Geschichten:Die Lanze des Löwen - Quecksilberkind

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Reichsstadt Eslamsgrund, 28ter Peraine 1036 BF


„Nein, Almadino, wir werden ganz Gewiss keinen Umweg über Ragath machen!“

Mit einem zufriedenen Lächeln drückte sich Fruma noch ein wenig an die rückwärtige Mauer der Kriegerakademie und spähte geduckt aus ihrem Versteck zwischen der Akademie und den sie umgebenden Zierbüschen auf die Straße. Niemand hatte auf sie in das Grün hineinschlüpfen sehen, und auch keiner der vorbeispazierenden Bürger, der eilenden Handwerksgesellen oder durchfahrenden Händler achteten auf ihr Versteck. Beruhigt widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem geöffneten Fenster im ersten Stockwerk des Hauses der Hohen Kriegskunst, aus dem die volle Stimme des Akademieleiters zu ihr hernieder klang.

„Und auch nach Punin wird es keinen Abstecher geben, Almadino.“

Zwar konnte Fruma die Antworten des Gesprächspartners Seiner Wohlgeboren nicht hören, doch war ihr klar, um wen es sich eindeutig handeln musste: Um den jungen Almadino vom Berg nämlich, seines Zeichens der elfjährige Sohn Konnars, ein quirliger Luftikus und eine schlitzohrige Nervensäge gleichermaßen. Und eben so deutlich war der jungen Ehrensteinerin nun besusst, dass eben jener Jungspund ihre geheimnisvolle Reisebegleitung werden würde.

„Kaum lasse ich Dich eine Viertelstund durch Ragaths Straßen laufen, wirst Du zunächst Zuckerbäcker werden wollen, um an der nächsten Häuserecke doch lieber den Pferdehandel zu erlernen, während Du Dich schließlich zwei Straßen weiter doch dafür entscheidest, Dein Glück als Feinschmied zu machen.“

Frumas Lächeln wurde breiter, als sie eine leichte Verzweifelung in der Stimme des Akademieleiters heraushörte. Es war ein weniger gut gehütetes Geheimnis unter den Kadetten, dass der junge Almadino seinem Vater einiges an Kopfschmerzen bereitete.

„Andere Adelssprösslinge sind in Deinem Alter längst im Pagendienst, und ich habe Dich ob unseres Umzuges hierher als Du noch klein warst offenkundig nicht mit der notwendigen Strenge auf die Ernsthaftigkeit des Lebens vorbereitet. Aber langsam wird es Zeit für Dich, Deinen Platz in der Welt zu finden.“

Ging es also darum bei dieser Reise? fragte Fruma sich. Sollten vier der erfahrensten Kadetten der Akademie den Sohn des Akademieleiters auf den rechten Weg führen? Fruma beglückwünschte sich selbst dazu, sich nicht wie Rinaldo drei Tage lang dem Wein und anderen Vergnügungen hingegeben zu haben, sondern sich hartnäckig daran gemacht hatte, etwas mehr übe diese dubiose bevorstehende Reise zu erfahren. Sie hatte Teile des Lehrpersonals unauffällig in Nebensätzen ausgehorcht, versucht den Bediensteten etwaige Informationen über Seine Wohlgeboren Pläne zu entlocken, und einige Male hatte sie sich auch für kürzere Zeitspannen an Konnars Fersen selbst geheftet. Eine Kriegerin zu sein, bedeutete für Fruma von Ehrenstein, sich strategisch und taktische Vorteile für die Zukunft zu verschaffen und vorausschauend zu denken. Und wenn der Akademieleiter nicht gewillt war, ihr mitzuteilen, aus welchem Grund und mit welchem Ziel sie ihre letzten Ferien vor der Abschlussprüfung drangeben sollte, so würde Fruma dies eben selbst herausfinden. Was ihr ja nun offenkundig gelungen war.

„Ein paar Mal im Monat an den Übungen der Kadetten teilzunehmen, reicht einfach nicht aus, Almadino, um einst einen Kriegerbrief zu erhalten. Genau so wenig, wie Dein gutes Aussehen dazu ausreicht, um als Geliebter der Göttin prädestiniert zu sein, auch wenn Du das glaubst.. Und die Tatsache, dass Dir Dein Frühstücksei vom Tisch gerollt ist, war trotz Deiner Quengeleien kein Grund dafür, Dir geistige Kräfte zu attestieren, die eine Aufnahme im Arkanen Institut oder an sonst irgendeiner Magierakademie zwingend nötig machen würden, verdammt!“

Heimlich blickte Fruma auf die Straße hinaus, um den passenden Moment abzuwarten, der es ihr ermöglichen würde, aus ihrem Versteck zu entschlüpfen. Gerade war einiger Betrieb, und sie entschloss sich, noch einen kurzen Moment zu verharren. Und so hörte sie die abschließenden Worte Dom Konnars nach draußen hallen. Zuerst laut und bestimmt, dann leiser und mit einem deutlichen Anflug von Resignation.

„Deine Mutter und ich haben Dir den Namen eines festen Edelsteins gegeben – doch Du erweist Dich stets als flüchtiges Quecksilberkind! Was soll nur aus Dir werden, Almadino?“



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