Geschichten:Demission und Nachberufung - Der Wunsch der Kaiserin

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Dramatis personae:



Markgrafenpalast in der Reichsstadt Perricum, Ende Peraine 1033 BF


Wie bereits in den Tagen zuvor hatte Markgraf Rondrigan Paligan dafür Sorge tragen lassen, dass die Kaiserin ihr Frühstück in dem kleinen, aber höchst elegant eingerichteten Sanin-Salon einnehmen konnte.

Der Salon war zum Andenken an den bosparanischen Admiral Sanin unter Belen-Horas von Graf Tedesco von Perricum eingerichtet worden, als dessen Stern im Reich bereits gesunken war und der Garether Markvogt Barduron sich nach der Schlacht an der Tobimorabrücke im Jahre 920 BF zum Kaiser hatte ausrufen lassen. Gedemütigt von Barduron von Gareth und in sein perricumsches Lehen gesperrt, hatte der einstige Reichsverweser in diesem Salon lange Tage mit dem Blick auf das Perlenmeer verbracht, das seinen größten Triumph mit seiner Landung in Mendena hätte bringen sollen. Das Meer hatte Tedesco nicht enttäuscht, es waren die Tobrier gewesen, die ihm in den Rücken gefallen und seinen jähen Sturz verursacht hatten.

Nun lag in der Luft der Wohlgeruch von frischem Backwerk und herzhaftem Schinken, heißem Tee und Kakao von den Waldinseln, sowie der salzige Atem des Meeres, der durch die weit geöffneten Fenster in den Sanin-Salon hineinströmte. Markgraf Rondrigan beaufsichtigte persönlich seine Mägde und Diener, die ihren Herren weitaus seltener zu Gesicht bekamen als die von ihm durch alle Provinzen begleitete und umsorgte Kaiserin. Als alles zu seiner Zufriedenheit erledigt, wies er einen seiner Diener an, die Kaiserin zum Frühstück zu holen. Der Blick auf das unberechenbare Perlenmeer zog auch den Spross des alanfanischen Grandengeschlechtes magisch an.

»Wünschen Erlaucht einen guten Morgen«, räusperte sich eine markante Stimme hinter dem Markgrafen. Rondrigan drehte sich um und bemerkte, dass der Garether Markvogt Barnhelm von Rabenmund wohl schon einige Augenblicke länger im Salon gestanden und ihn beobachtet hatte.

»Auch Euch, Hochwohlgeboren, einen von den Zwölfen gesegneten Morgen«, grüßte Paligan zurück mit einer Freundlichkeit, der man wie immer nicht anmerken konnte, ob echt oder aufgesetzt. »Sicherlich wird es ihrer Kaiserlichen Majestät eine Freude sein, Euch heute hier zu sehen, nachdem sie schon nicht die Freude hatte, Euch während des Reichstages hier begrüßen zu dürfen. Nachdem Euch schon des Erzschurken Haffax Drohung nicht gen Perricum bewegen konnte, welch Ereignis führt Euch zurück an die Seite der Kaiserin?«

»Mit so treuen und ergeben Vasallen an ihrer Seite«, entgegnete der Markvogt süffisant, die elegante Statur seines Gegenüber von oben bis unten betrachtend, »bedarf sie bei den Beratungen über die Kriegsvorbereitung wohl kaum einer weiteren Rat gebenden Stimme, sonst hätte ich auf meinem Weg zu Euch sicherlich Seiner Exzellenz, dem Erzkanzler, einen kurzen Besuch abstatten können.«

Lächelnd erwiderte der Markgraf: »Nun, Seine Exzellenz Hartuwal Gorsam vom Großen Fluss scheint sich dieser Tage gemeinsam mit Seiner Hoheit um die drängenden Angelegenheiten des Herzogtums am Großen Fluss kümmern zu müssen, wer weiß nicht, ob sie nicht bereits die alte Königskrone von Halwart ausgebuddelt haben.«

»Der Kopf eines Nordmärkers wäre jedenfalls dick genug dazu, sie zu tragen«, antwortete der darpatische Garetier lakonisch. »Gekommen bin ich allerdings weniger, um über die Befindlichkeiten Elenvinas zu philosophieren, sondern weil ich der Kaiserin Botschaft überbringe von einem ihrer Koscher Adligen, dem die Luft in Elenvina wohl zu dünn geworden ist.«

»Ihr spielt auf den Rücktritt von Hagen von Sturmfels-Salmigen an, welcher der Kaiserin wohl bekannt ist, trat er doch vor dem versammelten Adel hier in Perricum vor ihre Kaiserliche Majestät und bat darum, seinen Platz im Reichsgericht räumen, um für Fürst Blasius vom Eberstamm die Kriegslanze führen zu dürfen. Ihr hättet das Schauspiel, welches der Verlierer im Bruderzwist um die nordmärkische Baronie Dohlenfelde seinen Standesgenossen geboten hat, mit eigenen Augen bewundern können, und müsstet ihre Kaiserliche Majestät nicht mit alter Zeitung belästigen.«

»Dann hat Seine Hochgeboren Euch bestimmt bereits schon mitgeteilt, an welchen Namen er für seinen Nachfolger denkt, oder?« Der Markvogt zog ein Pergament aus einer Kladde, das ein Siegel des demissionierten Reichsrichters trug, und klopfte damit ruhig und genüsslich auf seinem Brokatrock herum.

»Nein, bisher hat er sich der Kaiserin gegenüber noch nicht geäußert«, erwiderte Rondrigan, als sich die doppelte Flügeltür öffnete und in einem prächtigen Gewand Kaiserin Rohaja von ihrem Diener in den Salon geführt wurde.

»Wer, mein lieber Rondrigan, hat sich mir gegenüber noch nicht geäußert? Oh, Vetter Barnhelm, welch angenehme Überraschung Euch hier in Perricum zu sehen.«

Barnhelm von Rabenmund machte eine tiefe Verbeugung, ergriff die Hand seiner Königin und Kaiserin und hauchte vollendet einen Kuss auf ihren Handrücken, nicht ohne ganz bewusst in den Augenwinkeln den angesäuerte Blick seines Kontrahenten wahrzunehmen. »Eure Kaiserliche Majestät rauben mir den Atem mit Ihrem vollkommenen Auftreten. Verzeiht einem Untertanen, dass er sich erst einmal sammeln muss, bevor er seiner verehrten Herrin die Aufwartung machen kann.«

Sichtlich amüsiert zog Rohaja ihre Hand zurück, schüttelte ihr locker gekämmtes blondes Haar und setzte sich an die reichgedeckte Frühstückstafel. Mit einer leichten Handbewegung lud sie die beiden Herren, die eindeutige Blicke gewechselt hatten, zu sich an die Seite ein, so dass der Markgraf zur Linken, der Markvogt zur Rechten der Kaiserin Platz nahm.

»Dieser Tee ist wahrlich köstlich, mein lieber Rondrigan. Ich wünschte man würde mir auf meinen Reisen in die Kaiserpfalzen jeden Morgen ein so wohlschmeckendes Getränk auftischen«, lächelte Rohaja dem Markgrafen von Perricum zu. »Nun, es schien mir, als hätte ich meine beiden engsten Berater in einer Unterredung unterbrochen, die auch mich betreffe. Vetter, seid doch so freundlich zu Eurer Königin und Kaiserin, mich auf die Höhe Eures Wissens zu heben.«

»Verehrte Base, nichts ist mir eine größere Freude als dies«, lächelte der Markvogt und schob der Kaiserin den Brief des Reichrichters Hagen von Salmingen-Sturmfels zu. »Seine Hochgeboren von Dunkelforst und Baruns Pappel baten mich, Euch seinen Demissionswunsch in schriftlicher Form zu überreichen, nachdem er ihn Euch bereits persönlich vor dem versammelten Adel geäußert hat. Seine Hochgeboren wiederholt darin seine Befürchtung, dass sein Dienst in den fürstlichen Truppen des Koschs ihn an seinen Verpflichtungen als Reichsrichter hinderlich sei.«

»Dies waren seine Worte. Was glaubt Ihr, steckt dahinter?«

»Schwer zu sagen«, antwortete Barnhelm, »Aber ich hege die Vermutung, dass es eine Retourkutsche gegen seine Hoheit vom Großen Fluss ist, nachdem dieser ihn bei seinen Streitigkeiten mit seinem Bruder Angrond um die Baronie Dohlenfelde nicht unterstützt hatte. Der Baron von Dunkelforst jedenfalls fährt in seinen Ausführungen fort und äußert von sich aus einen Vorschlag für seine Nachfolge.«

»So? Und an wen denkt er dabei?«

»Er schlägt seine Hochwohlgeboren Oldebor von Weyringhaus von der Raulsmark vor, den auch ich für einen idealen Reichsrichter halte.«

In diesem Moment verdunkelte sich das Gesicht des Markgrafen von Perricum für einen kurzen Augenblick, hatte er doch noch keine Zeit gefunden, mit der Kaiserin über seine Vorstellungen zur Nachbesetzung des Reichsgerichts zu sprechen. Dass nun ausgerechnet ein direkter Untergebener des Markvogtes, zudem ein Schwager des Hauses Rabenmund, für den Posten des Reichsrichters vorgeschlagen wurde, dessen Reputation schwer im ganzen Mittelreich wog, sagte ihm überhaupt nicht zu. Er räusperte sich und hatte wieder sein freundlichstes Gesicht aufgesetzt.

»Eure Kaiserliche Majestät, das ist sicherlich ein bedenkenswerter Gedanke, den Burggrafen der Raulsmark zu berufen. Doch gebe ich zu bedenken, dass eine solche Wahl wohl abgewogen sein will und eine solch schwerwiegende Entscheidung mit Bedacht getroffen werden sollte. Mein Ratschlag ist, dass Ihr Euch ein wenig Zeit ausnehmt und in aller Ruhe alle potenziellen Kandidaten, derer es noch mehrere gibt, genau prüft.«

Die Kaiserin hatte ihr Frühstück beendet. Sie nickte lächelnd ihrem Markgrafen zu und antwortete: »Das ist durchaus richtig, mein lieber Rondrigan. Aber mir gefällt die Idee, einen meiner treuen garetischen Untertanen im Reichsgericht zu wissen, nachdem die Nordmarken dort in den letzten Jahren dominiert haben. Ach, am besten bitte ich meinen Beraterstab darum, mir eine Liste mit den geeignetsten Kandidaten zu erstellen, aus denen ich dann die Nachfolge für Baron Hagen von Salmingen-Sturmfels auswählen werde.«