Geschichten:Des Drachen Hort - Weißes Gold
Dramatis personae:
Herrschaft Dunkelforst (Junkertum Altenbeek), 29. Boron 1036 BF
Genervt trat er mit dem Stiefel durch eine frische Schneewehe auf dem Hof. Er ging einige Schritte und setzte sich auf eine eingeschneite Kiste. Irian zog den Umhang enger um sich. Es war kalt geworden in den letzten Tagen, doch lieber in der Kälte als drinnen. Vor einer knappen Woche kamen neue Leute auf den Hof. Irian kannte sie bereits von früher, von der Zeit vor ihrem Umzug nach Garetien – Die Bieninger, der bürgerliche Teil von ihnen zumindest. Seit langem, so wusste Irian steuerten sie seiner Familie Geld bei. Sie hatten in Ferdok ein lukratives Schuhgeschäft geführt. Sie waren angesehene Handwerker gewesen auf ihrem Gebiet, doch das schien seit einiger Zeit nicht mehr so zu sein. Angeblich hatten sie Probleme mit einem großen Handelshaus – Neisbeck oder so – und waren deswegen gezwungen ihr Geschäft zu schließen. Nun waren sie hergekommen, um sich bei ihrer adligen Familie einzunisten. Klar hatten sie einiges finanziert, doch Irian war klar, dass dies alles andere als uneigennützig war. Sie wollten Einfluss gewinnen. Dass die Familie Bieninger dabei nicht das Tor zur Kaiserin war, musste selbst ihnen klar sein dachte Irian. Doch Adel ist Adel und deswegen verschenkten sie keine Chance sich bei der eigenen Familie einzuschleimen mit Geld und Geschenken und ihrem bemitleidenswertem unterwürfigen Verhalten. Doch warum sollte es Darian von Bieninger stören? Er bekam Geld von ihnen für nichts und wenn sie ihm auf die Nerven gingen ignorierte er sie einfach – normalerweise. Wenn sie sich im gleichen Haus aufhielten ging dies nicht mehr. Wegschicken ging allerdings genauso wenig, da er schon zu viele Geschenke angenommen hatte.
Die Stimmung, die diese Situation hervorrief gefiel Irian ganz und gar nicht. Man hatte ihn für gewöhnlich in Ruhe gelassen. Er hatte nie besonders viel Aufmerksamkeit bekommen, aber das war in Ordnung für ihn. Er war kein leibliches Kind von Jette und Darian, aber sie hatten ihm das Leben gerettet und dafür war er ihnen sehr dankbar. Doch die Neuen wussten, dass er nicht wie ein Kind behandelt wurde und sahen deswegen keinen Grund dafür ihn nicht wie einen besseren Diener zu behandeln. Mit seiner Ruhe war es seitdem vorbei, Flucht der einzige Ausweg.
Nun saß er dort und starrte den weißen Wölkchen hinterher, die er mit jedem genervten Schnauben ausstieß.
Er muss dort einige Zeit so gesessen haben und die Zeit dabei vergessen haben, denn das nächste Mal als er bewusst seine Umgebung wahrnahm dämmerte es bereits und eine vermummte Gestalt durchschritt gerade das schwere Tor zum Gut. Irian kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können und erkannte Ogdan Halbork. Er verstand sich gut mit ihm. Früher war er oft bei ihm im Wald gewesen und es hatte ihn gefreut, dass der Halbork seine Familie in die neue Heimat begleitet hatte. Der ehemalige Jäger diente Irians Ziehvater nun als Augen und Ohren in der Wildnis und nur noch selten als Jäger.
Mittlerweile war er nah genug heran gekommen, um ihn begrüßen zu können. Auf seinem Mantel hatte sich der Schnee gesammelt, seit er es aufgegeben hatte ihn abzuschütteln. Er wirkte müde.
„Sei gegrüßt Irian.“, kam er Irian zuvor.
„Du ebenfalls Ogdan.“
„Ich habe Nachricht für Darian. Oben in den Höhen gab es einen interessanten Fund.“
„Komm, ich bring dich rein. Aber sei gewarnt die Bieninger sind da.“ Es klang albern für Irian sie so zu nennen, aber er wusste nicht wie er sie sonst nennen sollte.
„Aha…“ Ogdan gab sich teilnahmslos aber Irian wusste es besser. Er ist aufgeregt, weil er sie nicht kennt. Er weiß nicht wie sie reagieren werden, wenn sie ihn das erste Mal sehen.
Die beiden Männer kamen ins warme Gebäude und Irian führte Ogdan bis zum Wohnsaal, wo man schon laute Stimmen hören konnte. Vor der Tür blieb Ogdan stehen.
„Ich warte hier.“, raunte er Irian leise zu. Dieser nickte und öffnete die Tür so weit, dass er hineingehen konnte.
„Irian!“, schallte es auch schon direkt durch die Tür, „Gut, dass du kommst. Uns fehlt es noch an etwas Wein. Wärest du so Gut und würdest den Mägden besch…Halt! Wen hast du da mitgebracht?“
Es war Irian nicht direkt aufgefallen, aber die Tür war, als er hindurchgegangen war, etwas weiter aufgegangen als beabsichtigt und Sören Bieninger hatte einen Blick auf Ogdan werfen können. Es wurde stiller im Raum und die Aufmerksamkeit lag nun unglücklicherweise auf der Tür und dem dahinter stehenden Ogdan. Irian warf einen verlegenen Blick zur Tür, aber Ogdan trat bereits ein. Ein Murmeln ging durch die Gruppe versammelter Bieninger.
„Aaah, Ogdan, schön dich zu sehen!“, versuchte Darian die Situation zu entschärfen“ Darf ich vorstellen? Das ist Ogdan mein Aufklärer. Ogdan, das ist meine werte Familie aus Ferdok. Verenia, Jettes Mutter, Livia, Jettes Schwester, Livias Töchter Saria und Viridia, ihr Mann Sören und ihr Sohn Alrik.“ Nacheinander zeigte er auf die Personen, die Ogdan angafften, als wäre er die Attraktion eines Kuriositäten-Kabinetts.
Ein Moment des Schweigens.
„Darian, das ist ja ein Ork.“, entfuhr es Livia, die ratsuchend zu ihrer Schwester jette von Bieninger blickte.
„Nein, er ist kein ganzer Ork, er…“
„Aber noch viel weniger ist er ein ganzer Mensch.“, fiel ihm Verenia trocken ins Wort.
„Das spielt alles keine Rolle für mich. Er leistet gute Dienste und dafür bin ich ihm sehr dankbar.“, gab Darian erklärend zurück.
„Schau mal, Mutter, die Zähne von ihm…“, bemerkte Viridia, die Jüngste im Bunde.
„Ja, mein Kind, groß, nicht wahr? Und so spitz. Damit kommen sie nachts und…“
„Genug jetzt!“, polterte Darian und es wurde schlagartig still. „Ihr seid hier in meinem Haus und heißt deshalb jeden Gast genauso willkommen, wie ich euch willkommen heiße.“
Schweigen. Als sich Darian zu Ogdan umdrehte, war dieser bereits gegangen. Irian nickte in die Richtung, in die er verschwunden war. Darian verließ den Raum. Hinter ihm begann seine Familie leise wieder zu reden.
Darian und Irian fanden Ogdan draußen im Hof. Darian hatte darauf verzichtet, seine Jacke anzuziehen und dampfte nun wie ein Pferd in der Kälte der Dämmerung, während sein Schnauben gewaltige Wolken verursachte und der Schnee in seinem Bart schmolz.
„Ogdan, tut mir Leid, dass du diesen Haufen kennenlernen musstest… auch ich könnte jeden Tag aufs Neue auf ihre Gesellschaft verzichten. Aber sag mir, was gibt es neues?“
Ogdan sah ihm einen Herzschlag lang in die Augen und erkannte, wie immer, dass Darian die Wahrhet sagte. Er antwortete leicht knurrend, wie es seine Art war: „Oben in den Höhen haben sie was gefunden. Männer sind im Boden eingebrochen und fanden salzigen Stein. Habe noch nie von so etwas gehört aber es schien wichtig.“
„Salzigen Stein sagst du? Wird sich vermutlich um im Boden enthaltenes Salz halten.“
„Das wäre ein bedeutender und folgenreicher Fund.“, warf Irian ein.
„Freilich wäre es das und es würde sicher einige Probleme lösen.“
„Darian du weißt was die Leute dort oben sagen werden…“, gab Ogdan zu bedenken. „Bei einem solchen Reichtum werden viele gleich an einen Schatz denken…“
„Den Schatz von Rakull…Das ist ja wohl nicht wahr. Vollkommener Schwachsinn!“
„Sagst du.“
„Und das ist das, was letztendlich zählt. Ich werde das untersuchen lassen. Sollte da wirklich Salz liegen, werden wir es uns auch nehmen.“