Geschichten:Schimpf und Schande - Teil 23

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Pfalz Gerbaldsberg


»Ahhh … das tut gut … uh … jaaa … Mehr! Holt noch mehr Wasser!« Im Halbdunkel der Küche auf der Pfalz Gerbaldsberg war Schroeckh kaum zu erkennen. Er kauerte auf einem Schemel am Backofen, stützte die Linke auf einen Weichholztisch, auf dem zahlreiche blanke Kessel und Töpfe standen, und hielt seine Füße in einen Bottich, aus dem ein würziger Kräuterdampf aufstieg. »Mach schon, Mädel. Jaaa! Ahhh! Das tut gut. Ohh. Was? Du kannst gehen. Husch, husch!«

Schroeckh massierte seine knochigen Füße und stöhnte dabei immer wieder. Im Hintergrund strahlte der Backofen wohlige Wärme aus, durch ein Fenster fiel fahles Winterlicht in das Gewölbe, von dessen Decken allerlei Töpfe, Pfannen, Kräuter und Vorräte hingen. Ein paar Laternen spendeten gelbes Licht, zwei Kerzen standen zwischen den blanken Kesseln auf Schroeckhs Tisch. Ihre Flammen spiegelten sich in den bauchigen Wänden.

»Vermaledeite Kälte! Verfluchte Kutsche! Verdammter Schnee! Und diese erbärmlichen Stiefel! Warum nur hat mich die Königin gleich zu sich gerufen? Nicht mal die Füße konnte ich mir trocknen. Oohh …« Schroeckh stöhnte wieder, dann verzog er das Gesicht zu einer Grimasse, die ganz offensichtlich ein verzogenes Gör nachäffen sollte, und quäkte dann mit verächtlich verstellter Stimme:»›Ihr seid mein Staatsrat, Schroeckh! Was Ihr tut, das tue ich.› Unsinn! Als wenn Majestät in der Staatscantzley bibbern müsste. ›Ihr könnt nicht einfach schalten und walten, wie es Euch gefällt, Schroeckh!‹ Pah! Mach ich das denn? Kaum etwas darf ich entscheiden. Immer heißt es: ›Tut dies nicht - tut das nicht - kackt den nicht an - lasst den in Ruhe.‹ Und immer wieder: ›Unter Eurem Vorgänger hätte’s das nicht gegeben!‹ Pah. Scheiß auf den Vorgänger! Auf ihn geschissen!«

Schroeckh war jetzt richtig wütend. Er blickte auf und sah sich in den blank polierten Kesseln gespiegelt. »›Ah! Wen haben wir denn da? Ist das nicht mein Staatsrat? Ist das nicht mein Staatsrat, der gerade einen der verdientesten Turnierritter meines Königreichs entlehnt hat? Ohne mich zu fragen?‹ – ›Ja, Majestät‹«, Schroeckh brachte nun einen Wasserkessel und einen Saucentopf gegeneinander in Stellung. Der Wasserkessel war die Königin. »›^Was soll ich nun machen, Schroeckh? Ihr lasst mich lächerlich aussehen!‹ – ›Aber Majestät‹«, sprach der Schroeckh-Saucentopf, »›Lächerlich seid Ihr doch auch ohne mich. Keine Ahnung davon, was in Eurem Königreich passiert! Die Turnierbünde schlagen sich die Köppe ein, der Blutige Ugo lässt den Adel zur Ader, die Garether Vorstädte verhungern, Ihr lasst Kesselflicker in Eurer Hauptstadt regieren. Das alles ist viel lächerlicher!‹ – ›Ihr habt so recht, mein Schroeckh. Was täte ich ohne Euch? Ihr haltet mein Erbe zusammen, Ihr seid es, auf den ich stets und immer bauen kann!‹«

Schroeckh brach ab. Das Spiel hatte eine zu heitere Wendung genommen. »Unsinn, die Königin verachtet mich. Die würde mich achtkantig rauswerfen, wenn sie könnte. Sie kann aber nicht. Entweder hat er sie auch im Griff oder sie muss auf ihre Reputation achtgeben. Ihr Adel ist anspruchsvoll. Lackaffen, alle miteinander. Je länger der Stammbaum, desto größer das Arschloch.«

Schroeckh brütete nun vor sich hin. Das Wasser im Bottich war nicht mehr unerträglich heiß. aber es sorgte noch immer für wohlige Wärme.

»Hier seid Ihr, Schroeckh!« Er betrat die Küche, geschniegelt wie immer.

»Ja, ich musste meine Füße …«

»Egal. Ihr habt Eure Sache gut gemacht.«

»Wirklich? Aber die Königin war ziemlich erbost.«

»Ja, aber über Euch, Schroeckh, nicht über mich. So ist es gut. Außerdem ist die Entlehnung Nimmgalfs nunmehr in Sack und Tüten. Auch bestens.«

Schroeckh wollte sich erheben, doch der andere bedeute ihm mit eleganter Handbewegung, ruhig sitzen zu bleiben.

»Ihr werdet alsbald zurückfahren, Schroeckh, und dann könnt Ihr der Familie die Bulle mit der Entlehnung und dem königlichen Siegel übergeben. Apropos Siegel. Das ist hier in diesem Beutel. Nehmt es mit nach Gareth.«

»Ihr habt das Siegel der Königin?«

»Natürlich, Euer Vorgänger hatte es doch auch. Darum soll es nun endlich auch bei Euch verwahrt sein, sagte Rohaja. Außerdem können wir damit noch ein paar tolle Sachen anstellen - freilich nur im rechtlich einwandfreien Rahmen Eurer Amtsgewalt.«

»Habe ich denn eine?«, fragte Schroeckh kläglich.

»Aber ja doch. Das Zedernkabinett frisst Euch aus der Hand, den Hirschfurten habt Ihr die Stirn geboten, Ihr seid nun schon länger im Amt, als jeder Euch zugetraut hätte – Ihr seht, dass Ihr stolz sein könnt.«

»Ich weiß nicht … eigentlich seid doch Ihr es, der …«

»Papperlapapp!« Der andere wand sich zum Gehen, hielt aber noch einmal inne. »Schroeckh: Was die Neubelehnung Leihenbutts betrifft, so verzögert die Nachricht noch ein wenig. Zum Zweiten: Setzt Prutzenbogen vor die Tür.«

»Warum?«

»Er hat sich in gehörige Schwierigkeiten gebracht. Hat einem Mädchen die Treue geschworen, ein zweites geschwängert und sein ganzes Geld verspielt. Lieht sich jetzt Geld von überall her. Mag angehen, wenn Raulsmark ihm was gibt, mag nicht angehen, wenn Drego von Luring ihm Geld beschafft. Unsichere Kanäle. Wer weiß, was Prutzenbogen für Geld weiter erzählen würde? Ihm ist nicht zu trauen.«

»Einfach rauswerfen? Aber er war schon Schreiber meines Vorgängers, als der noch den Tempel von Lu…«

»Einfach rauswerfen. Gosse und basta. Und wenn er erst so recht auf Hund gekommen ist, dann kaufe ich ihn mir im Sonderangebot. Oder er geht für immer zu den Ratten. Verstanden?«`

»Jawohl.«

Der andere verließ das Küchengewölbe, und Schroeckh saß gedankenverloren. Dann war das Wasser erkaltet, und Schroeckh begann erneut zu frieren.