Geschichten:Hartsteen bei Quintian-Quandt
(Establishing shot: Gräflich Feidewald. Die Kamera zeigt die Grafenfeste aus der Vogelperspektive. Eine herrschaftliche Kutsche hat vor der großen Treppe angehalten, die zum Hauptportal der Feste führt. Diener sind damit beschäftigt, sich um die Pferde vor der Kutsche zu kümmern. Die Kamera stößt durch die frühsommerliche Luft herab, jagt an der Kutsche vorbei, durch das Hauptportal, während im Hintergrund Streicher ihre Melodie anstimmen. Während die Streicher nun ein munteres Allegretto spielen, folgt die Kamera dem wehenden Mantel einer eilends daherschreitenden Person einen durch Fackeln erhellten Gang entlang. Am Ende dieses Ganges wird eine große zweiflügelige Tür aufgezogen, just bevor die den Gang entlangeilende Person das Portal erreicht hat.)
DIENER: Der Stadtmeister der Reichsstadt Hartsteen, Adhemar von Hartsteen-Beisweil!
(Die muntere Musik verklingt. Der Blick wird nun freigegeben auf einen recht geräumigen Empfangssaal. Erhellt wird dieser durch mehrere Fackeln an der Wand. Eine Art Besprechungstisch mit sechs Stühlen darum befindet sich linkerhand, auf der rechten Seite stehen in einigen Vitrinen diverse Musikinstrumente. Inmitten des Saales steht Geismar von Quintian-Quandt. Wie immer teuer gekleidet, zupft er sich nachdenklich am Knebelbart, als er den Ankömmling in leisem Tone begrüßt).
GEISMAR: Willkommen, Herr Ratsmeister, auf Gräflich Feidewald. Was verschafft uns die Ehre?
(Nun ist auch der Ratsmeister von vorne zu sehen. Seine Gewandung ist gewisslich ebenso kostspielig wie die Geismars. Adhemar fährt sich durch das stets zerzauste blonde Haar und kommt ohne Umschweife zur Sache.)
ADHEMAR: In meinem Briefe hatt ich recht eindringlich um ein Gespräch mit Eurer Mutter persönlich gebeten, wenn ich mich recht entsinne. Ich denke wir sollten einen Augenblick noch warten, bis sie sich eingefunden hat.
GEISMAR (ruhig, fast zu ruhig, mit sehr freundlichem Unterton): Aber mein geschätzter Adhemar. Ihr wisst doch, dass ohnehin ich es bin, der die grafschaftlichen Geschäfte zum großen Teile leitet. Also, worum geht es?
ADHEMAR (schweigt, geht zu den Instrumenten): Einige hübsche Stücke habt ihr hier...
GEISMAR (langsam ungehalten): Nun sagt recht bald schon worum es geht. Ansonsten kann ich nicht helfen... - und ihr hättet die lange Reise umsonst gemacht.
ADHEMAR: Dann wird dem wohl so sein. (wendet sich zum gehen).
(Die Gräfin hat derweil den Raum durch eine Türe im hinteren Teil des Raumes betreten.)
THURONIA: Wartet, Ratsmeister. (zu Geismar) Warum bist du schon hier? Hieß ich dich nicht zu waren, bis ich mich fertig gemacht habe?
GEISMAR: (freundlichst) Aber ich wollte unseren lieben Gast doch nur nicht alleine hier warten lassen.
THURONIA (zu Adhemar): So entschuldigt bitte meine Verspätung. Und sprecht sodann: Was kann ich für euch tun?
ADHEMAR: Für mich wohl nichts, teuerste Gräfin. Für die Reichsstadt Hartsteen hingegen eine ganze Menge.
THURONIA: (wartet auf eine weitere Erklärung)
ADHEMAR (in geschäftlichem Ton): Es ist nun schon einige Götterläufe her, da verspracht ihr der Stadt Hartsteen, den baufälligen Rondratempel zu einem Gotteshaus der von Euch so verehrten jungen Göttin umzugestalten. Nun zu Anfang sah es ja auch ganz gut um diese Angelegenheit bestellt aus. Doch nun... Um es kurz zu machen, der Bau geht nur schleppend voran. Die Handwerker klagen Eure Zahlungen blieben aus, kämen verspätet oder nur in Teilen.
THURONIA: Das ist mir wohl bewusst, werter Stadtmeister. Aber ihr seht gewiss ein, dass die letzten Götterläufe von uns allen einen besonderen Zoll gefordert haben.
GEISMAR (zynisch, mit Blick auf Adhemar): Obschon manche auch am Kriege gut verdient haben, wie man sagt.
ADHEMAR (sich nicht aus der Ruhe bringen lassend, zu Geismar): Habt Ihr erwartet, die fleißigen Handwerker unserer Stadt würden Waffen und Rüstzeug an die durchreisenden Truppen verschenken? (zur Gräfin) Aber Euer Sohn hat ja ganz Recht. Dem Bürgertum geht es so gut wie selten zuvor. Und just aus diesem Grunde bin ich hier. Keinesfalls als Bittsteller, sondern vielmehr als großzügiger Spender. Der Rat der Stadt bietet Euch nämlich an, die restlichen Kosten für den Bau des Tsatempels vorzustrecken.
THURONIA (hebt überrascht eine Augenbraue)
GEISMAR (keineswegs eingeschüchtert sondern Lug und Trug witternd): Und warum sollte der ach so herzensgute Rat der Stadt so etwas wohl tun?
ADHEMAR: Ganz einfach, Junker. Der Bauplatz ist den Bürgern der Stadt ein Dorn im Auge. Im jetzigen Zustande verschandelt er das Bild der Stadt. Nichts Halbes und nichts Ganzes ist er, kein schöner Anblick für durchreisendes Volk und brave Bürger zugleich. Dem Glanz der Stadt nicht angemessen. Erst wenn der Tempel steht, ein Prachtstück für die junge Göttin, wird man gerne wieder die Gassen am Bauplatz entlangschlendern mögen.
GEISMAR: Ha! Das soll...
THURONIA (unterbricht ihren Sohn): Was wäre die Gegenleistung?
ADHEMAR: Keine wirkliche Gegnleistung. Nur eine kleine Sicherheit. Und zwar eine solche, die Euch gleichsam eine fiskalische Last von den Schultern nehmen würde.
THURONIA (nun interessiert): Und zwar?
ADHEMAR: Die alte Grafenburg Natterndorn, die zwischen den Stadtmauern und der Natter liegt. Sie wird von Eurer Familie seit Jahren kaum mehr genutzt, da ihr hier auf Gräflich Feidewald lebt und gerecht über die Grafschaft gebietet. Doch auch Burg Natterdorn verfällt zusehends, obschon eure dort verbliebene Dienerschaft dort alles nach dem Rechten zu erhalten sucht. Aber seien wir ehrlich, Gräfin. Selbst Euer Sohn hier residiert in Eurer Stadtvilla, wenn er sich in Hartsteen aufhält, ebenso wie Eure anderen Kinder. Das Angebot der Stadt ist also folgendes: Ihr verpfändet der Stadt Burg Natterdorn, dafür streckt der Rat Euch das Geld zum Bau des Tsatempels vor. Habt ihr diese Summe irgendwann dem Rat zurückgezahlt, geht ihr Burg Natterdorn wieder in gräflichen Besitz zurück.
(Thuronia wirkt erfreut überrascht, Geismar setzt eine ungläubige Mine auf, Adhemar lächelt, wie jemand, der weiß, das er einen Fisch an der Angel hat. Die Kamera blendet aus.....
.... und über zu einer kleinen Baumgruppe an der zwei Kutschen zum Stehen gekommen sind. Die eine ist jene vom Burghof, die andere trägt das Wappen der Familie Hartsteen auf den Türen. Beide Kutschen stehen so nebeneinander, dass ein Gespräch durch die Fenster der Türen möglich ist. Wir sehen eine unkenntliche Gestalt im Schatten der Harsteenschen Kutsche, während der Ratsmeister sich aus seinem Gefährt herauslehnt und seiner Zufriedenheit Ausdruck verleiht.)
ADHEMAR: Wohlan! Es ist alles geregelt...
-FINIS-