Geschichten:Frühlingssturm - Vom Bannstrahl getroffen
„Ihr bleibt hier. Manessa, du führst die Aufsicht.“ Das hatte ihre Gnaden zu ihnen gesagt, als sie selbst aufbrach, dem Verhör der Frevlerin beizuwohnen, die sich anmaßte, mit einem einfachem Sieg in einem Turnier oder etwas derart würde sie ihre Seele reinwaschen können von den Freveln, die sie begangen hatte. Praiosin bedauerte es, dass er nicht dabei sein durfte, aber es stand ihm nicht zu, dem Befehl zu widersprechen. Das einzige, was ihn ärgerte, war, dass Manessa zu seiner Aufpasserin bestimmt war. Ausgerechnet dieses tumbe Weib, das nicht einmal den rechten Geist in den Dienst an Praios einbrachte.
Leicht verdrossen folgte er dem Turnierverlauf. Seine Laune besserte sich allerdings schlagartig, als Bruder Burcanon, ganz in Weiß und Gold gehüllt, seinen Schimmel in die Schranken lenkte. Gespannt fieberte er mit, als die Pferde antrabten und begleitet von einem lauten Krachen beide Reiter aus dem Sattel flogen. Bei Praios, wie konnte dies sein? Wieso wagte diese Burgvogtin es, einen seiner Diener aus dem Sattel zu heben und in den Schlamm zu stoßen?
Burcanon selbst stand etwas mühsam auf und kümmerte sich weit weniger um die schwarzen und grünen Flecken, die sein prachtvolles Gewandt unschön zierten. Mit einem Sirren zog er das Schwert blank und wandte sich seiner Gegnerin zu. Dem Gott gefiel es, seinen Diener heute besonders zu prüfen. Mit Duldsamkeit trug der Ritter den Umstand, gestürzt worden zu sein – und noch war er nicht geschlagen.
Rhajalyn von Großforst richtete sich gerade schwerfällig auf. Das Wenige, was von ihrem Gesicht zu sehen war, war schmerzverzogen und der Schild hing kraftlos. Sofort eilten Herr Gneisbald und einer der Feldschere zu ihr. Als Burcanon ankam hörte er die Worte: „...ist gebrochen, Wohlgeboren. Das werde ich schienen müssen.“ Rhajalyn wandte sich Burcanon zu: „Ihr hört es. Der Sieg ist euer. Ich kann mit gebrochenem Schildarm wohl kaum weiterkämpfen.“ – „Ich biete euch an, ebenfalls ohne Schild zu kämpfen“, gab Burcanon freimütig zur Antwort. Ihm stand fern, auf diese Weise einen Triumph zu stehlen. Der Feldscher mischte sich ein: „Davon möchte ich abraten, Herrschaften. Die Bewegung wäre...“ – „Laß gut sein. Nein, Hellrain, ich gönne euch den Sieg. Meine Schildhaltung war zu schlecht und ich habe den Lohn dafür bekommen. Ich gebe auf.“
„Nun denn ... so soll es recht sein. Ich nehme an.“ Noch einmal verneigte sich der Praiosritter vor der Geschlagenen und zollte ihr seinen Respekt, dann wandte er sich zur Tribüne und hob sein Schwert zum Zeichen des Sieges, bevor er sich auf den Weg zu seinem Zelt machte.