Geschichten:Elfenpfad - Handelsgespräche
Dramatis Personae
- Madalieb Thalessia von Wertlingen
- Aldec Baduar von Wertlingen
- Perval Svellter
- Peraida Auersbrückerin
Markgräfliche Residenz, Greifenfurt im Herbst 1035 BF
„Ist das so?“ Irmenella von Wertlingen sah interessiert von ihrer Stickarbeit, einem weißen Einhorn, auf und fasste die vor ihr Versammelten fest ins Auge. Wahrlich, tobrische Hungerritter sahen anders aus. Aber wie hatte man sich eine Gesandtschaft der Händlergilde der Markgrafschaft auch anders vorzustellen als eine Rotte feister Männer und Frauen in Prunkgewändern, von denen jedes einzelne eine Waldbauernfamilie in den Hängen des Finsterkammes über Jahre hätte ernähren können.
Eine hochgewachsene Frau, die wohl heute Morgen Stunden gebraucht haben mochte, in ihre Korsage hineinzufinden, und diese nun mit jedem Atemzuge zu zerfetzen drohte, ereiferte sich schwer: „Das können die nicht machen! Was soll das geben, wenn nun die Barone selbst sich in den Handel drängen. Haben die keine dringlicheren Aufgaben?“
Ein alter Mann, dessen Hand theatralisch auf einem durch und durch silbernen Gehstock ruhte, den zu heben wohl mehr Kraft kosten sollte, als es das vorgetäuschte Beinleiden erforderte, pflichtete bei: „Schlimm genug, dass dieser Junker aus Pechacken sich mit den Einnahmen des hiesigen Pechhandels ein Monopol geschaffen hat. Nun will er gar den Handel an Greifenfurt vorbei von Gareth direkt nach Hundsgrab leiten und von dort aus gen Weiden. Über den Elfenpfad.“ Die letzten Worte spuckte der Mann mehr aus als dass er sie formulierte.
„Jawohl. Und die Eslamsrodener Pfeffersäcke werden sich ihre Riechkolben vergolden lassen, ohne je etwas dafür getan zu haben!“
Irmenella von Wertlingen sah hilfesuchend nach ihrem Gemahl, der allerdings völlig darin vertieft schien, die beiden Säuglinge zu kitzeln, welche auf der großen Decke neben dem Kachelofen lagen. Dann seufzte sie: „Herr Swellter.“
Ein vertrockneter alter Mann mit Hakennase und wässrig schimmernden braunen Augen trat vor, raffte seine auffallend schlichte Robe und verbeugte sich vor der Greifin – so wenig wie gerade noch schicklich.
„Ihr als Vorsteher der Händlergilde Greifenfurts werdet die hier vorgebrachten Argumente der Händlergilde verschriftlichen und bei Hilgert vom Finsterkamm, unserem Cämmmerer, vorlegen. Er soll Eure Interessen prüfen und mich bei meiner Entscheidung beraten. Seid versichert, dass ich Eure Überlegungen wohlwollend disputieren und zu gegebener Zeit beantworten werde. Und nun verzeiht, aber ich muss mich um das Wohl meiner Kinder kümmern, die sicherlich Hunger haben werden.” Wie auf Kommando begannen die zwei Säuglinge zu brüllen, als hinge ihr Leben davon ab, was den Damen und Herren Vertretern der Greifenfurter Händlerschaft ein zusätzliches Fersengeld bedeutete.
Erst als sich die Tür hinter den Pfeffersäcken geschlossen hatte, gönnte sich die Greifin ein frustriertes Seufzen. ”Was soll ich nur mit denen machen?”
Prinz Edelbrecht hob den Kopf und neigte diesen schalkhaft zur Seite, während er die beiden Säuglinge erneut krabbelte und so das Schluchzen in ein wohliges Glucksen verwandelte: ”Nun, mir scheint, du hast deinem Cämmerer eine gehörige Portion Schmiergeld gesichert und zugleich die Anfrage damit positiv beschieden.”
In den grünen Augen der Greifin blitzte es auf, während sich auf ihrem Gesicht ein befriedigtes Grinsen breit machte: ”Da kennst du Hilgert schlecht. Er kann den Swellter auf den Tod nicht ausstehen und wird alles, was dieser Mann erreichen möchte, hintertreiben.”
Vorsichtig legte Irmenella das Stickzeug aus der Hand und erhob sich aus ihrem Sessel. ”Gib mir bitte Aldec. Die beiden dürften nun wirklich Hunger haben. Und Schatz?” Edelbrecht hob den Kopf. ”Kannst du mir bitte versprechen, die Kinder nicht mehr zu kneifen?” Der Blick ihres Gemahls war beinahe schuldbewusst, während er seine jüngste Tochter auf den Arm nahm: ”Aber das Brüllen hat diesen aufgeblasenen Knallköppen zumindest Beine gemacht.”
Behutsam legte Edelbrecht das Mädchen in die Arme der herbeigeeilten Amme, die der zweiten Amme mit seinem Sohn folgte. Dann schloss er sich seiner Frau an, welche ihrem Arbeitszimmer zustrebte. ”Aber mal davon abgesehen, was hast du jetzt vor, in dieser Sache zu tun?”
Das Lächeln der Greifin war hintergründig, als sie sich an ihren Sekretär setzte und aus einem der Fächer Bütten und eine Schreibfeder entnahm. ”Der Ausbau des Elfenpfades wird beileibe nicht so einfach sein, wie sich unsere Adligen dies in ihren Plänen so vorstellen. Zuallererst ist die Einzige, die eine solche neue Handelsroute überhaupt genehmigen kann, die Kaiserin. Und die wird sich die Erlaubnis sicherlich etwas kosten lassen.
Und wenn Maut und Einnahmen dann nicht, wie seitens meiner Vasallen erhofft, zur Begleichung der enormen Wegekosten zurück ins kaiserliche Säckel sondern in barönliche Taschen wandern sollen, dann muss man Rohaja wahrlich einen guten Anreiz bieten müssen, sich für diese Strecke einzusetzen. Zumal ich fest davon überzeugt bin, dass die Waldsteiner Gräfin dem Plan, den Elfenpfad auszubauen, ablehnend gegenüber stehen wird. Da muss die Kaiserin selbst verhandeln oder gar ein Machtwort sprechen, sonst wird der Plan von dieser Seite aus hintertrieben werden. Alles in allem schlechteste Voraussetzungen, diesem Projekt mehr denn nur den Hauch einer Chance zu geben.”
Edelbrecht war den Ausführungen seiner Frau mit zunehmender Verwirrung gefolgt und kratzte sich nun, sichtlich überfordert, den Kopf: ”Aber wenn du das alles weißt, warum hast du das nicht mit den Kaufleuten so offen beredet?”
Das Lachen seiner Frau klang ein wenig angestrengt, während sie sich zu ihrem Gatten umdrehte: ”Glaubst du wirklich, Swellter und die Seinen wissen das nicht auch alles? Und du kannst Gift darauf nehmen, dass es keinen halben Tag dauern wird, bis die Breitenbrucker in selbiger Sache bei mir vorsprechen werden, denn immerhin sind die bis jetzt die Einzigen, die von der Blockade der Reichsstraße wirklich profitieren. Denn immer mehr Kaufleute nehmen den längeren Weg an der Breite entlang und kommen über Breitenbruck nach Gareth, was heißt, dass die Breitenbrucker mit ihrem Stapelrecht noch vor den Garether Zugriff auf die besten Waren haben. Und denen würde der Elfenpfad definitiv das Wasser abschneiden.”
Der Prinz kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr hinaus: ”Wie blickst du bei diesem ganzen Gehampel eigentlich noch durch?”
”Oh, Politik ist wie ein besonders ausgephextes Boltanspiel. Nur sind die Spielzüge noch ein wenig interessanter, die Einsätze höher und die Varianten zahlreicher.”
Edelbrecht zuckte die Achseln und gab auf. ”Wenn du mich suchst, ich bin auf dem Übungsplatz und werde mal wieder meine Knappen ein wenig schleifen.”
Der Blick Irmenellas war liebevoll, als ihr Mann ihr einen Kuss gab: ”Mach das, aber sei bitte nicht allzu fordernd. Ich möchte mir zwei davon heute Abend zum Tanz ausleihen. Immerhin sollen sie auch gesellschaftliche Kniffe lernen. Und denke daran, mein Lieber, dass auch du heute Abend gefordert bist. Meister Plauenfelde meint, er habe einen ganz neuen Tanzschritt aus dem Liebfeldischen, den er uns unbedingt näher bringen möchte.”
Hatte das Gesicht des Prinzen bis vor wenigen Minuten noch ein wenig angestrengt gewirkt, so sah es jetzt eher so aus, als habe er gerade eben eine tödliche Wunde erhalten.
Das Lachen der Markgräfin hallte aus ihrem Arbeitszimmer hinaus auf den Flur und bis hinaus auf den Hof, wo gerade eine Kutsche angehalten hatte, der vier schwergewichtige Kaufleute entstiegen.
Die anführende Frau, eine gut aussehende Dame mittleren Alters in ausgesucht vornehmer Garderobe sah kurz zur Residenz auf und wandte sich dann an den Kutscher: ”Fahre er schon einmal unser Gepäck hinunter in den Breitenbrucker Hof. Ich schätze, dass wir, selbst wenn wir sofort eine Audienz erhalten, nicht vor zwei Stunden hier raus sind. Und dann werden wir froh sein, wenn wir uns ein wenig die Beine vertreten können.” Die Gesichter der Begleitung der Frau schienen ausdrücken zu wollen, dass, egal wie lange eine Audienz dauern mochte, niemand auch nur ein Fitzelchen Lust auf einen Spaziergang empfinden würde, indes scherte es Peraida Auersbrückerin keinen Deut, was ihre Begleiter meinten.
Garetien-, Greifenfurt- und Perricum-Con 2012
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