Geschichten:Im Sturm - Vom Ende aller Pläne

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Marktplatz Natzungens, kurz nach Mittag des 04. Travia 1030 BF


Bodebert hieb mit seinem Streitkolben auf einen der feindlichen Soldaten ein. Dieser brach zusammen und griff im Fallen in die Zügel Bodeberts. Bodebert wich der Bewegung des Soldaten aus, in dem er sein Pferd steigen ließ. Urplötzlich bohrte sich ein Bolzen in den Hals seines Pferdes. ’Ein Schütze’ schoss es Bodebert durch den Kopf. Doch war er viel zu sehr damit beschäftigt, sein Pferd unter Kontrolle zu halten, als dass er den Standort des Schützen ermitteln konnte.

Hadrumir kämpfte sich entschlossen durch die Reihen der Soldaten. Nach rechts und links teilte er Hiebe aus und versuchte im Kampfgetümmel den Überblick zu behalten, was ihm nicht gelang. Viel zu verworren ging es auf dem Marktplatz zu.

Elgor Karstrand fluchte. ’Warum muss dieser blöde Gaul genau jetzt aufsteigen?’ Mit zitternden Händen begann er, seine Waffe erneut zu laden.

Bodebert war mittlerweile von seinem Pferd abgesprungen. „Drecksgaul!“ schimpfte er auf das Tier. Im Kampfgetümmel war es für ihn nicht möglich, eine Übersicht zu behalten. Neben ihm kämpfte der Blumenauer zusammen mit Calmira von Weisenstein gegen die Feinde. Bodebert packte seinen Streitkolben fester und drosch ihm einer heranstürmenden Soldatin ins Gesicht. Die Soldatin klappte direkt zusammen. Bodebert blickte sich um. Und sah den blauen Wappenrock der Natzungerin mit den Schwänen und dem Schwert in Weiss. „Blumenau! Weisenstein! Da vorne ist die Natzungerin! Ergreift sie!“

Tanira zog ihr Schwert aus einem gefallenen Gegner. Ihre Männer waren immer mehr in Rückzugsgefechte verwickelt. An ihrer Seite hatte sie sich immer mehr auf die Barrikaden zudrängen lassen. Jetzt bemerkte sie die zwei Gestalten, welche sich zielstrebig auf sie zu bewegten. Sie konnte die Wappen Blumenaus und Weisensteins erkennen. Grimmig packte sie ihr Schwert fester. Die beiden näherten sich weiter. Rechts musste sie abwehren, links musste sie abwehren. Die Hiebe folgten in immer schnellerer Abfolge. Sie wehrte sich mit einer Entschlossenheit, die sie in dieser Form noch nicht von sich gekannt hatte. Doch selbst zum Angriff übergehen konnte sie nicht. Zu scharf, zu schnell folgten die Hiebe ihrer Gegner. In diesem Moment sprang Brodrik von Greyfentrutz heran.

Elgor war mit seinem Ladevorgang endlich fertig und versuchte sich einen Überblick über den Marktplatz zu verschaffen. Er konnte den hünenhaften Kommandanten erblicken, ebenso sah er die Windischgrützer. Von allen Seiten des Marktplatzes wurden mittlerweile die Feinde beschossen. Korporal Bellenhofer hatte mit den Pikenieren Stellung bezogen. Innerlich frohlockte Elgor. ’Der Plan des Kommandanten geht auf. Der Grützer glaubt immer noch, dass er gewinnen kann, dabei sitzt er in der Falle.'’ Er legte erneut auf den Grützer an, als er bemerkte, wie die Baronin mit dem Greyfentrutzer gegen einen Weisensteiner und einen Blumenauer kämpfte. Elgor fluchte und riss die Waffe herum.

Tanira war ermüdet. Die Bewegung im ihr ungewohnten Kettenhemd forderte ihren Tribut. Müde wischte sie den Hieb des Blumenauers beiseite und holte zum Schlag aus. Sie traf ihn am Schildarm, zum wiederholten Male, aber dieser Kerl zeigte keine Reaktion. Neben ihr schlug der Greyfentrutzer zu Boden und die Weisensteinerin näherte sich von ihrer ungedeckten rechten Seite. Tanira hatte keine Möglichkeit den Hieb zu parieren. Knirschend platzten unter dem Schwert die Ringe ihres Kettenhemdes und tief schnitt es in ihre Seite. Tanira stöhnte vor Schmerz auf. ’Ich werde nicht aufgeben! Eher sterbe ich! Herrin, gib mir Kraft!’ flehte sie innerlich und holte zum Gegenschlag aus. Sie traf ihre Gegnerin am Bein und diese ging zu Boden. Erst als sie fiel, bemerkte Tanira den Bolzen, welcher der Weisensteinerin genau zwischen den Schulterblättern steckte. 'Die war nicht dein Verdienst’ dachte sie und wehrte einen scharf geschlagenen Hieb des Blumenauers ab. Zwei-, dreimal klirrten ihre Schwerter aufeinander. Dann traf Tanira mit letzter Kraft einen waagerecht durchgezogenen Hieb über die Brust des Blumenauers, doch kraftlos schrammte das Schwert über dessen Rüstung. Seine Replik fuhr Tanira über den Oberarm, doch irgendwie hatte sie sich zu weit in den Gegner hereingedreht und stürzte so beim Treffer ihres Gegners.

Tanira blickte auf und sah ein hämisches Grinsen auf dem Gesicht des Blumenauers: „Ich werde dir Schlampe nun den Garaus machen. Es gibt nur noch wenige Zeugen!“ Dann holte er aus.

„NEEEEIIIIIIIIINN!“ Hadrumir sprang die letzten Meter und landete seitlich des Blumenauers. Klirrend prallten das Schwert des Blumenauers und Hadrumirs zur Parade erhobener Anderthalbhänder aufeinander. Hadrumir sprang auf und holte in weiten Achten aus. Der Blumenauer war von der Wucht des Gegenangriffs überrascht und wich vor den Angriffen zurück. Hadrumir setzte sofort nach und ließ seinen Kontrahenten nicht zur Ruhe kommen.

Tanira blickte ungläubig auf das Geschehen, aber das Wappen auf dem Wappenrock war eindeutig gewesen: silberne Schwingen auf Blau! Hadrumir! Er trieb den Blumenauer weiter voran und setzte diesem arg zu. Tanira rappelte sich auf und schaute sich um.

Hadrumir hieb mit Entschlossenheit auf seinen Gegner ein. Mit einer Finte auf seinen Schwertarm trieb er ihn in arge Bedrängnis. Er sah deutlich, dass das Kettenhemd seines Gegenübers zersprengt war und Blut tropfte vom Arm herab. Hadrumir ließ erneut eine Finte folgen. Diesmal täuschte er einen Hieb auf den Schwertarm an, drehte sich in den Gegner hinein und trieb die Klinge tief in die Hüfte seines Gegners. Diesem fiel keuchend das Schwert aus der Hand und Hadrumir bemerkte, dass sein Gegner besiegt war.

Leise sprach Hadrumir: „Hat man Dir denn kein Benehmen beigebracht? Man bezeichnet doch nicht einfach eine Baronin als Schlampe.“

Sein Gegner brach zusammen. Hadrumir drehte sich um und blickte Tanira an: „Heutzutage mangelt es eindeutig an gutem Benehmen!“

Tanira blickte ihn mit sonderbarem Blick an.

„Als ich Dir von Feigheit und Mut erzählt habe, hatte ich nicht gemeint, dass du mir beweisen musst, wie mutig du bist! Das war nicht mutig, sondern töricht!“

Tanira wirkte immer noch verstört „Ich hörte, du wärst gefallen.“ versuchte sie sich schwach zu verteidigen.

Hadrumir packte sie und brachte sie zur Barrikade. „Klettere darüber und zieh dich in die Oberstadt zurück! Ich kümmere mich hierum!“


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Odilbert wirkte abgehetzt. „Vetter, wir sind eingekesselt!“

Bodebert schaute sich um und bemerkte das Chaos, in welches er geraten war. Er sprach leise: „Was rätst du mir?“

„Wir müssen hier weg! Lass uns den Durchbruch mit den verbliebenden Männer wagen!“

Bodebert wirkte apathisch. „Wie?“

Odilbert schlug ihm die Faust ins Gesicht.

„Komm zu Dir! Die Schlacht ist so gut wie verloren! Wir müssen weg!“

„Ja, in Ordnung“, vernahm Odilbert die schwache Stimme seines Vetters. Und so packte er ihn.


Stadt Natzungen, Nachmittag des 04. Travia 1030 BF


Elgor Karstrand hatte von seinem Beobachtungsposten mitangesehen, wie sich die Truppen des Grützers an den Pikenieren Korporal Bellenhofers die Zähne ausgebissen hatten. Schließlich hatte dieser den Rückzug befohlen und die Grützer passieren lassen. Zu stark war der Ansturm gewesen. Von den Pikenieren hatte nur die Hälfte überlebt, die andere war schwer verwundet, aber ansonsten hatten sich die Orbetreuer Schwingen im Kampf bewährt. Von seinen Schützen fehlten drei Leute. Schlimmer waren die Verluste bei den Natzunger Bürgern. Und doch: Der Plan des Kommandanten war nicht aufgegangen. Eigentlich hätte man den Gegner hier wie eine Fliege zerquetschen wollen, stattdessen hatten sie sich selbst ebenfalls eine blutige Nase geholt.

„Wir konnten die Stadt nicht einnehmen! Jetzt haben wir ein Problem!“ sprach Odilbert das aus, was alle Anwesenden dachten.

Bodebert wirkte immer noch resigniert. „Was denn?“

Odilbert schaute ihm in die Augen. „Wir haben nicht genug Truppen, um Natzungen zu nehmen! Und die Truppen, die wir haben, können wir kaum versorgen.“

Bodebert stierte immer noch vor sich hin.

Odilbert schrie ihn an: „Bodebert, Euer Hochgeboren, reißt Euch zusammen!“

Bodebert straffte sich. Mit fester und klarer Stimme sprach er: „Was raten mir meine Berater?“

Odilbert schaute ihn ernst an. „Sofortiger Rückzug nach Wolfskull oder Lewfist! Reorganisation und Sicherung des Hinterlandes!“

Bodebert nickte müde. „Macht es so!“ Sein Blick schweifte auf Natzungen – seine Stadt. Leise sprach er: „Tanira von Natzungen, diesen Tag wirst du noch bereuen!“


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Leomar von Gerstungen legte gerade eine Pause ein, bei der Auflistung der Toten, als ihn Hadrumir unterbrach. „Wisst Ihr, Gerstungen, es waren alles ehrenwerte Männer und Frauen! Ihr Tod dauert mich, aber Euer Geseier kann ich keinen Moment länger ertragen!“ Er wandte sich an die Baronin. „Ihr entschuldigt mich? Ich habe einen Onkel zu begraben!“ Tanira nickte ihm zu. Sie bedeutete dem Gerstunger fortzufahren. Ihr Blick schweifte durch ein Fenster auf das Heerlager des Grützers. ’Bodebert von Windischgrütz, mit diesem Tag habt Ihr Euer Todesurteil unterschrieben’ dachte sie bei sich.