “Feuer!”, hallte der Befehl über alle Schiffe. Kurz darauf flogen Eisenkugeln gefüllt mit geweihtem Wasser und efferdgesegnete Harpunen durch die Lüfte. Nur ein Geschoss verfehlte, während sich eine Harpune durch das geschlossene Maul der Seeschlange bohrte. Noch zwei weitere schlugen im Körper des Untiers ein, das sofort leblos auf die Wasseroberfläche klatschte. Tosendes Jubelgeschrei erklang von der Admiral Dozman. Nur die Hornisse der Elida von Salza hatte nicht gefeuert.

Mit einem Schulterblick bestätigte die Kommandantin ihre Befürchtung. Die insgesamt vier Udapothen hatten das Schiff nahezu überrannt. Die Besatzung hatte sich in zwei Gruppen geteilt und bildete am jeweils anderen Ende eine Verteidigung gegen die ekelhaften Dämonenwesen.

“Hart steuerbord! Und fertig machen zum Übersetzen auf die Elida.”, die Befehle waren für Yanda völlig klar. Sie musste ihrem Leutnant schnellstmöglich zur Hilfe kommen. “Ruder liegt hart steuerbord.”, antwortete die Steuerfrau prompt und mit rhythmischen Schlägen der Ruder begann sich der Bug der Admiral Dozman minimal zu drehen.

Sie hatte noch alles unter Kontrolle, jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Im Kopf ging die Kommandantin immer wieder ihre nächsten geplanten Schritte durch. Nun war sie an dem Punkt in der Liste angekommen, an dem es wieder Zeit war, sich ein neues Bild der Lage zu verschaffen. Das Wichtigste war der Südweiser, also schnellte ihr Blick auf die Windhatz. Das Schiff war bereits über und über mit Krabben bedeckt und jeder versuchte die Tiere in bizarren Windungen von sich abzuschütteln. Auch der grüne Algenteppich schien immer mehr an der Bordwand emporzuklettern. War dieser etwa auch unheilig beseelt?

Kurz nach diesem Schock fielen alle Krabben, die sich gerade noch in Gewändern und Beinen verbissen hatten auf das Deck oder sprangen in Kopfloser Panik von Bord. Etwa zeitgleich löste sich die Windhatz durch einen unnatürlichen Ruck aus dem Algenteppich. Die Efferd-Geweihten schienen ihre Arbeit gut zu machen. Yandas Aufmerksamkeit wurde von panischen Schreien unter ihr wieder auf die Admiral Dozman gelenkt. Irgendetwas schien da unten nicht in Ordnung zu sein.

“Sofort alle Kämpfer unter Deck! Bringt das in Ordnung.”, brüllte Yanda, der der Schweiß bereits auf der Stirn stand. Sie konnte nicht zulassen, dass die Admiral Dozman manövrierunfähig wurde. Sofort stürmten ein Dutzend Kämpferinnen und Kämpfer an ihr vorbei nach unten. Noch bevor sie allerdings Zeit hatte, zu überlegen, wie sie nun Alafir helfen könnte, brach die nächste Katastrophe über sie herein. Zuerst hörte man ein Rauschen wie von einem Wasserfall und kurz darauf barst der Bugspriet der Admiral mit einem lauten Knacken. Direkt vor der Admiral Dozman erhob sich eine weitere gewaltige Seeschlange aus den Fluten, die den Tod ihrer Brut zürnte. Diese war mehr als doppelt so groß wie die bereits erlegte und gab ein gewaltiges Zischgeräusch von sich, dass der Kommandantin die Armhaare zu Berge stehen ließ.

Yanda schaute entsetzt zu den Geschützen. Außer der Admiral Dozman waren diese gänzlich unbesetzt. Ihre Stimme brach leicht, als sie ihren nächsten Befehl schrie: “Feuer! Zum Angriff!”


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Texte der Hauptreihe:
Ende Hes 1043 BF 14:00:00 Uhr
Am Nest der Schlange
Mit vereinter Kraft


Kapitel 56

Schlangenjagd
Autor: DreiHund, Vlad