Geschichten:Gericht und Gerüchte

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Von den Ränken der Unordnung zu Grünwarte, dem Triumphe über dieselben und von Ehren und Orden

Der folgende Bericht wurde dem Garether & Märker Herold freundlichst überlassen von Gsevino vom Prutzenbogen, Secretarius seiner wohlgeborenen Hochwürden Praiodan von Luring, Excellenz.


“Den Zwölfen sei Dank! Am Nachmittag erreichte der kleine Zug des Staatsrates, dem anzuschließen ich wie stets die Ehre und Pflicht hatte, die Burg Grünwarte, deren Schieferdächer durch die Strahlen der nachmittäglichen Praiosscheibe in sanftes goldenes Licht getaucht waren. Hochwürden hatte uns angetrieben, als wollte er Ucuri beweisen, daß auch Menschen dem Götterboten an Geschwindigkeit gleichkämen ...

Mit knurrendem Magen warteten wir, bis Hochwürden endlich die Begrüßungsformalitäten hinter sich gebracht hatte: Der Baronin Gunilde von Dergelstein-Hartsteen mußte Gruß und Segen überbracht werden, da sie so freundlich geladen hatte auf ihre eigene Feste zu Füßen des dräuenden Finsterkamms, dem Herrn Yendor Falkwin Limpurg von Gallstein desgleichen, der die Garetier hierher versammelt hatte. Während allen Parlierens, das freundlich und knapp ausfiel, warteten wir geduldig, wie Hochwürden es uns beigebracht (täglich auf’s Neue!), am Rande, und ich konnte nur an das harte Brot und die saure Milch denken, die in den frühen Morgenstunden meine einzige Speise gewesen waren. Wann essen Staatsräte? Ich für meinen Teil begab mich alsbald in den Gesindetrakt der Grünwarte, entlassen zum Mahl, den Packen wichtiger Schriftstücke hütend.

In den frühen Abendstunden, nach dem feierlichen Einzug des versammelten Adels unter seinen Bannern, erfolgte die Begrüßung der geladenen Gäste durch Ihre Erlaucht Irmenella von Wertlingen zur Mark Greifenfurt, die in gesetzten und braven Worten sprach, die auf offene Ohren trafen. Denn alle hörten wir ordentlich zu, und ich staunte darüber, wie jung sie noch ist. Im Anschluß sprachen Baronin Gunilde, die ein Willkommen auf der Grünwarte rief, und Hochwürden Praiodan. Mein Herr war streng wie stets, doch sprach er den Greifensegen über die Versammlung voll Wärme und Inbrunst.

Am Abend vor der Burg am Feuer hörte ich allerlei wundersame Geschichten von Heldentaten, die heuer von vielen Adeligen der beiden Provinzen begangen worden sind. Hier hörte ich die Taten des gefallenen Barons Cordovan von Gallstein auf dem Greifenzug, dort lauschte ich dem Bericht vom Tode des Barons Zornbrecht von Rallerspfort vor den Toren der Trollpforte. Auch vernahm ich die wundersame Geschichte von der Greifenfeder, die durch die Burggräfin Ginaya, Baron Quastenbroich und andere zur Schlacht getragen wurde – Praios sei bei uns! –, dankte auch dem milden Baron von Greifenhorst, der die Wacht am Finsterkamm unterstützte wie kaum ein zweiter. Ich selbst trug die Geschichte bei, wie Praiodan von Luring an der Trollpforte gemeinsam mit den Sonnenlegionären und anderen Truppen der zwölf Kirchen die Bresche in die Trollmauer schlug, doch unterbrach mich der hinzukommende Staatsrat mit einem knappen ‘... und wir haben gesiegt’, so daß ich fürderhin schwieg und an dem köstlichen Stockbrot knabberte, das die Dergelsteinerin uns als greifenfurtische Spezialität vorsetzte. Der Abend hätte so schön enden können, doch es kam anders.

Kampfeslärm und Schwertergeklirr scholl aus dem Wald, und noch ehe ich recht gewahr wurde, was geschah, saß ich ganz alleine am Feuer, während die hohen Herrschaften mit blankgezogenen Waffen im Wald verschwunden waren. Unsicher — wer mochte in der Nähe dieser erlauchten Versammlung die Waffen erhoben haben?! — begab ich mich in das Waldesdunkel, wohin die anderen all’ entschwunden. ‘Halt, was treibst Du hier, Bursche!’ hielten mich Baron Syrrenholt und der Höllenwaller auf, denn der Staatsrat hatte sie angewiesen, die Gegend zu durchsuchen. Ein wenig kleinlaut kam ich zum Kampfplatz und konnte durch die in einem eng versammelten Ring stehenden Personen zwei Körper auf dem Boden liegen sehen.

Man fand den Baron zu Zweifelfels dort in seinem eigenen Blute liegen, mehr tot als lebendig und halb auf der Leiche des Barons von Finsterkamm liegend, sein Schwert noch in des Seite steckend zum vielleicht tödlichen Streich. Entsetzt war die hohe Gesellschaft, war dort doch offensichtlich ein Greifenfurter durch die Hand eines Garetiers gefallen und schon wurden die wildesten Spekulationen und Beschuldigungen laut.

Eben sprach die Markgräfin: ‘So schafft vorsichtig den verletzten Baron von Zweiflingen in die Burg. Um den toten Baron von Finsterkamm möge sich ein Geweihter kümmern!’ — ‘Beiden kann ich nicht helfen, Erlaucht. Dem ersten nicht, denn ich heile keine Wunden; ich füge sie zu. Und dem zweiten nicht, denn dies ist Borons heil’ge Domaine’, erwiderte mein Herr. Nachdem ein Teil der Aufregung verflogen war und die Leute sich zerstreuten, besprach ich mich mit dem Secretarius und Vertreter der Baronin von Erlenstamm aus dem Schlunde: Man hatte beide Barone beieinander liegend gefunden. Doch Baron Redenhardt von Keilholtz zum Finsterkamm war tot, gestorben aber wohl nicht an seinen Wunden, denn eine genauere Untersuchung ergab, daß sie zwar schlimm aussahen, aber nicht wirklich tödlich waren. Jemand hatte sich wohl nur alle Mühe gegeben, einen derartigen Eindruck zu erwecken. Baron Denkhardt von Zweifelfels zu Zweiflingen hingegen war schwer verletzt, seine Wunden verdreckt, er selbst nicht bei Bewußtsein. Anwesende Magici (ich sehe den blitzenden Blick meines Herrn genau vor mir!) hatten verkündet, daß keinerlei Magie im Spiele gewesen, und weitere Untersuchungen ergaben, daß auch kein Gift benutzt worden war. Eilig brachte man den Zweiflinger zurück in die Burg, um ihn heilkundig versorgen zu können, in der Hoffnung, daß er – wenn wieder bei Bewußtsein – ein wenig Licht in diese dunkle Angelegenheit bringen könne.

Unruhig blieb ich in der Nähe des Erlenstammer Secretarius, der nun zur Befragung des erwachenden Zweifelfelsers hinzugezogen ward. Markgräfin und Staatsrat befragten den Schwachen, die eine milde und nachsichtig ob des Zustandes des Verletzten, der andere unnachsichtig und streng, wie ich ihn kenne. Doch sollte die Rede des Zweifelfelser kaum zur Aufklärung beitragen. Immer wieder von schmerzvollem Stöhnen unterbrochen, kam sein Bericht nur stockend und immer wieder beklagte er sich, daß ihm der Schädel brummte, als wäre ihm ein darpatischer Bulle dagegengerannt, und die Platzwunde an seiner Stirne war nicht zu übersehen. Es schien aber, als hätte auch das Gedächtnis des Barons unter dem schweren Aufschlag gelitten, denn er vermochte die Nebel, die sich über seine Erinnerung gelegt hatten, kaum zu lüften, und die ersten Worte, die man aus seinem Munde vernehmen durfte, waren die Bitte um eine Aufklärung seiner Situation und dessen, was denn nun passiert sei. Als ihm nun erklärt wurde, was sich denn nun zugetragen hatte, schien es ein weiterer Hieb für den Baron von Zweifelfels zu sein. Durch die anderen Anwesend hindurchblickend murmelte er kaum hörbar: ‘Also hatte ich doch Recht ...’

Es ergab sich, daß Baron Zweifelfels schon lange einen unguten Verdacht in Richtung des Finsterkammers hegte, daß er ihn wahrscheinlich zur Rede habe stellen wollen und es zum Kampf gekommen war, wie man vermutete. Es wurde noch nach einem Dritten gefragt, der am Kampfe teilgenommen haben könnte, denn einiges ließ darauf schließen, doch ergaben die Spekulationen vorerst nichts. Ein kluger Mensch kam auf den Gedanken, die Sachen des Finsterkammers zu durchsuchen, und Junker Dragenfels wurde damit beauftragt. In offensichtlicher Erregung und eiligen Schrittes kam jener zurück mit wenigen Schriftstücken, die er dem Staatsrat fast heimlich zu geben versuchte. ‘Hochwürden, diese hier sind von Euch; ich dachte mir, die solltet Ihr besser selbst nehmen’, raunte er, doch konnt’ ich’s wohl vernehmen. Hochwürden nahm die Briefe, an sich und fing merkwürdig trocken zu lachen an, wie ich es noch nie von ihm gehört hatte! Markgräfin Irmenella bat nun ihrerseits um die Briefe, die ihr auch ausgehändigt wurden, während der Staatsrat barsch befahl, das Gepäck aller Anwesenden zu durchwühlen. Junker Dragenfels kam dem nur zögernd nach. ‘Wie käme ich dazu, dies zu tun?’ frug er unsicher. ‘Auf Befehl des Gerichtes, Wohlgeboren!’

Nachdem er mit einer stattlichen Zahl weiterer Briefe wieder erschien, erschrak ich sehr, denn mein Herr verkündete folgendes: ‘Erlaucht, hiermit lege ich das mir zustehende Richteramt in Eure Hände. Ein großangelegtes Komplott hat hier seinen Anfang genommen, doch ist es nicht an mir, dasselbe zu richten, denn ich selbst scheine darin verwickelt zu sein!’ Mir wurde schwarz vor Augen. ‘Und so befehle ich Euch, all’ die Herren, die in diesen Briefen genannt werden, festzunehmen. Auch stelle ich mich selbst unter Arrest, bis daß die Angelegenheit geklärt sei!’ Die junge Markgräfin rang sichtlich um ihre Fassung: ‘Kaum mag ich’s glauben, was ich hier lese! Wer kann mir das erklären?’ Bleich und leicht zitternd hielt Irminella die vermeintlichen Beweise der Intrige in den Händen, ihr dargereicht von demjenigen höchstselbst, der so offensichtlich als ihr Urheber daraus hervorging: Praiodan von Luring. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, schien die Markgräfin ihre Fassung wiedergewonnen zu haben und sich ihrer außergewöhnlichen Situation wohl bewußt, als sie sprach (und ihre letzten Worte klangen bald zynisch): ’Zutiefst schockiert und ebenso zornig seht Ihr mich, tief getroffen in meinem Glauben an die Ehre und Redlichkeit von hier anwesenden Personen, die in einer hinterlistigen Kabale mir nach dem Leben zu trachten scheinen! Hiermit befehle ich, Irmenella von Wertlingen, Markgräfin von Greifenfurt, die des Verrats und der Planung des Mordes Verdächtigen, namentlich seine Exzellenz Praiodan von Luring, den Baron von Gallstein, den Baron Felian Prutz von Quastenbroich, den Baron Otwin von Greifenhorst-Schwarzberg sowie den Reichsedlen Melcher Dragendot bis auf Weiteres in Gewahrsam zu nehmen und auf Ihren Zimmern unter Arrest zu stellen, eben so, wie sich seine Exzellenz bereits selbst unter Arrest gestellt hat.

Keiner der Anwesenden wird Burg Grünwarte verlassen, bis das weitere Vorgehen in dieser Sache geprüft ist. Sobald sich die Praiosscheibe über den Finsterkamm erhebt, werde ich einen Boten mit der Kunde zum Reichsgericht nach Gareth senden. Die Beschuldigten erhalten selbstverständlich die Gelegenheit, das Wort an uns zu richten, und zwar morgen früh nach dem Hesindedienst, zur elften Stunde. Bis dahin werden sie Ihre Zimmer nicht verlassen und haben die Nacht über genügend Zeit, sich zu überlegen, was sie gegen diese Anschuldigungen und die vorliegenden Briefe vorzubringen haben. Ich selbst werde mich bis dahin ebenfalls zurückziehen und mit meinen Getreuen beraten. Wachen! Führt die Verdächtigen auf Ihre Zimmer! Das ist mein letztes Wort für heute.’ Sprach’s und die Benannten wurden in ihre Gemächer geführt. Die Krieger des Freiwilligenbanners ‘Rondras Zorn’ übernahmen die Wache.

Ich aber setzte mich schwindelig auf einen Schemel und überdachte das Gehörte: Mein Herr soll – laut der Briefe, die gefunden wurden und die zum Teil von seiner eigenen Hand stammten – geplant haben, mit Hilfe des Herrn von Gallstein, des Barons von Finsterkamm sowie der Barone von Quastenbroich und Greifenhorst die Markgräfin von Greifenfurt zu ermorden! Und noch ein untadeliger Name wurde genannt: Melcher Dragendot, Prüfstein des Schwertkönigs! Der untadelige und über jeden Verdacht erhabene Mann wurde desgleichen beschuldigt! Gleichfalls für Misstrauen sorgte der Name des Natzungers, der in einem der Briefe erwähnt wurde. Meine Nacht war unruhig, denn bevor ich zu Bett gegangen war, hatte ich meinen Herrn noch einmal aufgesucht, der die Briefe noch einmal eingehend studiert hatte, nun aber in inniger Zwiesprache mit seinem Gott in einer Zimmerecke kniete und mit besorgter Miene betete. Wenn er so besorgt und angestrengt war, konnte es zweierlei heißen: Es nagte an ihm der fiese Plan eines Verschwörers, der die edelsten der beiden Provinzen ins Unglück stürzen wollte, oder ... der Ärger über die Aufdeckung seines eigenen Komplotts ...

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Am Morgen lauschte ich nur mit halbem Ohr dem Hesinde–Gottesdienst, den der Dergelsteiner Geweihte Rhys ap Rhiapp in den güldenen bosparanischen Worten abhielt, während andernorts die Vorbereitungen für den Prozeß begannen. Zu eben jenem versammelten sich alle, die Beine hatten, im Festsaal der Burg. Die Angeklagten standen bereits vorn neben dem Richtertisch. Doch wie ich sie sah, da keimte in mir wieder Zuversicht: Wie könnten der Geweihte des Götterfürsten und Inquisitionsrat Praiodan von Luring, wie könnten der ehrenvolle und rondra-tapfere Melcher Dragendot, wie könnten der freigebige und edle Baron Otwin von Greifenhorst, wie der rondragefällige Yendor Falkwin von Gallstein, wie der bescheidene Baron Felian Prutz von Quastenbroich ein solches Komplott ausgeheckt haben?

Dann rauschte die Markgräfin herein, an ihrer Seite grimmig entschlossen Baronin Gunilde von Dergelstein, und der Prozeß begann. Der markgräfliche Hauptmann Gernod vom Madaspiegel begann, die Fakten noch einmal zusammenzutragen, in die sich eine neuerliche Überraschung schlich: Der Herold der Burggräfin zur Alriksmark war verschwunden mit einer geheimnisvollen blonden Frau sowie dem prächtigen Banner der Burggräfin. War er der Drahtzieher der Sache? Doch war er nicht der einzige, der über Nacht das Weite gesucht hatte: Der Kammerdiener des getöteten Barons zu Finsterkamm war ebenfalls unauffindbar, und ein Knecht der Dergelsteinerin mußte seiner Herrin noch vor Beginn der Versammlung beichten, daß Vorräte gestohlen worden seien, obwohl er doch so gut aufgepaßt hätte.

Jedenfalls versuchten Markgräfin und Dergelsteinerin entschlossen, Licht in die dunkle Sache zu bringen, doch geriet der Prozeß immer wieder in Unordnung, weil allzu viele redeten, denn hoch schwappten die Gemüter der Anwesenden. Nicht zuletzt aber war es ausgerechnet mein Herr, der immer wieder das Wort an sich riß, als wäre er selbst noch Richter dieses Prozesses und nicht ein Angeklagter. Eben führte er wieder seine Theorien aus, doch sah ich, daß die Leute verstimmt waren über seine Anmaßungen, die er als Beklagter sich besser hätte gespart, zumal sein Verhalten gegenüber der Markgräfin und Richterin bisweilen jede Form der Unterordnung entbehrte. Auf Zurechtweisungen reagierte er ruppig und gereizt, während die anderen Angeklagten sich sehr zurückhielten und ihm das Wort zu lassen bereit schienen. Dann aber baute sich mein Herr auf und forderte: ‘Wenn diese Worte wahr sind, wie sie in den Briefen stehen, dann stehen hier vorn die richtigen Beklagten. Doch bedenket, daß sie auch unwahr sein können! Wenn das so ist, und die Briefe Fälschungen, dann schaut auf folgendes: Alle Briefe entlasten den Baron von Zweiflingen. Doch sind sie falsch, dann sind auch die Entlastungen falsch und verdächtig. Darum fordere ich Euch, Erlaucht, auf, auch Baron Zweifelfels in Gewahrsam zu nehmen, bis daß Wahrheit oder Unwahrheit in Praios Namen ans Licht gebracht wurden!’ So geschah es auch, wie ich mit einem innerlichen Luftsprung beobachtete, und ein Wortgefecht ohne wirklichen Erfolg entbrannte zwischen Richterin, Staatsrat und dem Zweifelfelser. Es wurde vor allem über die mögliche Verschwörung geredet, welchen Sinne es für die Garetier hätte, die Markgräfin zu beseitigen – sie, die heldenhaft mit ihren Frauen und Männern die Wacht am Finsterkamm gehalten! –, welches die bösen Ahnungen des Zweifelfelsers gewesen waren und wie der Baron von Finsterkamm in das Spiel passe. Dann aber geschah es – Praios verhülle sein Angesicht!

Melcher Dragendot trat vor, kniete, donnernd in seiner Plattenrüstung, nieder und erhob seine Stimme als untadeliger Ritter, bekannt als rechtschaffener und göttergefälliger Mann, und sprach: ‘Eure Erlaucht. Ich will nicht länger schweigen. Alle Anschuldigungen, die aufgrund dieser Briefe gegen uns erhoben werden, entsprechen der Wahrheit. Ja, wir wollten Euch beseitigen, damit Baron Otwin an Eurer Statt die Mark beherrsche! Damit ein Held auf diesem Thron sitze und nicht ein junges Mädchen wie Ihr, die Ihr mit dem intriganten Dragosch von Sichelhofen vermählt wart, die Ihr Euch von den Orks entführen ließet und die Ihr so offensichtlich noch zu jung und viel zu unerfahren seid und so wenig über den nötigen Schneid und Witz verfügt, diese Markgrafschaft zu regieren! Zum Wohle des Reiches wollten wir handeln!’ Tumult erhob sich, während mir die Kinnlade herabsackte. Doch durch das Gebrüll erscholl eine Stimme voll von Macht und göttlicher Präsenz: ‘Bei Praios, dem Fürsten der Götter und Schöpfer der Gerechtigkeit! Bei allen Greifen und den Heiligen Gilborn, Lechmin und Arras de Mott! Bursche, mit dem Blick, der flammt, befehle ich Dir: Sprich wahr!’ Mein Herr war vorgesprungen und wies gebieterisch auf Melcher Dragendot; doch dieser fiel zu Boden und brach ohnmächtig zusammen. War es des Götterfürsten Macht, die Melcher niederwarf, weil ein Bann ihn hielt, oder war es die Erkenntnis, mit seinem Komplott den Göttern gefrevelt zu haben?

Genau über dieses stritten die Versammelten, nachdem man den Reichsedlen Melcher hinausgeschafft hatte, als ein Bewaffneter in den Saal stürzte: ‘Herrin! Melcher hat sich losgerissen und ist geflohen! Vier Söldlinge hatte ich ihm zu Bewachung gegeben. Nur vier für den Prüfstein des Schwertkönigs ...’ Was für ein Schuldeingeständnis! Einer der Missetäter geflohen!

Langsam nur brachte die Markgräfin Ruhe in die Versammlung. ‘Versammelte Streiter Greifenfurts und Garetiens’, hub sie an, ‘es scheint, daß noch weitere Fakten in diesem Fall auf uns warten; und nicht hier, sondern draußen. Man muß fangen den Herold der Burggräfin, man muß finden das Söldlingsvolk, von dem die Briefe erzählen, und man muß nicht zuletzt Herrn Melcher wieder zurückschaffen! Dies ist ein gnadenvolles Gericht, weshalb auch die Angeklagten beihelfen mögen, wenn sich Bürgen für sie finden!’ Mein Herr, der hager und von der Nacht müde wartete, hob die Brauen zu seiner ‘Das-ist-mehr-als-ungewöhnlich-Miene’, während sich die Baronin von Greifenberg und Burggraf Oldebor von der Raulsmark darum stritten, wer für ihn bürgen dürfe. Auch für Baron Quastenbroich und Baron Greifenhorst sowie den Gallsteiner fanden sich schnell Bürgen. Einzig für den Zweifelfelser zu bürgen getraute sich keiner, denn die Verhandlung hatte ihn bisher keineswegs entlastet. Doch es war seine Gnaden Adran Lonnert, ein Geweihter der göttlichen Leuin und der eigentliche Hausherr von Burg Grünwarte, welche die Dergelsteiner der Rondrakirche schon in der Zeit der Priesterkaiser überlassen hatte, der nun vor die Schranken trat und sprach: ‘Was ist dies für ein Gericht, bei dem die Angeklagten die Gnade finden, für ihre Unschuld selbst Beweise suchen zu dürfen, und der Kläger, der sich in ihren Augen natürlich verdächtig machen muß, für seinen Mut bestraft wird, indem man ihn selbst auf die Anklagebank setzt und ihm nun noch nicht einmal die gleiche Gnade zu Teil wird, wie den Anderen Angeklagten? So werde denn ich mit meinem Namen für ihn Bürgschaft geben.’ Eine edle Tat, wie es scheinen mag, für die seine Gnaden jedoch nicht belohnt, sondern bestraft werden sollte.

Es schwärmten nun aus die wackeren Streiter in Gruppen, die Aufgaben der Markgräfin zu erfüllen, und sie selbst zog ebenfalls mit, obschon einige Berater ihr abrieten, sich in weitere Gefahr zu bringen. Ich selbst blieb bei meinem Herrn auf Burg Grünwarte, wo er mit Burggraf Oldebor und Baronin Duridanya von Greifenberg im Garten speiste, als wären sie in der Garether Neuen Residenz. Am frühen Abend kehrten die Adeligen zurück auf die Burg und hatten allerlei zu berichten, so daß die Verhandlung unverzüglich wieder aufgenommen wurde.

Der Herold der Burggräfin wurde eingesperrt, den man zerschunden am Wegesrand gefunden hatte, nachdem die Söldner, die ihn gegen Lösegeld gefangen hatten, besiegt waren. Ein Wilderer wurde herbeigeschafft, der mit einer Armbrust die Baronin von Dergelstein verletzt hatte, und nicht zuletzt brachte man einen scheinbar herrenlosen Magierstab und ein seltsames Amulett, auf die man gestoßen war, nachdem auch des toten Finsterkammers Knappe entdeckt worden war — sturztrunken im Weinkeller der Burg!

‘Nun denn’, begann die Markgräfin, nachdem sie abermals Praios gütige Huld für diesen Prozeß beschworen hatte, jetzt aber ohne die verletzte Baronin von Dergelstein an ihrer Seite, ‘traget vor, was ihr gefunden habt!’

Zuerst berichteten zwei Magier über das Amulett, das aufgefunden worden war. Es war mit einem Zauber belegt, der Imago Transmutabile heißt, und zwar für drei Anwendungen, von denen alle gesprochen worden waren. Was das hieß, erläuterten die beiden sofort: Mit diesem Zauber kann man das Antlitz eines Menschen in das eines anderen verwandeln! Mit zweifelnden Blicken streifte ich die Gesichter meiner Nachbarn ...

Als nächstes sprach die Burggräfin zur Alriksmark, deren Herold sich nun wiedergefunden hatte. Die Sache klärte sich dahingehend auf, daß es doch wohl zumindest keinen Zusammenhang mit den belastenden Briefen und dem Tod des Finsterkammers gäbe. Zumindest schien es mir irgendwie eine Privatangelegenheit zu sein, die sich da vor unseren Augen abspielte, und wenn ich an die unehelichen Zwillinge der Burggräfin denke, dann mag sie durchaus einige Privatangelegenheiten hegen ...

Ferner: Man hatte keinerlei Söldlinge in den Wäldern gefunden, so daß zumindest diese Aussage der belastenden Briefe offenbar nicht der Wahrheit entsprach. Als man den Stab vorführte, hörte ich meinen Herrn sagen: ‘Ein Stab ohne Magier — also ein Magier ohne Stab!’ Und ich wußte, daß er mit einem Haß auf alle, die Madas Frevel folgten, die Versammelten musterte. Dann trat der Hesindegeweihte, seine Gnaden Rhys ap Rhiapp, vor, der mittels eines hinzugezogenen Fachmannes folgendes feststellte: ‘Hochedle Damen und Herren! Nach eingehender Prüfung der Briefe und des Siegels können wir feststellen, daß alle unzweifelhaft Fälschungen sind, wenn auch sehr gute und mit Sachverstand gefertigte!’ Ein Aufatmen ging durch die Versammelten, doch die Verurteilten schauten sich gegenseitig ruhig an: Sie hatten es die ganze Zeit gewußt.

Erleichtert und belustigt lauschte ich sodann der Verhörung des Wilderers durch die Markgräfin: ‘Sag, Bube, was tust Du in den Wäldern, bewaffnet und versteckt?’ — ‘Herrin, ich bin nur ein armer Mann, ich weiß von nichts und wollte doch nur meinen Hunger stillen.’ — ‘Hast Du Söldlingsvolk im Walde gesehen?’ — ‘Nein, Herrin ich war ganz allein und auf der Pirsch!’ — ‘Nun sag an, warum hast Du auf die Baronin von Dergelstein geschossen?’ — ‘Herrin, verzeiht, aber ich wollte nur eine Wildsau schießen, und als ich ...‘ — ‘Willst Du mir erzählen, daß Du die Baronin von Dergelstein für eine Wildsau gehalten hast? Findest Du, daß die Dergelsteinerin aussieht wie eine Wildsau?’ — ‘...’ — ‘Nun gut, schafft ihn fort und hackt ihm die Hand ab. Ich glaube ihm, daß er nichts planvoll Arges im Schilde geführt hat. Er guckt doch gar zu tumb aus seinen dämlichen Augen!’ Und so geschah es. [Später wurde der Bursche dann doch noch gehängt, wie es Wilderern eben nach altem Recht widerfährt]

Noch ehe die Verhandlung wieder richtig aufgenommen werden konnte, stürmte ein Knecht der Burg herein und stammelte angstvoll wirres Zeug. Auf scharfen Zuruf der Markgräfin kam Ordnung in das, was der Knecht von sich gab: Der Tote in der Kammer, den man für den Finsterkammer gehalten hatte, habe sich verändert! Er sehe jetzt ganz anders aus. Wie sähe er aus? ‘So wie der da’, und deutete auf den Baron von Zweiflingen, der in der Ecke neben der Markgräfin stand. Es ratterte in meinem Schädel: Wenn der da unten der Zweifelfelser war, vielleicht mit diesem Zauber verändert, dann konnte der Zweifelfelser doch nicht hier oben sein?

Stille senkte sich über die Versammlung, und es schien, als hätte Satinav selbst in seinem Atem inne gehalten. In einer fließenden, wie einstudiert wirkenden Bewegung sprang der vermeintliche Zweifelfelser plötzlich nach vorn, den Blick auf die Tür gerichtet, den Arm in die Richtung des Magierstabes gestreckt – seines Zauberstabes – der direkt in seine Hand hineinflog und von seiner Faust fest umschlossen wurde. Höhnisches Gelächter donnerte aus seiner Kehle. Sich den Wachen zuwendend sprach er mit schneller Stimme — wohl einen Zauber, denn die Wachen sprangen mit entsetztem Gesicht nach hinten, ganz gefangen von Bildern eines Schreckens, den außer ihnen niemand zu sehen vermochte. Wilde Verwünschungen brüllend, stürzte sich der Mann aus der großen Halle, allein er kam nicht weit: Gerade hatte er das große Portal hinter sich gelassen, in seinem Rücken die zahlreichen Adligen, die, aus der Erstarrung des Unglaubens erwacht, ihm mit gezogener Waffe hinterherstürmten, da traten ihm vier Recken entgegen, die soeben auf dem Weg in die große Halle waren: Gerion Sturmfels, Gernod vom Madaspiegel, der Hauptmann der Wache der Dergelsteinerin, sowie zwei weitere kriegerische Gestalten. Die vier hatten es auf sich genommen, dem Reichsedlen Melcher Dragendot nachzueilen, und waren mit der Nachricht in Richtung der Halle unterwegs, daß der edle Kämpfer unschuldig sei und, den Beweis seiner Unschuld in Händen, ihnen auf dem Fuße folge. Angesichts einer solchen Übermacht schien der Magus die Waffen zu stecken. Noch ehe der aufgebrachte Mob Garether und Greifenfurter Adliger ihn erreicht hatte, ergab er sich auch schon den Vieren und ließ sich widerspruchslos in die Halle zurückexpedieren. Doch sein Haupt war nicht bußfertig gesenkt. und auch die Einsicht der Schlechtigkeit seines Tuns schien sich ihm nicht zu erschließen.

‘Praios Wahrheit läßt sich durch arglistige Magie nicht verbergen Frevler!’ setzte mein Herr in seinem göttergerechten Zorne an, dem verruchten Magier die Gnade seines Herrn zu verkünden, als jener ihn mit unglaublicher Frechheit unterbrach: ‘Wahrheit?’ spie er meinem Herrn in verächtlichster Weise vor die Füße, ‘Ihr wißt ja nicht einmal was dieses Wort wirklich bedeutet, denn ihr wißt nichts!’ Finster funkelte der Schurke meinen Herrn an, aber dieser ließ sich dadurch nicht im geringsten erschüttern und fuhr fort: ‘Die Gerechtigkeit des Herrn Praios hat dich der Wahrheit überantwortet und dein schändliches Treiben ans Licht gebracht, und seine strahlende Gerechtigkeit wird es sein, die dich richten wird, Bursche!’ — ‘So glaubt Ihr; und ich muß zugeben, daß ich euch unterschätzt haben mag, von Luring, doch das wird nichts ändern. Wisset, von Luring, daß Euer Schicksal schon längst besiegelt ist, und die ganze erbärmliche Macht Eures erbarmungswürdigen Götterfürsten, wie Ihr ihn zu nennen pflegt, wird euch nicht davor bewahren können, denn die Saat ist gesät!’ Und hier geschah es tatsächlich, daß sich der Lump dem Griff seiner Wachen entwinden und noch einmal aufrichten konnte. Ein unheilverkündendes, düsteres Gelächter entrang sich seiner Kehle, daß es mir kalte Schauer über den Rücken jagte, und vergessen werde ich es so schnell wohl kaum wieder. Dann riß er seine Fäuste trotzig zur Decke des Saales empor und warf den Kopf in den Nacken und schrie lauthals aus voller Brust: ‘Mein Blut für Dich!’ Und während alle anderen bei diesen Worte vor Schreck erstarrten, war es – gebannt und wie verzaubert durch den Spruch des Verruchten – ein Veteran des Freiwilligenbanners der mit gehobenen Schwerte und versteinerter Miene auf den falschen Zweifelfelser zutrat, ihn an der Schulter faßte und herumriß, was jener einfach mit sich geschehen ließ. Dann stieß der Krieger dem Verschwörer zum Erstaunen der Versammelten den kalten Stahl seines Schwertes quer durch den Leib, so daß die Klinge auf der anderen Seite wieder herausfuhr. Wirres und mir Unverständliches sprach der tödlich Getroffene mit ersterbender Stimme und sackte – mit einem Mal kreidebleich – in sich zusammen, noch immer mit Verachtung in seinen verräterischen Zügen, als der Veteran sein Werk vollendete und ihm mit einem wohlgeführten Hieb den Kopf vom Rumpf trennte. Das Gesicht des Zweifelfelsers zerrann und ein ganz und gar unbekanntes kam darunter zum Vorschein!

‘Was hat er gesagt?’ — ‘Ihr Götter, steht uns bei!’ — ‘Was geschieht hier?’ und noch mehr riefen wir alle durcheinander, bis mein Herr laut und vernehmlich zu sprechen begann: ‘Thanatos ou thanatos, hat der Frevler gerufen: Der Tod ist nicht der Tod! Offenbar glaubt er, es gäbe ein Wiederkommen für ihn und seinesgleichen. Wir sollten ihn zerstückeln, und zwar schnell!’ Sofort schafften einige Bewaffnete die Leiche aus dem Raume und taten ... ich weiß nicht was genau ...

Doch die Ereignisse sollten noch nicht zu ihrem Ende gelangt sein: Kaum hatte man die Leiche aus dem Raum geschleift, da öffnete sich abermals die Tür der großen Halle und herein trat der Reichsedle Melchor Dragendot, eine zerlumpte Gestalt in Fesseln hinter sich herziehend. ‘Verzeiht mir die Eigenmächtigkeiten!’ Ja, zu verzeihen hatte man viel an diesem Tag. ‘Ich bringe einen Zeugen, der etwas Licht in das Komplott bringen mag, welches hier augenscheinlich von langer Hand geschmiedet und vorbereitet war.’ Wie aus der anfolgenden Erklärung ersichtlich wurde, hatte Herr Dragendot in einem kleinen Weiler namens Waldrast, unweit der Feste Grünwarte, einen Knecht aufgegriffen, der dem Magier bei der Ausführung seines üblen Planes in mancherlei Hinsicht geholfen hatte. Ein kurzes Verhör des Mannes brachte weitere Einzelheiten eines Planes, der, gleich einem komplizierten Puzzlespiel, vor uns ausgebreitet lag.

Meine Gedanken wollten sich einfach nicht ordnen. Welchen Sinn hatte das alles hier? Was war nun geschehen? Konnte es eine Antwort auf das Passierte geben? In den Augen der Umstehenden sah ich das gleiche Unverständnis, und selbst die Markgräfin schien nicht bis zum Letzten durchschaut zu haben, welches Komplott hier sein Ende gefunden hatte. Mein Herr aber stand aufrecht und triumphierend vor der Menge und erhob abermals seine klirrende Stimme: ‘Warum, fragt Ihr, hat dieser Frevler getan, was er getan hat? Nun, ich weiß es nicht genau, aber mit der Einsicht und der Gnade, die mir das Vertrauen in Praios, den Herrn, verleiht, will ich versuchen zu erklären: Dieser Magier hatte vielleicht kein weiterreichendes Ziel. Vermutlich wollte er nur Unordnung stiften; Hader, Zwietracht und Uneinigkeit sähen. Denn wisset: Vertrauen und Ordnung sind Geschenke der Götter, und es mag Subjekten wie jenem im Sinn liegen, dieser Ordnung zu freveln und ihr einen Stoß zu versetzen, der uns reif und mürbe gemacht hätte für weitere Anschläge auf die rechtmäßige Ordnung und Einigkeit. Darum waren es edle und hochstehende Personen, die angeklagt wurden, denn: aliquid haeret – irgend etwas bleibt hängen an Reputation und Autorität dieser Herrschaften! Vielleicht war es nichts weiter als dieses: ein erster Schlag gegen die zwölfgöttliche Ordnung!’

‘Aber was genau hat er getan?’ rief jemand, und mein Herr antwortete abermals: ‘Er wird sich in der Gestalt des Barons von Finsterkamm Zutritt verschafft haben wollen zu dieser Versammlung. Unzweifelhaft ist, daß wir alsbald auch die Leiche des armen Opfers, des echten Finsterkammers, finden werden. Als solcher wollte er die Zwietracht sähen. Redenhardt vom Finsterkamm war nur sein erstes Opfer, er hätte es zurückgelassen, selbst getarnt als jemand anderes, dessen wahre Gestalt als des Finsterkammers Leiche wir gefunden hätten; ein zweiter falscher Baron Redenhardt. Aber der echte Zweifelfelser kam dazwischen und roch den Verrat, denn er war gut bekannt mit dem echten Finsterkammer. Darum kam es zum Kampf, noch ehe der Verräter alle Vorbereitungen abgeschlossen hatte. Er mußte seine Pläne abkürzen. Seht doch, der echte Zweifelfelser hätte als Missetäter dagestanden, wenn die Briefe sich als Fälschungen herausgestellt hätten. Doch diesen mußte er beseitigen. Er konnte auch nicht der Finsterkammer bleiben, denn jener wurde in den Briefen als erster beschuldigt. Vermutlich hat er gehofft, sich aus der Angelegenheit in Gestalt des Zweifelfelsers herauswinden zu können, solange er durch die vorerst für echt gehaltenen Briefe nicht be- sondern entlastet wurde. Der ganze Plan hatte nur einen einzigen Haken: Der Verräter vergaß, daß Praios selbst der Gott der Wahrheit ist, daß er solch üble und lügnerische Intrige nicht duldet und daß seine Macht größer ist als jede Macht eines dunkelsinnigen Hexenmeisters, wer auch immer er gewesen ist!’ Und nach den weisen Worten meines Herrn knieten wir alle nieder, denn es gab einen Segen.

Endlich und mit befreitem Herzen, fielen sich viele der Anwesenden in die Arme und dankten dem Götterfürsten dafür, daß sich die Angelegenheit so deutlich aufgeklärt hatte und auf den untadeligen Namen der Angeklagten nicht der leiseste Schatten zurückgeblieben war! Ja, selbst der wackere Veteran, der dem Verruchten den Todesstoß versetzt hatte, konnte von dem Zauberbanne, welcher auf ihm gelastet hatte befreit werden – wahrlich, dieser Magus schien sich auf alle Eventualitäten vorbereitet zu haben, und nun, in der Rücksicht auf die Ereignisse, ist es klar, daß er, mit dieser, seiner letzten Tat und dem daraus folgenden Tod wohl das Netz der Verschwörung geheimhalten wollte, in welchem er sich selbst eingefangen hatte. — Schließlich hatte der Magus die kryptische Formel wohl einzig gesprochen, um den Zauber, welcher auf dem Recken lag, auszulösen und somit sein eigenes Todesurteil zu vollstrecken! Ausgelassen schritten alle zum Festmahl, und selbst ich bekam in der Gesindestube ein ordentliches Stück Wildsauenbraten ab.

Später am Abend versammelte sich der Adel abermals zum eigentlichen Zweck der Zusammenkunft: Denn geehrt werden sollten die wackeren Kämpferinnen und Kämpfer für ihre Taten vor der Trollpforte und für die aufmerksame Wacht am Finsterkamm.

In Fackelschein traten Ihre Erlaucht Irmenella von Greifenfurt und Staatsrat Praiodan von Luring vor die Versammelten. Zuerst wurden der Markgräfin die ausstehenden Grußbotschaften überbracht: eine vom Sichelstieg, vorgetragen durch den Rondrageweihten Adran Lonnert, den Herrn dieser Burg. Sodann ein Schreiben des garetischen Barons von Sturmfels, der von schlimmen Zeichen in seiner Baronie sprach, vom Fehlen des neunten Ringes und dergleichen. Sodann überbrachte Baronin Duridanya von Greifenberg Grüße und Geschenke der darpatischen Fürstin, denn eine halbe Rabenmund ist die tapfere Baronin! Schließlich entbot Praiodan von Luring die Grüße ihrer Majestät Rohaja von Gareth, Königin Garetiens.

Danach lauschten wir Versammelten beider Ansprachen: Die Markgräfin dankte aufrichtig und warm ihren Märkern, jenen, die vor die Trollpforte zogen, ebenso wie jenen, die daheim die Grenze vor dem Schwarzpelz hüteten. Dankte – und löste die Landwehrregimenter auf, die nicht länger fern der kargen Äcker stehen sollten, sondern heimkehren dürfen! Auch Hochwürden sprach seinen Dank aus und vergaß nicht, den Göttern das Verdienst zuzuschreiben. Jetzt erhielten die Verdienten ihre Auszeichnungen, und nicht wenige waren es, die den Greifenstern in Silber als Veteranen der Dämonenschlacht und den Greifenstern in Bronze für die Wacht im Finsterkamm aus der Hand der Markgräfin oder des Staatsrates bekamen! Und hier, fern von Garetien, aber dem Anlasse entsprechend, wurde der Lehnseid gesprochen von Malepartus von Helburg, Yendor Falkwin von Gallstein und Lahor Vandass von Dragenstein, den Hochwürden Praiodan im Namen unserer Königin Rohaja entgegennahm. Desgleichen wurde Burggraf Oldebor als garetischer Rat bestätigt und schwor den heiligen Eid. Hei, was war das für eine Freude, daß diese vier nun aufgenommen wurden in die Gemeinschaft des garetischen Adels! Zwei neue Barone, ein Junker und ein Mitglied des garetischen Zedernkabinettes! Nach einem abschließenden Segen durch Hochwürden wurde das Fest ausgelassen und fröhlich, aller Schatten war von den Seelen der Adeligen gewichen und man gab sich den Gesängen, den Spezereien und (vor allem) dem guten Dergelsteiner Bier hin. Wie die Markgräfin bei ihrer Begrüßung beschworen hatte, herrschte nun bei Gesang und Genuß bis in den frühen Morgen brüderliche Einigkeit zwischen den beiden Provinzen. Ich selbst mußte leider meinem Herrn in die Kammer folgen, wo er mir auftrug, Berichte zu schreiben, Schriftstücke zu sortieren und Urkunden zu fertigen, während er selbst betend dem Götterfürsten dankte ....”


Ein irdisches Wort hintan:

Großer Dank gebührt den wackeren acht Organisatoren des Cons in Winterburg bei Mainz, die unermüdlich für die Planung und Durchführung desselben gesorgt haben. Es ist gelungen: Die Stimmung war hervorragend, der Plot durchdacht und stets genügend Zeit für Geschichten, Nachrichten oder auch nur ein Pläuschchen. Der voranstehende Bericht ist vor allem deshalb tendenziös und stets nah am garetischen Staatsrat, da mir selbst leider nur dieser subjektive Blick auf die Geschehnisse vergönnt war. Niemand möge sich bitte daran stören, denn leichter als so lassen sich die Lücken, die sich für mich zwangsläufig ergaben, da ich nicht überall sein konnte, nicht erklären

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