Geschichten:Auf Reshminas Spuren - Teil 13
Die Rückreise vom Palast des „Herrn der Pferde“ verlief entspannter, sofern
man davon reden konnte, wenn Aldron von Firunslicht Mitglied einer
Reisegruppe war. Aber zumindest war die Formation, die sich dem Lager der
Vermesser näherte nicht mehr von Misstrauen geprägt und Ra’oul und Aldron
ritten einträchtig nebeneinander der kleinen Schar voran, die Eslam
ausgesandt hatte, das Unternehmen zu unterstützen. Jarin unterhielt sich
derweil angeregt mit den Reitern des Marben. Gerade lachte man über einen
Scherz, als Aldron, nur wenige Schritt vom Lager entfernt, seinen Rappen
plötzlich durchparierte. Vor den Augen der Reiter führte ein junger, Aldron
unbekannter Mann im Lager einen Freudentanz auf. Wo er genau hergekommen
war, war nicht ganz ersichtlich, aber in diesem Augenblick steckte Malina
nur leicht bekleidet die Nase aus ihrem Zelt und warf Weibel Sayid einen auf
die Entfernung nicht deutbaren Blick zu. Unwirsch drehte Aldron sich im
Sattel um und befahl kühl: „Jarin, richte Hauptfrau von Niederriet aus, dass
wir zurück sind und ich ihren Rapport über die verstrichene Zeit ungehend
erwarte.“ Dann wandte er sich an Ra’oul und meinte versöhnlicher: „Auch wenn
unser Lager bescheiden ist, seid mein Gast. Aber entschuldigt, ich habe
vorerst einige Angelegenheiten zu erledigen.“ Ra’oul nickte nur abwesend.
Auch wenn Aldron es nicht wirklich registrierte, so war der Baronet doch
ziemlich abgelenkt von der Darbietung seines jüngeren Bruders. Unter den
Reitern hinter ihm brandete schon wieder verhaltenes Gelächter auf, als
Jarin seinem Schwertvater ins Lager hinein folgte.
„Oh ja, auch ich habä da mit jemandän zur räden.“ Der Baronet lenkte sein
Pferd in Richtung des provisorischen Lagers, dass Turam bisher aufgeschlagen
hatte. Sein Blick wanderte dabei jedoch nochmal zum Zelt der Hauptfrau
zurück. Das Schlimmste ahnend, dachte Ra’oul an das nächtliche Gespräch mit
seinem Bruder zurück und fürchtete zu wissen, was dieser Freudentanz zu
bedeuten hatte.
Sayid beäugte den freundlichen Kartographen ungeduldig. „Und was war dann? Was hat sie ihm darauf geantwortet?“ Endlich blickte ihn Koradin irritiert an. „Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, genau. Sie hat ihm dann die bedauerlichen Zwischenfälle geschildert, in aller Ausführlichkeit. Sie hat sogar meine Karte hier zur Hilfe genommen, und ihm gezeigt, wo wir die Probleme hatten.“ Zufrieden strich sich der Gelehrte über den gepflegten Bart. Er hatte sich die Hauptfrau in Abwesenheit des Landvogtes ab und an zur Seite genommen, um ihr Kartenverständnis zu verbessern. Ihm war schnell aufgefallen, dass ihr das schwer gefallen war. Seine Mühen wurden insofern belohnt, als dass sie sich inzwischen besser auf Karten zurechtfand. „Interessant und neu für mich war bei ihren Darlegungen dabei, dass dieses Mannessymbol, welches wir erst heute gefunden hatten, wohl scheinbar nur ein Streich der Viehhirten war. Stellt euch vor! Sie konnte die Spuren mit einer Soldatin verfolgen, und fand schließlich ein paar dieser Leute. Glücklicherweise kam just in dem Moment auch ein Reiter dieses Turam zur Gruppe. Es wurde wohl eine recht hitzige Diskussion geführt, welche aber schließlich zum Eingeständnis der Tat führte. Die jungen Männer zeigten allerdings keinerlei Reue. Sie sahen es wohl al eine Art Wettstreit an, wer unsere Arbeiten besser, sozusagen gewitzter aufhalten könnte!“ Die letzten Worte hatte er entrüstet ausgesprochen. Immerhin handelte es sich um seine Mühen, die hier so wenig geschätzt wurden. „Erstaunlicherweise hat Aldron von Firunslicht was die Ursache dieser Störungen angeht nicht die Meinung der Hauptfrau geteilt. Sie hatte die Vermutung geäußert, ob es sogar die Leute der hiesigen Barone selbst gewesen waren, die einen Fortschritt der Grenzfestlegung verhindern sollten, solange kein Konsens bei den diplomatischen Bemühungen gefunden worden war.“ Liebevoll strich der Kartograph mit der Hand die Karte glatt, und deutete dabei auf eine eingestrichelte Linie. „Seht euch nur an, was wir noch vor uns haben! Nunja, um es zum Abschluß zu bringen: Euer Landvogt war zuversichtlich, dass die Arbeiten in Zukunft völlig reibungslos von statten gehen werden, und wir die nötige Unterstützung von Seiten der Barone erhalten würden.“ Scheinbar war für ihn damit das Thema beendet, denn er begann sich wieder mit der Karte zu beschäftigen und übertrug gesammelte Messergebnisse. „Aber ihr hättet auch einfach eure Hauptfrau fragen können, oder? Sie ist doch im Lager!“ Mit seltsam funkelnden Augen beäugte er ihn von seiner Karte herauf an.
Dumm war der Mann sicher nicht, doch Sayid wollte noch nicht locker lassen. „Und kam die Sprache auf das merkwürdige Gebaren des jüngsten Sohn des Marban?“ „Nein, nicht direkt. Warum auch? Dieser Heißsporn hat wohl zuviel überschäumende Lebensfreude. Solange er meine, äh ich meine unsere Arbeiten nicht behindert kann er den ganzen Tag singend durch das Lager tanzen. Sein Bruder ist ja nun angekommen. Er wird ihn schon ein wenig zügeln.“ Damit verstummte der Kartograph und widmete sich seinen Zahlen. Der Weibel stiefelte vor sich hin sinnierend nach draußen und hing in Gedanken dem eben gehörten nach. Malina hatte ihm durch einen Soldaten ausrichten lassen, dass er heute Abend Dienst hätte. Sie hatte sich zudem vom Abendessen entschuldigt, da sie unpässlich sei. Sicher, von Angareth kannte er das schon, dass sie bisweilen von merkwürdigen Kopfschmerz Anfällen heimgesucht wurde. Oder steckte am Ende mehr dahinter? A’urel war aus dem Zelt der Hauptfrau gekommen, und sie war anschließend nur halb angezogen im Zelteingang erschienen. Man musste den unerfahrenen Jüngling auf alle Fälle warnen, nur wie? Oder sollte er sich dem älteren Bruder anvertrauen? Diese kaltschnäuzige Frau ohne Herz im Leib und mit soviel Leidenschaft wie ein Stein war auf gar keinen Fall der rechte Umgang für ihn. Mit grimmigem Blick näherte er sich dem Lagerfeuer der Nebachoten. Vielleicht würde sich am Abend noch die Gelegenheit ergeben für ein Gespräch unter vier Augen. Die Wachen waren eingeteilt, er hatte noch Zeit für ein kleines Gespräch unter Männern.