Heroldartikel:Was treibt der Edelmann, was spielt der Bauersknecht
Was treibt der Edelmann, was spielt der Bauersknecht
Von Kurzweiligen Spielen, so wie sie in Garetien verbreitet
Allüberall im Königreich Garetien kann man sie erblicken. Zur nächtlichen Stunde finden sie sich ein, in den Stuben mancher Schankwirte genauso, wie in den Sälen des Adels. Dort frönen sie im Scheine flackernder Kerzen ihrer Leidenschaft, und, obschon von der Mutter Kirche argwöhnisch beäugt, finden sich immer größere Runden zusammen in lustvollem Spiele.
Nun mag sich der geneigte Leser fragen, von welch unsittlichen Umtriebe hier im Folgenden geschrieben werde. Doch allein, es handelt sich mitnichten um traviaverhöhnende Stelldichein, sondern vielmehr um ein kurzweiliges Spiel mit Karten, das sowohl dem Adel als auch dem gemeinen Landmanne die späten Stunden des Tages erfreut.
Geheißen wird es je nach Laune und politischer Ausprägung „Agenten unter uns!“, Meuchler unter uns!“ oder gar „Al`Anfaner unter uns!“.
Der Adel sieht in besagtem Kartenspiel eine sportliche Interpretation ihres täglichen Tagesgeschehens, wobei man ganz bewußt oft tagespolitische Gegebenheiten und Avancen in das Spiel einfließen läßt, um damit seine politischen Widersacher spielerisch eins auswischen zu können.
Der gemeine Landmann hingegen genießt es, in die Rolle manch herrschaftlicher Gestalten zu schlüpfen. Doch nun fragt man sich zu Recht, was das Spiel so reizvoll gestaltet. Nun, dazu solle im Folgenden die einfachsten Regeln dargelegt werden, die ebenso wie der Name des Spieles von Region zu Region und Spielrunde zu Spielrunde variieren können.
Innerhalb des Spiels wird eine illustre Adelsgesellschaft nachempfunden, wobei jeder Spieler ein Mitglied dieser Gesellschaft verkörpert und zusätzlich über eine geheime Identität in Form einer einzelnen Spielkarte verfügt. Diese Identität wird zu Beginn eines jeden Spieles aufs Neue gezogen.
Das Spiel selber erstreckt sich über mehrere Runden, will heißen, die Adelsgesellschaft vergnügt sich während einer mehrere Tage dauernden Feierlichkeit. Die fiktive Feier wird je nach Spielart als Kaiserball, Diplomatentreffen oder ähnliches geheißen. Wie gesagt erstreckt sich die Feier über mehrere Tage und insbesondere auch Nächte. Während der Nachtrunden schließen alle Spieler ihre Augen, was ein wesentliches Element des Spiels ist und in manchen Spielgemeinschaften zu rahjenreichen Zwischenfällen führt.
Einzig der vor einem Spiel deklarierte Spielleiter, der außerhalb des Geschehens ohne Identität spielt, darf mit offenen Augen die Spielerschaft betrachten. Ihm obliegt es nun, nacheinander in einem vorgegebenen Turnus die verschiedenen Identitäten aufzurufen, auf daß diese ihre geheimen Aktionen durchführen können, ohne von den übrigen Mitspielern wahrgenommen zu werden. Sobald eine Identität aufgerufen ist, dürfen all jene ihre Augen öffnen, die betroffen sind. Diese schauen sich in der Runde um und geben in phexgefälliger Weise dem Spielerleiter mit Gesten zu verstehen, wen oder was sie mit Hilfe ihrer Identität auswählen. Dies sollte in absoluter Stille erfolgen, da alle anwesenden, die in diesem Moment nicht die Augen offen haben, versuchen werden anhand von verräterischen Geräuschen, die Identitäten den Mitspielern zuzuordnen.
Da einige der Spieler zu Beginn des Spiels die Karte „Meuchler“, bzw. „Agent“, bzw. „Al`Anfaner“ gezogen haben, ist es deren Aufgabe in jeder Nacht in stummer Absprache einen der anwesenden Persönlichkeiten einstimmig auszuwählen und als Attentatsopfer dieser Nacht dem Spielleiter anzuzeigen. Sollte es zu keiner Einstimmigkeit kommen, so erfolgt in dieser Nacht kein Attentat.
Nach der Spielrunde ‚Nacht‘ ruft der Spielleiter den ‚Tag‘ aus, wobei er das Opfer der vergangenen Nacht nennt. Dieser Spieler scheidet augenblicklich aus dem Spiel aus und kann sich den weiteren Spielverlauf in aller Ruhe ansehen und sich dabei gar köstlich amüsieren, insbesondere die folgenden Tagrunden versprechen für den Ausgeschiedenen unterhaltsame Kurzweil. Nach Bekanntgabe des Attentatsopfers obliegt es allen Anwesenden lebenden Mitspielern die Meuchler zur Strecke zu bringen. Hier heißt es nun zu denunzieren und zu debattieren, zu argumentieren und zu diskutieren, bis sich die Mehrheit nach Abstimmung auf einen möglichen Täter geeinigt hat.
Dabei hat jeder lebende Anwesende eine Stimme, wobei der Inquisitor die Verhandlung leitet und über eine zusätzliche ½-Stimme verfügt. Hier ist nun äußerste Sorgfalt in der Auswahl der Worte gefragt, denn allzu oft kehrt sich eine ausgesprochene Beschuldigung wider den Defrundanten. Da Niemand die wahre Identität des anderen kennt, wird die Verhandlung, neben den eventuell in der vergangenen Nacht vernommenen Geräuschen, alleine durch Argumentation und merkwürdigen Beschuldigungen geführt. Es sei angemerkt, daß auch der Inquisitor ein möglicher Mörder sein kann, da die Karte Inquisitor nicht gezogen wird, sondern als offene Zusatzkarte an einen Mitspieler ausgehändigt wird. Stirbt der Spieler, der die Inquisitorengewalt innehatte, so gibt dieser die Inqisitorenkarte beliebig an einen Mitspieler weiter.
Doch, so ganz ahnungslos wie es den Anschein haben könnte, ist die Adelsgesellschaft nicht, denn unter den Anwesenden gibt es drei hervorstechende Persönlichkeiten, deren Identität aber ebenso wie die der Meuchler solange geheim bleibt, bis eben diese gemeuchelt oder als vermeintlicher Täter abgeurteilt wurden.
Zum einen sei hier die Magd genannt, die unter einer Adeligen Spielrunde oft für Gelächter sorgt, je nachdem wer diese Karte gezogen hat. Dieser ist es einzig erlaubt, während der gesamten Nachtrunde zu spingzen. Somit ist es ihr vergönnt, die Täter in flagranti zu beobachten, und ihr Wissen am kommenden Tage in die Diskussion einzubringen. Doch wie so oft im wirklichen Leben sind es gerade die Wehrlosen, die die gnadenlose Härte ihrer Herrschaften zu spüren bekommen, so daß der Spieler, der die Magd gezogen hat, sicher sein kann: Sollten die Meuchler hinter dessen Identität kommen, wird die Magd die kommende Nacht sicherlich nicht überleben.
Eine weitere herausragende Person ist die der Hellsichtmagierin. Jene wird zu Beginn einer jeden Nacht als Erste durch den Spielleiter aufgerufen, auf daß diese mit einer knappen Geste anzeigt, wessen Identität sie beabsichtigt zu erfahren. Der Spielleiter wird ihr dann die entsprechende Karte zeigen und sie darauf bitten, erneut die Augen zu schließen. Mit diesem Wissen ist die Magierin eine weitere hilfreiche Hand bei der kommenden Suche nach einem der möglichen Attentäter. Doch auch ihr Leben ist in Gefahr, sollten die Meuchler sie erkennen, denn jeder Zeuge ist ein Zeuge zu viel!
Neben diesen beiden Personen gibt es eine dritte Person, die über besondere Fähigkeiten verfügt. Es handelt sich um den Alchemisten. Jener wird jede Nacht unmittelbar nach dem vollzogenen Attentat aufgerufen. Während alle Spieler ihre Augen geschlossen halten, erfährt der Alchemist, wer das Opfer der Nacht geworden ist, und kann sich im Folgenden entscheiden, ob er zum einen das Opfer mit einem Heiltrank retten und zudem noch eine beliebige Person mit einem Gift ermorden will. Diese Tränke kann der Alchemist jedoch nur jeweils ein einziges mal anwenden. Auch er gibt mit stillen Gesten dem Spielleiter seine Absichten bekannt.
Neben all diesen mal mehr mal weniger hilfreichen Persönlichkeiten befindet sich unter den Edlen eine besonders gesegnete Person. Dieser obliegt es in der ersten Nachtrunde als Sendbote Rahjens zwei Liebende auszuwählen. Auch dieser Spieler zeigt es dem Spielleiter an, der die beiden Liebenden kurz antippt, so daß die betroffenen Spieler von ihrer Auswahl wissen. Nachdem rahjens Sendbote wieder die Augen geschlossen hat, ruft der Spielleiter die beiden Liebenden auf, damit sie sich kurz erblicken können und von einander wissen. Ihre Aufgabe ist es nun, unter allen Umständen das Leben des Geliebten zu bewahren! Einzig diesem Sinnen steht ihr Wille! Dies kann sich eventuelle sowohl bei den täglichen Verhören als auch bei den nächtlichen Attentaten auswirken.
Somit seien all jene Identitäten aufgelistet, die üblicherweise in dem Spiel vorkommen. Jedoch sei bereits hier bezeugt, daß es weit mehr Abwandlungen des Spieles geben mag, als mir bekannt ist. Einzig der Sinn und das Ziel des Spiels scheint allüberall gemein:
So trachtet die Gruppe der Meuchler danach, alle übrigen Personen zu ermorden, während die versammelte Festgesellschaft die Meuchler überführen muß. Die beiden Liebenden hingegen sehen einzig das Heil des Anderen als erstrebenswert.
Im Folgenden solle noch einmal in kurzer Übersicht die Schritte der Nacht, so wie sie durch den Spielleiter aufgerufen, aufgezeigt werden:
- Rahjens Sendbote wählt zwei Liebende (nur in der ersten Nacht – danach normaler Edler)
- Die Hellsichtmagierin wählt eine Person, deren Identität der Spielleiter offenbart (Spielleiter zeigt die passende Karte)
- Alle Meuchler wählen einstimmig das Opfer der Nacht
- Der Alchemist erfährt das Opfer und wendet eventuell einen Heiltrank und/oder Gift an
während der ganzen Nacht kann die Magd insgeheim alles beobachten.
Noch bevor die erste Nacht ausgerufen wird, verschafft sich der Spielleiter einen Überblick der verschiedenen Identitäten, so daß er beim Ansagen der Hellsichtmagierin unmittelbar die anvisierte Identität mitteilen kann. Hierzu benutzt er den zweiten Satz Spielkarten, aus denen er die passende Karten auswählt und vor sich als Spiegel der Spielrunde ausbreitet.
Die gleichsam mit meinem Bericht abgedruckten Spielkarten sollen all jenen Lesern zur Freude gereichen, die nunmehr das Verlangen plagt, ebenfalls des kurzweiligen Spieles zu frönen. Hierfür gelte mein besonderer Dank an den Baron zu Syrrenholt, der sich freundlicher Weise bereit erklärte, dem Herold einen Satz seiner persönlichen Spielkarten als Kopiervorlage zur Verfügung zu stellen.
(irdisch: Nachempfunden nach dem Spiel „Werwolf“)
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