Geschichten:Am Hofe des Kronvogtes - Totgesagte leben länger

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Hochnjerburg, Königlich Neerbusch, Ende Boron 1035 BF:

Leomar von Zweifelfels schaute aus dem Turmfenster der „Langen Hallermine“ auf die schneebedeckten Ausläufer der Klappechser Höhen die das Njertal umschloßen. Dieses Jahr verlief verdammt gut für ihn. Vor wenigen Monden wurde er als Held des Njertals frenetisch gefeiert und nun war er Kronvogt von Neerbusch. Er war also wieder wer.

Es klopfte an der Tür und Leomars Kammerherr Irian von Düllerwüben trat ein.

„Junker Edorian von Feenwasser ist hier, Hochgeboren!“

„Sehr gut, ich habe ihn bereits erwartet. Das wäre dann alles, Irian.“ Leomar freute sich diebisch. „Feenwasser, das wir so jung noch mal zusammen kommen. Aus uns beiden ist ja richtig was geworden seit dem wir uns das letzte Mal gesehen haben, Ihr seid nun gräflicher Wegevogt wie ich hörte und ich Kronvogt dieser Lande und somit Nachfolger des Mannes den Ihr getötet habt. Ich bin Euch zu Dank verpflichtet. Ich hoffe Ihr ward nicht selber scharf auf diesen Posten!“

„Ich weiß wo mein Platz ist.“ Edorian lächelte gequält. „Wie Ihr aber richtig erkannt habt, hat uns die Njertal-Expedition bezüglich unserer politischen Ambitionen sehr geholfen.“

„Sehr richtig, aber ich habe Euch nicht kommen lassen um über unser kleines Geheimnis zu plaudern, sondern ich brauche einen angemessenen Hofstaat. Irgendwie muss man sich das Leben in dieser Einöde ja erträglich machen.“ Der Zweifelfelser goss etwas Wein in zwei Pokale und reichte einen dem eibenhainer Junker. „Zuerst zu den Hausrittern, Radobert von Waidbrod bat mich hier an der alten Wirkungsstätte seines Vaters dienen zu dürfen, das habe ich ihm gewährt, er ist wohl etwas sentimental der Gute. Des weiteren werde ich noch meine entfernten Vetter Bernhelm und Darbrod in meine Dienste nehmen, sowie Euren Vetter Salerian. Knappen brauche ich noch, bis jetzt habe ich nur meinen Neffen Gisborn und die Zusage aus dem Schlund das Morgana von Sennenberg-Ruchin in Bälde bei mir ihre Ausbildung antritt. Pagen habe ich unglücklicherweise noch keine. Seid so gut und hört Euch ein wenig um, Feenwasser.“ Ohne Edorians Reaktion abzuwarten, sprach Leomar einfach weiter. „Leuwyna wird Hofgeweihte...ach nein, nicht Rondra..., aber da fällt mir schon noch was ein, vielleicht Praios? Glenna Praiadne von Leuenwald wäre eine Option. Ja und Lubomir wird Hauptmann der königlichen Garde und mein guter Freund Gishelm von Falkenstein-Sturmfels Mundschenk – der wird Euch gefallen, welch ein stattlicher Kerl. Aber nun zu Euch Feenwasser. Ich will Eure Frau Mutter als Hofmagierin und Leibärztin in Lohn und Brot nehmen, bitte setzt sie davon in Kenntnis. Da ich nicht vorhabe mich mit den verwalterischen Kleinigkeiten dieser Vogtei rumzuschlagen, habe ich beschossen Euren Vetter auch noch zum Kastellan zu machen, ich kenne Salerian ja noch aus alten Tagen.“

Da Leomar nun einen Schluck Wein aus seinem Pokal zu sich nahm, nutzte Edorian die Gelegenheit den Monolog des neuen Kronvogtes zu durchbrechen.

„Darf ich Euch einen Vorschlag machen, meine Schwester Thalia wäre weit besser geeignet Euch den Rücken frei zu halten, sie ist eine äußerst kompetente Verwalterin und darüber hinaus mit den Abläufen hier auf der Hochnjerburg vertraut, war sie doch vor einigen Götterläufen bereits Verwalterin dieser Lande. Außerdem ist Salerian an der Zollstation in Windfest unabkömmlich und kann Euch an der Grenze zu Greifenfurt weit besser dienen als hier am Schreibpult. Da Ihr Euch nicht mit dem Papierkram belasten wollte, würde ich Euch Meister Salpion Hoogensiel als Sekretär ans Herz legen.“

Da Leomar offensichtlich vorhatte, die meisten Aufgaben die die Verwaltung eines Lehens mit sich brachte nicht selbst war zunehmen, sah Edorian die Möglichkeit seinen Einfluss in Neerbusch auszubauen. Sein Vetter war viel zu unstet, seine Schwester aber war ihm treu ergeben, ebenso Meister Salpion.

„Gut, Feenwasser, dann machen wir das so. Ihr könnt jetzt gehen. Ach ja, fast hätte ich es vergessen, ich ernenne Euch zum königlichen Jagd- und Forstmeister. Das wäre dann alles... wobei, eins noch. Wie ich entdeckt habe, befindet sich hier auf der Burg ein Schwitzbad. Wir treffen uns dort in einem halben Stundenglas. Wie ich hörte seid Ihr solcherlei Badefreuden nicht abgeneigt.“ Leomar grinste Edorian vielsagend an, während dieser sich zurückzog.

Der Kronvogt wendete sich nun wieder dem Turmfenster zu. Ja, er war nun wieder wer und viele die ihn schon für politisch tot hielten würden sich noch umschauen, den totgesagte leben bekanntlich länger.


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20. Bor 1035 BF
Totgesagte leben länger


Kapitel 1

Travia ante portas
Autor: Bega