Geschichten:Die Faust des Grafen - Bruderzwist
Burg Allingsruh, 30. Phex 1031 BF
„Welche Nachricht? Warum erfahre ich erst jetzt davon?!“ Peridan funkelte seinen Bruder zornig an, der die unausgesprochene Anschuldigung mit einem Schulterzucken von sich wies. „Du hast doch momentan ganz andere Dinge im Kopf. Kriegszüge. Du bist so darauf fixiert, des Grafen Wohlwollen und Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen, dass du andere Möglichkeiten gar nicht mehr siehst. Oder nicht mehr sehen willst.“ Peridans Unterkiefer klappte tonlos auf und wieder zu. Es sah aus, als beiße er aus der Luft kleine Häppchen. „Brinian...“ Der schneidende Ton hätte nicht anders klingen können, wenn Peridan ein Messer an seines Bruders Halsschlagader platziert gehabt hätte. Das Allinger Familienoberhaupt zürnte. Er, Peridan Leumar von Allingen, hatte alle Entscheidungen der letzten Götternamen recht einsam treffen müssen, denn der Berater hatte es viele gegeben. Allein, die Ratschläge waren äußerst unterschiedlich gewesen. Darin die guten zu erkennen, war wahrlich nicht einfach gewesen. Er hatte die Verantwortung aber doch wie immer nach bestem Wissen und Gewissen auf sich genommen und konsequent gehandelt? Seine Linie war doch klar und deutlich gewesen! Keine Schlichen, keine Heucheleien, keine Erpressungen, keine versteckte Diplomatie.
Allein, das half jetzt wenig. Denn bei all dem hatte er offensichtlich die Rechnung ohne seinen ehrgeizigen Bruder gemacht, der Kontakte aufrechterhalten und in letzter Zeit ohne Peridans Wissen darum liebevoll gehegt hatte.
„Du willst mir drohen, mein Bruder?“ Die Frage klang nicht nach einer Frage. Mehr nach Fakt. „Will, Brinian? Du lässt mir doch gar keine andere Wahl. Wir sind eine traditionsreiche Familie, in der seit einiger Zeit endlich eine Art Hausfrieden herrscht, nicht zuletzt, weil eine Person die Entscheidungen trifft, weil eine Person diese Fäden in der Hand hält. Und, Brinian, diese Person bin ICH! Ob es dir gefällt oder nicht. Du bist immer noch mein Ritter, Brinian, du schuldest mir Treue und Gehorsam. Ich sollte dich aus der Burg werfen lassen, für deine Dreistigkeit, mich zu hintergehen! Merke dir eines: Du brauchst mich und die Familie mehr als umgekehrt.“ Peridan stand, und obwohl er seinen Schwerpunkt sehr weit nach vorne, über die wurmstichige alte Tafel, lehnte, genügten zwei Daumen und zwei Zeigefinger zum Abstützen völlig. „Ich höre?“ Brinian Rucus schob seine etwas zu groß geratene Nase nach vorne. „Bist du verrückt, Peridan? Mann, das ist eine Chance, deine Chance. Unsere Chance!“ Er hieb mit der Handfläche auf das glatte Holz, in dessen Ritzen noch Krumen und Fett vom Abendessen klebten. „Warum, beim Dreizehngehörnten, ergreifst du sie nicht?“ Doch als er den ausdruckslosen Blick Peridans sah, erstarb der Eifer. „Du siehst es nicht, oder?“ Nur noch ein Flüstern blieb vom Streit der Brüder im Raum stehen, bis auch dieses sich verflüchtigt hatte. „RAUS!!!“