Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 46: Unterwegs

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Dramatis personae:


Baronie Gnitzenkuhl, Praios 1034 BF


Seitdem Leomara wieder aus dem Wall zurück war, hatte sie sich verändert. Nicht nur diese eine offensichtliche Veränderung - ihre weiße Haarsträhne - nein, auch sonst war sie seltsamen Gemütsschwankungen ausgesetzt. Gerade jetzt schien sie wieder mit ihrem Gedanken meilenweit weg zu sein, zumindest war ihr Blick in die Ferne gerichtet und keineswegs auf die sich nähernden Bauern, die sie eigentlich hatten wegen der Wagenzüge befragen wollen. Heute Morgen war das noch anders gewesen. Bei ihrem Aufbruch war sie noch völlig übermütig und geradezu auffallend guter Laune gewesen und hatte ihren Knappen gefoppt und genarrt, bis er lachend ihre Späße als solche erkannt hatte.

Unswin hatte schon mehrfach den Blick besorgt auf sie gerichtet, aber die Ritterin zeigte keine Anzeichen einer Krankheit. Etwas lastete auf ihrer Seele und nach den ereignisreichen letzten Monden konnte vieles die Ursache sein. Wahrscheinlich war es von allen schweren Entscheidungen und einschneidenden Erlebnissen ein wenig, was sich nun zu einem Turm aufhäufte.

Die Praiosscheibe stand im Zenit und es war unerträglich heiß und schwül. Nur der leichte Wind, der ihnen beim Reiten um die Nase wehte, verschaffte ein wenig Erfrischung. Es war an der Zeit für eine Rast. Von der kleinen Erhebung die sie gerade hinaufgeritten waren, konnten sie nicht weit entfernt eine Baumgruppe ausmachen, die kühlenden Schatten versprach. Doch zuerst würden sie ihre Pflichten erfüllen müssen, deretwegen sie hier im Hinterland von Gnitzenkuhl über die Feldwege ritten. Sie hatten sich der Gruppe Bauern auf Hörweite genähert und Unswin machte mit einem Ruf auf sich aufmerksam.

Wenige Minuten, und einige Aussagen unbefriedigenden Unwissens von Seiten der Bauern, später, erreichten sie schließlich die Baumgruppe. Thorondir übernahm eilig die Versorgung Pferde, während Leomara und Unswin sich in die Schatten setzten und einen Moment ungestört waren. Der Zornesritter griff sanft nach der Hand seiner Frau und füherte sie an seine Lippen um die Aufmerksamkeit der Ritterin auf sich zu lenken.

„Woran denkst du Leomara? Schon seit wir aufgebrochen sind machst du so einen bedrückten Eindruck. Bitte sage mir was es ist, vielleicht schaffe ich es ja deine Sorgen zu zerstreuen.“

Ertappt schaute sie zunächst etwas schuldbewusst ihren Gatten an, zuckte dann aber mit den Schultern und schaute wieder in die Ferne um seinem fragenden Blick auszuweichen. Seine Nähe ließ sie allerdings sehr wohl zu.

Unswin von Keilholtz folgte ihrem Blick, nun war es unverkennbar wohin er schweifte- es war der Wall. Nach einer Weile des Schweigens schien sich ihre Verkrampftheit etwas zu lockern, und sie schaute Unswin zögerlich an. Ihre Stimme war leise als sie stockend begann:

„Einmal bin ich froh, froh hier zu sein, Ritterin zu sein, an deiner Seite- wenn du gerade da bist- zufrieden mit dem, was ich bin, und was ich habe.“ Gedankenverloren hatten ihre Finger begonnen Linien in den staubtrockenen Boden zu zeichnen während sie sich ihren Kummer von der Seele redete.

„Dann wieder…dann denke ich an die Zeit, die ich im Raschtullswall verbracht habe. An die Freiheit, die Entscheidungsgewalt, die …Möglichkeiten.“ Kurz waren ihre Augen wie am morgen unternehmungslustig und froh aufgeblitzt, doch der Moment währte nicht lange.

„Es ist noch schlimmer geworden seitdem wir den Bund eingegangen sind- Roderick behandelt mich…!“ Sie schüttelte nur den Kopf. „Er hat mich nicht einmal mit meinem neuen Namen den fremden Gästen vorgestellt. Stattdessen kam es zu einigen peinlichen Momenten. Mir kann es gleich sein, vermutlich denken sie sich ihren Teil, aber er überlässt fast keine Entscheidung mir. Ständig kontrolliert er mich.“

Unswin stieß leise pfeifend die Luft aus und rupfte, seine Wut nur mühsam unterdrückend, ein paar vertrocknete Grashalme aus der Erde. „Es ist wirklich sehr unglücklich, dass er an Geshlas Hof als ihr Vogt so viel zu sagen hat. Ich habe wohl bemerkt wie er mich geflissentlich ignoriert. Doch das hatte ich so in etwa erwartet und es kümmert mich auch nicht wirklich. Aber das er dir das Leben so schwer macht ärgert mich. Man sollte von einem reifen Mann in seiner Position doch mehr Größe erwarten. Meinst du es würde es etwas bringen, wenn ich ihn einmal direkt anspreche und die Aussprache suche? Immerhin haben wir ihn mit unserer spontanen Hochzeit vor vollendete Tatsachen gestellt und welchen Eltern gefällt das schon?“

„Du könntest dir natürlich überlegen Geshlas Hof zu verlassen, zumindest bis Roderick sich etwas beruhigt hat. In Dergelmund wartet immer ein heimeliges Dach auf dich wenn es dir in Gnitzenkuhl zu viel wird.“

Leomara nickte nur. „Kann schon sein, dass er erwartet, dass wir das Gespräch suchen. Aber wann? Vielleicht machen wir das, wenn die Sache hier ausgestanden ist, oder? Dergelmund ist keine Lösung Unswin. Ich denke, dass spätestens wenn die Baronin wieder zurück ist, sich die Lage für mich auf der Burg wieder entspannt.“

„Dann will ich für dich nur hoffen, dass sie bald wieder da ist.“ Sanft strich Unswin Leomara eine rebellische Strähne aus dem verschwitzten Gesicht und küsste sie sanft auf die Stirn.

Sie legte sich mit einem Seufzer zurück ins Gras und sah in das helle Blau des Himmels hinauf wobei sie ihren Arm beschirmend halb über die Augen legte. „Dann noch dieses Wetter, kaum ist man draußen ist man auch schon naß geschwitzt. Ich bin so müde, ich könnte immerzu schlafen…!“ Missmutig hieb sie mit der freien linken auf den Boden. „Ich bin einfach nicht ich selbst. Normalerweise würde ich Roderick stur die Stirn bieten, mir fehlt aber zu allem die Kraft. Als ich zusammen mit meiner Base Salva von Bleichenwang die Rinder besehen habe ist mir sogar regelrecht schlecht geworden. Normalerweise bin ich nicht so zart besaitet.“

Sorgenvoll blickte der Ordensritter zu seiner Frau hinab. Was sie da erzählte passte wirklich so gar nicht zu ihr.

„Vielleicht solltest du einmal zu einem Medicus gehen. Es klingt fast als hättest du dir eine Krankheit eingefangen. Dumpfschädel oder so etwas? Ich habe mir sagen lassen, dass der Biss von Sumpfgetier krank machen kann.“ Tatsächlich hatte Kapitän Hakon auf ihrer Fahrt etwas von agressiven Stechmücken erzählt die bei diesem schwülen Wetter zu Scharen im Schilf lebten. „Vielleicht sind es auch Nachwirkungen von unserem Ausflug in den Wall. Wer weiß schon, was man sich bei den Ferkinas alles holen kann.“

Zunächst glaubte der Greifenfurter Ritter seine Gemahlin wäre eingeschlafen, war doch zunächst nichts von ihr zu hören. Nicht einmal ihre übliche Litanei, dass nicht alles aus dem Wall schlecht war blieb aus. Doch mit einem Mal kam Bewegung in sie. In beachtlicher Geschwindigkeit richtete sie sich auf und schaute ihn alarmiert an.

‚Krankheit? Eingefangen im Wall…!‘ Ihre Gedanken begannen wilde Runden um diese Worte zu drehen. Durch das ruckartige Aufrichten war ihr schon wieder leicht schwindelig geworden, sodass sie sich die Augen kurz mit der Hand zuhielt und den Kopf kurz auf den Knien ablegte, bis die Sterne wieder weg waren, die lustige Reigen vor ihr tanzten.

„Ich..ich glaube du hast recht!“ Mühsam rappelte sie sich auf. Sie war ziemlich blass um die Nase als sie dies tat. „Es wird wohl das Beste sein, wenn ihr beide hier weiter reitet, ich mache mich auf nach Gnitzenkuhl, und…schaue, dass man mich…untersucht. Essen sollte ich auch etwas, heute Morgen war mir nicht danach!“

Überrascht von ihrer plötzlichen Aufbruchsstimmung kam Unswin nicht einmal dazu Leomara den Arm zu reichen um ihr behilflich zu sein. Zweifelnd sah er zwischen seiner Frau und ihrem Knappen hin und her, als er überdachte was sie gerade vorgeschlagen hatte.

Leomara von Keilholtz wurde ganz heiß bei dem Gedanken daran, was dies alles zu bedeuten haben könnte. Sie musste jetzt dringend mit einer Frau reden. Einer die genügend Erfahrung und Sachverstand mit so etwas hatte.

„Du willst jetzt allein zurückreiten und ich soll Thorondir mit mir nehmen? Das ginge sicherlich. In ein paar Stunden bist du zurück in der Stadt, da könntest du auch allein reiten. Aber mir wäre wohler wenn du ihn mit dir nimmst, falls es dir unterwegs schlechter geht. Wenn es doch eine Krankheit ist will ich nicht riskieren, dass du irgendwo auf einem einsamen Feld vom Pferd kippst. Bis morgen Abend habe ich unsere geplante Runde abgeschlossen und komme nach.“

Er hatte einerseits recht, was wenn es nicht das war, was ihr eben erst gedämmert war. Aber was, wenn er auf eine Spur stieß?

Die Sorge stand dem Ordensritter deutlich ins Gesicht geschrieben, während er aufmerksam seine Frau betrachtete. Von der Seite kam Leomaras Knappe und führte die Pferde herbei, da er die Bewegung der beiden als Zeichen zum Aufbruch gedeutet hatte.

„Gut, meinetwegen kann ich mit ihm reiten, aber wie steht es mit deiner Order nie alleine unterwegs zu sein?“ Sie lächelte ihn an, wobei ihre Art mit ihm ihre Spielchen zu treiben durch schien, wie ein Praiosstrahl an einem düsteren Tag. Ihr Gesicht wirkte wieder um einiges gesünder und in ihren Augen blitzte der Schalk auf.

„Da musst du dir keine Sorgen machen. Es ist mehr eine aus Vernunft geborene Maßnahme als eine feste Ordensregel. Alfred ist diesmal auch allein aus Schwertwacht gekommen. Unter diesen Umständen halte ich es wirklich für vernünftiger wenn Thorondir bei dir bleibt.“

Ungeduldig sprach sie weiter: „Glaub mir…, ich reite ja nicht durch unwegsames Gelände, da werde ich schon sicher ankommen, bin ja kein kleines Kind mehr, eh?“

„Ich bin mir deines Alters durchaus bewusst.“ Unswin konnte es sich nicht verkneifen ein wenig zurückzusticheln und grinste sie lausbübisch an.

Thorondir warf den beiden derweil fragende Blicke zu, hatte er doch nicht mit bekommen was das frisch vermählte Paar eben noch getuschelt hatte. Doch dass es scheinbar um ihn ging zeigten ihm die Blicke Unswins.

Der Ordensritter hatte schließlich eine Entscheidung gefällt. „Thorondir reitet mit dir Leomara. Wenn du dich krank fühlst sollten wir kein unnötiges Risiko eingehen. Ich reite weiter, übernachte bei dem Freibauern zu dem wir wollten und werde morgen Abend zurück in Gnitzenkuhl sein. Sollte ich wider Erwarten auf etwas stoßen, werde ich direkt zurückreiten und Verstärkung holen.“

Sie schüttelte ungläubig den Kopf über diese in ihren Augen unnötige Vorsicht, aber sie hatte keine Lust mit ihm zu streiten. Schließlich hatten sie sich erst gestern wieder gesehen.

„Wie der Herr Ritter befiehlt.“ Dann ging sie rasch zu ihm hin und küsste ihn so leidenschaftlich, dass ihr Knappe errötend den Kopf abwendete.

„…und wehe du läßt mich zu lange warten!“ flüsterte sie ihm danach ins Ohr, bevor sie Thorondir die Zügel aus der Hand nahm, und gemächlich auf stieg.

Unswin, der spürte wie Leomaras ungestümer Kuss zu einer Reaktion seiner Lenden führte, nahm die Zügel seines Pferdes ebenfalls entgegen. Jedoch saß er nicht sofort auf, da ihm dies in diesem Moment recht unangenehme Schmerzen bereitet hätte. Leomaras Grinsen als er ihr zum Abschied winkte ließ ihn ahnen, dass sie genau das beabsichtigt hatte. Trotzdem hatte sie mühelos erreicht, dass er sich schon jetzt nach dem Abend des nächsten Tages sehnte, waren ihre letzte Worte in seinen Ohren doch mehr ein Versprechen denn eine Drohung gewesen.



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Texte der Hauptreihe:
Pra 1034 BF
Unterwegs
Politik


Kapitel 50