Geschichten:Grauen am Darpat - Im Schatten der Nacht

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Dramatis Personae

Im Schatten der Nacht

Thronsaal Burg Gnitzenkuhl – Ingerimm 1032 BF

Verdrossene Gesichter

Erneut fragte sich der Leutnant, warum wohl die Baronin diesen Rat zusammengerufen hatte, wenn sie der Rat, der ihr erteilt wurde nicht im Geringsten interessierte. Die Zeit hätte man auch anderweitig besser verbringen können – man war wieder am Anfang. Alfred stand auf, schritt auf Leomara zu und meinte zu ihr, „Ich unterstütze Euren Vorschlag durchaus Leomara – nicht dass Ihr mich missversteht. Mir war es einzig und allein daran gelegen eine gemeinsame Stoßrichtung zu definieren – doch dieses Unterfangen, so deucht es mir, scheint gründlich daneben gegangen zu sein. Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln.“

„Habt dank für eure tröstlichen Worte. Allein denke ich mir, dass wir bislang zu wenig wissen, um alle gemeinsam agieren zu können. Auch bin ich mir ob der Spurenlage nicht sicher, ob es überhaupt vonnöten wäre oder ob es sich eher um ein kleines Tier handelt. Sicher geziemt es sich mir nicht die getroffene Entscheidung meiner Baronin anzuzweifeln. Einzig die Tatsache, dass nun etwas passiert, und die Bevölkerung unten den Eindruck bekommt wir unternehmen etwas versöhnt mich mit der eingeschlagenen Richtung. Unsere Wachen und Büttel mussten sich schon verschiedene Schmähungen anhören, sogar die faulen Früchte vom Markttag hat ein allzu vorlautes Weib unserem Wachhabenden hinterher geworfen.“

Sie schüttelte erbost den Kopf und warf dem nebachotischen Junker wütende Blicke zu. Er reizte sie beständig, sodass sie ihm bei Gelegenheit sicher nicht mehr ausweichen würde. „Soweit ich weiß, hatten der Vogt und die Baronin zuerst andere Pläne, und wenn mich nicht alles täuscht werden diese bereits in die Tat umgesetzt, auch wenn darüber hier kein Wort verloren wurde. Ich rechne damit, dass in den nächsten Tagen Boten hier eintreffen von den umliegenden Baronien, sodass unseren weiteren Plänen vermutlich nichts mehr im Wege stehen wird.“ Hintergründig lächelnd wies sie in Richtung ihres Vaters, der sich leicht amüsiert ansah, wie Geshla gerade dabei war den Kapitän zu überreden noch von dem Gebäck zu kosten.

Alfred nickte Leomara zu und meinte abschließend, „Entschuldigt mich nun, ich werde einmal nach Unswin sehen. „Oh…! Ja, dann wünscht ihm eine geruhsame Nacht auch von mir und seid nicht so streng mit ihm, der Ton war nicht angemessen, der da für diesen Tadel gewählt wurde. Ich für meinen Teil fand seine Anmerkungen durchaus wichtig und erwähnenswert.“ Leomara deutete ein Nicken an, und ging ihrerseits nun zu Selinde um zu erfahren, wo die junge Baroness ihren Platz am morgigen Tage sah. Danach würde sie Unswin in seiner Kammer aufsuchen. Es reichte ja schließlich, wenn einem der Kopf gewaschen wurde. Der Magen musste ja nicht noch zusätzlich knurren. Zumal sie auch noch einen gesunden Hunger hatte. War Fisch doch das einzige was Leomara nicht gerne aß. Während sich der Ritter des Zornesordens entfernte ging sie auf eine weitere Person der Gäste zu.

„Selinde auf ein Wort.“ Die Ausführungen der Baronin hatten Selinde für eine ganze Weile schlichtweg die Sprache verschlagen. Nach deren Worten fragte sie sich, was sie hier eigentlich machte und ob man hierzulande keine anderen Sorgen hatte, als Wein und Honiggebäck. Gerne hätte sie der Herrin dieser Baronie ein paar Takte zu ihren Verhalten gesagt, doch konnte sie sich vernünftigerweise beherrschen und so einen Eklat vermeiden. Es war ja auch so schon genug Porzellan zerschlagen worden. Jäh wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als sie von Leomara angesprochen wurde. Ihre Miene hellte sich sofort ein wenig auf; diese pragmatische und zupackende Frau war ganz nach ihrem Geschmack, ganz das Gegenteil von ihrer Lehnsherrin!

„Ah, Leomara! Was kann ich für Euch tun?“ „Mich würde interessieren wo ihr euren Platz einzunehmen gedenkt, wenn wir uns morgen auf die Lauer legen? Ich…ich habe gewisse Probleme mich in der Nähe dieses Nebachoten aufzuhalten. Es kommt mir vor, als ob er es nur darauf anlegen würde mich zu reizen. Um des lieben Friedens Willen sollte ich mich solange er Gast ist zusammenreißen. Ganz davon zu schweigen, was mein Vater der Vogt oder die Baronin davon halten würden, wenn mal wieder mein Temperament mit mir durchgeht.“ Unauffällig drehte sie sich in Richtung des Kelstenteiner Junkers, der auch prompt ihren Blick erwiderte. Schnaubend drehte sie sich wieder zu Selinde um. „Ihr versteht was ich meine?“

„Oh, das tue ich durchaus!“, antwortete Selinde nach einem kurzen Blick auf den Junker leicht genervt. „So langsam verstehe auch ich meines Herrn Vaters Abneigung gegen diese Nebachoten. Wenn es Euch Recht ist, würde ich mich morgen zu Euch gesellen, wenn wir uns erneut auf die Jagd begeben. Ansonsten noch ein gut gemeinter Rat: Versucht diese nebachotische Nervensäge – so schwer es auch fallen mag – einfach zu ignorieren. Das schont Eure Nerven und bringt“, hier musste die Baronesse grinsen, „ihn zudem nur noch mehr in Rage.“ „Ich weiß, dass ihr recht habt, doch ich denke für heute ist das zuviel für mich. Ich hoffe ihr werdet mich nun entschuldigen? Ich denke mein Tag war einfach zu lang.“ Nach einer kurzen allgemeinen Verabschiedung brach Leomara auf, um nach Hause zu reiten. Zumindest war es das, was sie der versammelten Schar noch mitteilte, bevor sie ging.

***

Derweil versuchte Hakon von Sturmfels der Höflichkeit genüge zu tun und sich zugleich der in seinen Augen doch aufdringlichen Baronin zu erwehren. So nahm er noch etwas von dem gebotenen Gebäck, das in der Tat von erlesener Qualität war, und lobte seine Gastgeberin für ihren Geschmack. In einem Stundemaß würde er sich jedoch verabschieden und sein Schiff aufsuchen. Es gab noch genug zu besprechen, außerdem konnte er es kaum erwarten, diesen komischen Hof hinter sich zu lassen. Die Baronin erwies sich als interessierte Zuhörerin was die Fähigkeiten seines Schiffes, seiner Mannschaft und natürlich auch seiner eigenen Person anging. Besonders begeistern konnte sie sich für Erzählungen die um Kämpfe mit Geschöpfen aus der blutigen See handelten. Sie verstand es auch den Geweihten Taseco mit in das Gespräch mit einzubeziehen, und erzählte ihm, dass sie hier in Gnitzenkuhl einen Tempel hatten, der aber nie geweiht worden war, sondern lediglich die Funktion eines Schreines erfüllt. Wandernde Geweihte würden hier gerne einkehren und ein wenig ihrer Zeit den Nöten und Sorgen der Efferdgläubigen Gnitzenkuhls widmen. „Was werdet ihr tun, wenn ihr das Untier mittels eurer Fallen gefasst und erlegt habt Kapitän?“

„Nun, nach einer weiteren Kontrollfahrt werden wir unseren Heimathafen anlaufen. Die ‚Admiral Dozman’ bedarf einiger Ausbesserungen, außerdem ist zu vermeiden, während der verfluchten Tage zwischen Rahja und Praiosmond unterwegs zu sein.“ Zustimmend pflichtete sie dem Kapitän in seiner Einschätzung der namenlosen Tage bei, und winkte nun auch Selinde näher zu ihrer Runde heran und bezog auch sie ins Gespräch mit ein. Doch es war schnell klar, dass die junge Frau wenig Interesse an oberflächlichen Gesprächen hatte.

Das Gespräch zwischen den noch anwesenden Gästen drohte allmählich ins Stocken zu geraten. Hakon von Sturmfels schien schon der rechte Moment gekommen, um sich wieder auf das Schiff zu begeben. Leomara von Isenbrunn und Unswin der Edelknappe waren schon länger nicht mehr anwesend, sodass das untere Tischende völlig verwaist war. Der Junker von Kelsenstein hatte sich nämlich auch schon entschuldigt. Umso überraschender war es, als die Ritterin von Isenbrunn erneut den Thronsaal betrat. Man musste kein Freund ihrer Person sein um zu erkennen, dass etwas vorgefallen sein musste. Die Baronin folgte ihr jedoch nicht sogleich nach draußen, sondern separierte sich etwas von den übrigen Gästen. Hektisch und aufgeregt schilderte ihr die junge Frau etwas, was Geshla zunächst nur leise kommentierte, dann aber laut ausstieß: „Sicher, ihr tatet recht daran ihn zu fordern. Morgen zur Praiosstunde? Ich werde zugegen sein.“ Befehlsgewohnt senkte Leomara das Haupt, und zog sich erneut zurück. Einen Moment lang blieb die Baronin von Gnitzenkuhl noch mit ihrem Vogt beisammen stehen, bevor sie sich wieder ihren Gästen zuwandte.

„Hochgeboren, mir scheint der rechte Moment gekommen sich zu verabschieden“, wandte sich der Sturmfelser direkt der Baronin zu. „Es gilt noch einiges für den morgigen Tag vorzubereiten.“ Er verbeugte sich in Richtung seiner Gastgeberin und der übrigen Anwesenden. „In Travias Namen, habt Dank für Eure Gastfreundschaft.“ Auf die Sache mit der Ritterin wollte er nicht weiter eingehen. Er konnte sich schon denken, was wohl passiert war.

Nachdem sich schon eine Reihe von Gästen verabschiedet hatte, sah auch Selinde keinen Grund mehr, länger im Saal zu verweilen, zumal ihr das jüngst von der Baronin erwähnte Duell zwischen Leomara und dem Kelsensteiner endgültig den Aufenthalt hier verleidet hatte. Die Baronesse erhob sich, nickte der Gastgeberin kurz zu und sprach: „Auch ich werde mich nun empfehlen; Morgen steht uns allen ein langer und arbeitsreicher Tag bevor, den ich gerne ausgeruht begänne. Für Eure traviagefällige Gastung seid bedankt.“ Die Edeldame hatte fast schon die Tür erreicht, als sie stehenblieb, sich noch einmal zur Baronin umdrehte und hinzufügte: „Ich hätte es begrüßt, wenn Ihr dieses dumme Duell zwischen diesem nebachotischen Heißsporn und Eurer Rittsfrau untersagt hättet. Dieser Zweikampf ist nicht nur unnötig sondern in Anbetracht unserer Lage eine echte Torheit. Ihr hättet besser daran getan, diesen frechen Nebachoten einfach hinauszuwerfen.“ Nach einer kleinen Kunstpause fuhr sie mit einem zuckersüßen Lächeln fort: „Aber das alles liegt selbstverständlich ganz allein in Eurem Ermessen, Ihr werdet gewißlich wissen, was ihr tut.“ Ohne die Antwort Geshlas abzuwarten, drehte sich Selinde um und verließ den Saal.

Überrascht, aber dennoch nicht wirklich erschüttert, nahm Geshla diesen neuerlichen Ausbruch weiblichen Temperamentes zur Kenntnis. Sie würde ihre alte Amme fragen, ob es an den Sternen liegen könnte, dass derzeit das rechte Maß an Selbstbeherrschung und Disziplin um sie herum fehlte. Einzig ihr verlässlicher Vogt war zuverlässig wie immer. Dankbar lächelte sie ihm zu, und verabschiedete sich von ihm. „Ihr gebt bitte der Dienerschaft bescheid, wann die Herrschaften geweckt werden wollen, und Leomara soll bitte noch zu mir kommen.“ Roderick von Isenbrunn nickte lächelnd: „Sicher Baronin, ich werde es ihr ausrichten lassen.“

***

Burgerkundungen

Marnion zog sich zurück, als die Baronin Geshla begann ihr weiteres Zerstreuungsprogramm für den Abend in die Tat um zu setzen. Immerhin hatte sie einen Beschluss gefasst, sie war also nicht völlig unfähig, gleich ob dieser taktischen Erwägungen oder der Vorliebe für diesen Kapitän geschuldet war. Als er zu seinem Zimmer schlenderte traf er auf dem Flur Leomara, die Ritterin der Baronin. Die schien schon aus ganz anderem Holz geschnitzt zu sein als ihre intrigante Herrin. Solche Frauen mochte er, kämpferisch und unbeherrscht gerade heraus, wie eine brüllende Leuin. Er konnte sich nicht verkneifen seine Einschätzung zu erproben und sprach sie, ihre bösen Blick ignorierend, an. „Euer Wohlgeboren von Isenbrunn ist wohl auf dem Weg zu Ihrem Nachtisch? Der Knappe ist ja etwas vorlaut, da bleibt es zu hoffen dass er andere Qualitäten besitzt. Ich fürchte ja, dass Ihr ihm in der Küche noch etwas zur Hand gehen müsst, damit Ihr am Ende eine auch für Euch befriedigende Mahlzeit bekommt."

Einen Augenblick lang hatte er den Eindruck die Frau hätte ihn nicht verstanden. Doch dann stemmte sie ihre Hände in die Hüften und kam langsam auf ihn zu bis sie nur noch wenige Finger von ihm entfernt war, und starrte ihm unverwandt ins Gesicht. Ihre Wangen waren rot vor unterdrücktem Zorn und ihre Augen sprühten fast vor Wut. Er konnte einen leicht blumigen Duft wahrnehmen, der von ihr ausging. Einige Haare waren schon aus dem Haarnetz gerutscht und so aus direkter Nähe betrachtet sah sie auch reichlich müde aus. „Ich vernasche am liebsten vorlaute nebachotische Krieger, die nicht wissen, wo ihre Grenzen sind. Wenn eure Mutter euch nicht lehren konnte was es heißt bei jemandem zu Gast zu sein, kann ich euch gerne eine Lektion erteilen. Da ich mich allerdings nicht in der Position sehe euch Manieren beizubringen lasst uns diesen kleinen Disput doch mit den Waffen aushandeln. Gewinne ich, entschuldigt ihr euch in aller Form bei den Anwesenden für euer Betragen am Tisch. Gewinnt ihr, werde ich…ja was schlagt ihr vor?“

Wie Wellen brandete Leomaras Präsenz auf Marnion ein. Pochend geriet sein Blut in Wallung. Die Welt um ihn herum trat in den Hintergrund, er sah ihr tief in die Augen. Er erblickte Einfachheit, Ehrlichkeit, und wildes leidenschaftliches Leben. Diese Frau erwärmte sein Herz ohne jeden Zweifel. Marnion trat seinerseits noch eine Winzigkeit näher an Leomara heran, so dass sich ihre Nasen fast berührten, ihr blumiger Duft und ihre Wärme waren nun allgegenwärtig. „Euer Wohlgeboren, ich nehme Eure Forderung an. Lasst uns in Rüstung mit Schwert und Schild kämpfen. Wenn es Euch recht ist morgen zur Praiosstunde, dann haben wir Zeit uns vor dem Kampf noch etwas auszuruhen. Da ihr gerne nascht, sollt ihr wenn ich gewinne mit mir nach Art meiner Sippe abends speisen. Gerne werde ich Euch dabei eine Lektion in nebachotischer Kultur erteilen." Damit trat der Nebachote zurück und verbeugte sich. ,,Wir wollen Rondra ein Opfer bringen in Ehre."

Sie hatte keine Miene verzogen, als er ihr noch näher gekommen war. Hitzig und stur hielt sie diesem Augenduell stand, nachdem er allerdings den Kampf bestätigt und seine Forderung gestellt hatte, trat sie fast zischend einen Schritt zurück. Ihre Hand glitt dabei fast automatisch zu ihrer Waffe. „Ich hoffe die Leuin ist mir hold und ihr werdet wie euer gesamtes Volk in seine Schranken verwiesen. Doch will ich anmerken, dass morgen wohl kaum der rechte Zeitpunkt sein wird meine Schuld einzulösen, so sie fällig wird. Ich würde vorschlagen, so ich unterliege, bringen wir das hinter uns, wenn die Nächte der Jagd vorüber sind.“

„So soll es sein! Bei uns in den Bergen kämpft man, bis einer aufgibt oder kampfunfähig ist. Doch da ich Euer Gast bin, will ich mich gerne in Euere Sitte fügen, sollten Rondra und Kor hierzulande weniger Freude an unserem Opfer haben." Er hatte seine Hand nun auch an seiner Waffe liegen. Ihr Zorn war so offensichtlich, das sie versucht schien, nicht auf den nächsten Tag zu warten um Genugtun zu bekommen. War er zu weit gegangen? Die Götter sollten es morgen entscheiden.

„Gut, ich denke bis zum ersten Blut sollte mir morgen reichen, wir haben schließlich noch etwas zu erledigen, auch wenn das dem ein oder anderen hier scheinbar nicht ganz gegenwärtig zu sein scheint.“ Sie maß ihn mit abschätzigem Blick und ihre Augen blieben an seiner Hand hängen, die nun auch auf seiner Waffe ruhte. „Gut, ich sehe ihr unterschätzt mich nicht, das ist nur ratsam. Ich werde später noch zu Hochwürden Darios gehen, er soll über das morgige Geschehen wachen.“ Sie nickte ihm kurz zu, drehte sich um, und verschwand eiligen Schrittes in Richtung der Gesinderäume. Je schneller sie hier weg kam, desto besser war es- für alle.

***

Wütend war Unswin durch die Flure der Burg gestapft. Den verdutzten Hausdiener der vor der Tür des Beratungszimmers wartete, hatte er nicht eine Sekunde lang beachtet sondern hatte sich war auf gut Glück seinen eigenen Weg zurück zu seiner Kammer gesucht. Dort war er allerdings nicht angekommen sondern schließlich auf den Zinnen der Burg gelandet. Der frische Nachtwind zog den Darpat hinauf und zauste ganz ordentlich an seinen Haaren. Trotzdem hielt er es hier nun schon eine ganze Weile aus, derweil die Beratung ihren Gang genommen hatte. Der Blick auf den Fluss und das Dorf war selbst bei Nacht recht beeindruckend. Allerdings hatte er den Eindruck, dass dort unten ungewöhnlich viele Lichter für ein Dorf dieser Größe brannten. Wenn man aber bedachte mit welchem Schrecken die Menschen zurzeit leben mussten dann war es schon wieder verständlich, dass sie die Dunkelheit selbst in der Nacht zu vertreiben suchten. Hier oben über der Stadt war Unswins erste Wut recht schnell verraucht, doch hatte ihn inzwischen ein neuer Zorn gepackt, nämlich der über sich selbst. Ohne Frage hatte er sich einmal mehr nicht im Griff gehabt. Sein Herr Alfred hatte das während der gemeinsamen Übungen oft genug bemängelt. Doch es wollte Unswin einfach nicht gelingen sich über längere Zeit im Zaum zu halten. Er würde sich wohl später wieder einiges anhören müssen. Kraftvoll und noch immer voller Wut schlug er seine Faust auf den Stein der Zinne an der er stand. Der Schmerz stach bis in den Arm hinein, ließ ihn zusammenzucken und wieder völlig zur Besinnung kommen. Er schloss die Augen und mit einigen tiefen Atemzügen verdrängte Unswin Schmerz und Wut. Als er die Augen wieder auftat sah er, dass er sich die Fingerknöchel aufgeschlagen hatte und die Zinnen an der er stand nun einige dunkle Flecken aufwies. Mit einem grimmigen Lächeln drehte er sich um, ließ sich mit dem Rücken gegen den noch immer Praioswärme abstrahlenden Stein sinken und schaute über den Burghof hinweg in die Nacht. Nach einer Weile bemerkte Unswin, dass die ersten Sterne aufzogen. Mit schlechtem Gewissen rappelte er sich auf und verließ die Mauern. Den erstbesten Diener den er traf fragte er nach den Gästequartieren und nur wenige Schritte weiter befand er sich endlich in einem Korridor der ihm bekannt vorkam. Eilig begab er sich zu seiner Kammer und war sehr erleichtert als er feststellte, dass sein Herr Alfred noch nicht vor ihm hier gewesen war. Anscheinend hatte sich die Besprechung doch länger hingezogen als er angenommen hatte.

Unswin hatte noch gar nicht so recht angefangen, als sich die Tür öffnete und Alfred Beradje herein trat und ihm mit einem knappen „Aufstehen und Haltung annehmen!“ begrüßte.

Anschließend setzte er sich relativ gemütlich auf einen Stuhl, legte das Schwert ab und betrachtete das Minenspiel seines Edelknappen.

Dann schließlich, Unswin mochte den Eindruck gewonnen haben, es war unendlich viel Zeit verstrichen sagte Alfred ruhig und sachlich: "Du hast nicht nur der gesamten Gesellschaft, die dort versammelt war deine Geringschätzung ausgedrückt indem Du die Versammlung aus dem Grund einer Kritik verlassen hast, Unswin. Nein, der Herr hielt es auch noch für nötig, allen Anwesenden die Geringschätzung der Baronin dadurch auszudrücken, indem Du ihre Ritterin in der Etikette höher wertschätzt als sie selbst. Unswin, dies ist inakzeptabel für einen Ritter und für einen Streiter der Herrin Rondra sowieso!“ Alfred stand nun wieder auf und fixierte Unswin mit seinem Blick, „dass Du nebenbei noch wie ein balzender Pfau Ritterin Leomara mit Deiner Herzlichkeit bedenkst und ihr nebenbei noch kulinarische Gemeinsamkeiten entdeckt lasse ich einmal komplett außen vor!“

Nun ging Alfred einige Schritte hin und her, „Was soll ich nur mit Dir machen, Unswin? Du bist ein Edelknappe. Der Titel ist Bürde und Stolz zugleich, denn er soll verdeutlichen, dass Du über den Status eines Knappen schon längst herausgewachsen bist. Wir müssen hier eine Einheit repräsentieren Unswin und disziplinarische Dinge gehören hier nicht her. Daher, Unswin wird Dein Verhalten keine unmittelbare Maßnahme nach sich ziehen. Du erhältst von mir die Aufgabe in Dich zu gehen und die Hälfte der heutigen Nacht in Gebeten an die Herrin Rondra zu verbringen. Am morgigen Tage wirst Du mir einen Vorschlag unterbreiten, wie Du Dein nicht akzeptables Verhalten sühnen wirst.“

Alfred blickte Unswin hat, der noch immer Haltung bewahren musste, was ihm anscheinend zunehmend schwer fiel, „Was Du die andere Hälfte der Nacht machen wirst, ist Deine Sache. Vielleicht etwas zu Essen und Gesellschaft finden, die Dir nicht die Luftwege abschnürt? So“, der Leutnant lächelte etwas, „und nun nichts wie raus hier! Ich muss auch nachdenken über diese ganze illustre Gesellschaft von heute Abend!“

Rasch verließ er die enge Kammer des Edelknappen, der erleichtert aufatmete sobald sich die Tür hinter Alfred geschlossen hatte. Dafür, dass Unswin sich so deutlich daneben benommen hatte, war er recht glimpflich davon gekommen. Trotzdem musste er sich kurz setzen, da er eine gewisse Schwäche in den Knien verspürte. Kaum war wieder Stille eingekehrt klopfte es zaghaft an seine Tür. Erst nach seinem deutlichen „Herein“ trat überraschender Weise der ältliche Haushofmeister der Baronin ein. Schnell stand der Knappe auf.

„Wenn ihr mir vielleicht folgen wollt? Ritterin Leomara sagte, ihr wolltet euch noch etwas stärken?“ Reichlich verwirrt, folgte ihm der Edelknappe durch verworrene Dienstbotenwege, die schmalen Stiegen in die Küche hinab. Dort waren nur noch einige Mägde und die Köchin damit beschäftigt die Reste des Festmahls sorgfältig zu verwahren und Töpfe und irdenes Geschirr zu säubern. Als er eintrat wurde das Geschnatter der Frauen kurz leiser. Barsch und für Leomara ganz untypisch herrschte sie die Frauen an. „Das ist Unswin, das wisst ihr doch. Macht euch wieder an eure Arbeit.“ Leomara, die er doch erst vor weniger als einem Stundenglas dort oben verlassen hatte, sah aus, als ob sie jeden Moment wie ein Berserker durch die Küche zu toben drohte. Ihre Hand lag auf dem Knauf ihres gegürteten Kurzschwertes. Die Wangen waren gerötet, und ihre Augen drückten bloße Wut aus. „Wegen diesem göttinnenverfluchten Eseltreiber und Mulizüchter muss ich mich morgen duellieren!“ Vor Wut hieb sie mit der flachen Hand auf die Tischplatte. „Wie konnte ich mich nur so reizen lassen? Das war mit Sicherheit genau seine Absicht…!“

Unswin war erst einmal einen Moment sprachlos. So in Rage sah Leomara, trotzdem sie noch ihr Abendkleid trug, wirklich Furcht einflößend aus. Offensichtlich war auf der Besprechung mehr vorgefallen als sein Herr ihm gesagt hatte. Die erschreckte Stille mit der die Mägde auf seinen Anblick reagiert hatten, war ihm wegen Leomaras Schimpftirade gänzlich entgangen. „Ich nehme an der so genannte Junker von Kelsenstein hat mit seinen Hetztiraden nicht eher Ruhe gegeben, bis sich ein den Zwölfen gefälliger Streiter fand ihn in die Schranken zu weisen? Ich bedaure, dass ich dies nicht selbst tun konnte. Allein, ich bin kein Ritter und als solches nicht befugt Satisfaktion zu fordern oder zu gewähren.“ Vorsichtig trat Unswin zu Leomara an den Tisch und stellte sich neben sie. „Ich verstehe nur nicht was sich dieser Wilde davon erhofft. Dass er den Göttern nicht sehr nahe steht wissen wir zwar inzwischen, aber trotzdem war ich davon ausgegangen, alle Anwesenden dasselbe Ziel verfolgen, nämlich dieses ominöse Monster zur Strecke zu bringen.“ Mit einem leichten Kopfschütteln vertrieb er einen bösen Gedanken an Verrat. Dem Kelsensteiner war nichts nachzuweisen außer dass es ihm an Respekt vor Praios’ Ordnung mangelte. Ein Vorwurf den sich Unswin in geringerem Maße auch selber machen musste. „Wenn es die Möglichkeit gäbe würde ich mich gerne als Euer Sekundant zur Verfügung stellen. Doch solltet ihr Euch dann jetzt auch ausreichend stärken, damit dieser Wurm das Duell nicht gewinnt, weil Ihr von Hunger geschwächt seid.“ Mit dem Ansatz eines Lächelns deutete er auf die Hocker die am Tisch standen und wartete ob Leomara sich genug beruhigt hatte diesem Wink zu folgen.

Völlig in Gedanken versunken schreckte Leomara wieder aus ihren eigenen Sorgen auf, als Unswin sie sacht an den Hocker schob. Sie lächelte kurz mechanisch, wirkte aber ziemlich schnell wieder abwesend. Die Köchin, der der Inhalt ihrer Unterhaltung kaum entgangen sein konnte, war in eine Kammer geeilt, und Unswin konnte beobachten, wie sie anfing kalten Braten aufzuschneiden, und eine Magd anwies ein Brot zu holen. Auch ein wenig Käse wurde angerichtet. Völlig unvermittelt sprach Leomara wieder.

„Ich verstehe nicht was er damit bezweckt. Erst beleidigt er Baronin Geshla im Beisein meines Vaters als er heute Mittag eintrifft, dann tritt er mit seiner Schilderung des nicht geleisteten Lehenseides die Gebote des Herrn Praios mit Füßen, und dann reizt er mich erst im Thronsaal und schließlich auch noch als wir uns alleine im Gang gegenüberstanden mit Worten so sehr, dass ich meine und… dass ich meine Ehre verteidigen musste.“

Ein kurzer Blick streifte ihn, bevor sie schnell wieder weiter sprach. „Ich dachte er würde einen Rückzieher machen, aber er nahm meine Forderung an. Gewinne ich, muss er sich bei allen für sein schlechtes Benehmen entschuldigen.“ Dankbar nahm sie die hölzernen Bretter von der Magd in Empfang und stellte sie auf die blank geschrubbte Holzplatte. „Setzt euch Unswin, ihr hattet schließlich auch noch nichts rechtes im Bauch. Wie ist es denn euch ergangen?“ Sie schaute ihn nicht an, während sie ihm diese Frage stellte, gleichwohl sie sich direkt gegenüber saßen. Er sollte nicht ahnen, dass Marnions Hetzrede, die sie so aus der Fassung gebracht hatte, auch gegen ihn gegangen war. Der Junker hatte ihm indirekt Dinge unterstellt, die der Edelknappe besser nicht wusste, so er sich nicht noch mehr Schwierigkeiten einhandeln wollte, als er sie eh schon hatte.

Mit einem schweren Seufzer ließ sich auch Unswin nieder und betrachtete die Ritterin, die seinem Blick weiterhin auswich. Er konnte es ihr nicht verübeln, war er doch alles andere als nett anzuschauen. Es gab ihm trotzdem einen kleinen Stich, da er bisher vermutet hatte, dass sie sich weniger als andere daran stören würde. Unbewusst drehte er beim Sprechen das Gesicht so, dass sie nur seine unversehrte rechte Seite sehen konnte. „Wie Ihr Euch sicherlich denken könnt, war mein Herr nicht sehr erfreut über mein Verhalten bei Tisch. Da wir uns auf einer Art Kampfeinsatz befinden wiegt mein Verhalten natürlich umso schwerer. Dennoch hat er darauf verzichtet sofort disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen und mir nur aufgetragen bis morgen im Gebet eine Möglichkeit zu suchen, mit der ich für mein Verhalten gebührend sühnen kann.“ Nachdenklich fuhr er sich mit der Hand über das Kinn. „Um mich müsst Ihr Euch also nicht sorgen. „Was den Wilden angeht, so kann ich in seinem verhalten einfach keine Logik erkennen. Wahrscheinlich liegt es einfach an der unzivilisierten Wildheit dieses Volkes sich ohne Not untereinander zu schwächen. Ihm gehört eine Lektion erteilt, die er nicht vergisst und danach sollte er Ruhe geben. So ungebildet er sein mag, gegen das Monster können wir wahrscheinlich selbst seinen Schwertarm gebrauchen. Ich vertraue darauf, dass Ihr ihm die gebührenden Manieren beibringen werdet.“

Unswins Lächeln war jetzt etwas befangener, wobei er Leomara wieder nicht voll ansah. Unbewusst fing er an mit den Fingern auf der Tischplatte zu trommeln, was die Mägde von ihm unbemerkt plötzlich hektischer werden ließ.

„Ich glaube fest daran. Schließlich ist es nicht mein erstes Gefecht mit einem Nebachoten, die haben irgendwie einen Narren an mir gefressen, scheints! Naja, oder die Art dieser Männer treibt mich in den Wahnsinn. Es wird wohl eine Mischung aus beiden sein.“ Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern, da sie das merkwürdige Verhalten dieser Männer nicht verstehen konnte. „Sollte mein Kampfgeschick nicht ausreichen, wird die Lektion die er mir erteilen will vermutlich weniger demütigend, als das, was ich von ihm verlangt habe, wenn er verliert. Er will mit mir zu Abend essen, so wie es bei ihnen üblich ist…?“ Spöttisch lächelnd wandte sich Leomara wieder dem Edelknappen zu, der scheinbar ziemlich ungeduldig geworden war. „Sicher wird das nicht der schönste Abend, den ich bislang erlebt habe, doch denke ich, wenn er nicht völlig wirres Zeug redet, werde ich das mit Anstand hinter mich bringen können.“ Zwischen zwei Bissen meinte sie dann noch zu ihm: „Ich würde mich freuen, wenn ihr mir bei dem Duell beistehen könntet, doch werde ich dazu erst euren Geweihten befragen. Ich möchte euch nicht weiter in Schwierigkeiten bringen.“ Sie hatte dabei automatisch mit ihrer Rechten seine Finger zum Stillstand gebracht, da dieses Getrommel sie fast wahnsinnig machte. „Ich muss nun zu aller erst noch meiner Baronin von dem Vorfall berichten, bevor ich mich bei Alexis Colon Darios darum bemühe, dass er über den Kampf wacht. Wollt ihr mich begleiten?“

„Äh ja, ja natürlich werde ich Euch begleiten.“ Unswin hatte überhaupt nicht bemerkt, dass auch ihm inzwischen eine Platte mit aufgeschnittenen Braten hingestellt worden war. Obwohl er noch recht hungrig war, machte er für den Moment keine Anstalten sich dem Essen zuzuwenden. Einen Moment sah er zu Leomaras Hand die dafür sorgte, dass er die Finger still hielt, bevor er sich wieder ihr zuwandte. „Die Art und Weise der Nebachoten kann ich ebenfalls nicht verstehen. Auf gewisse Weise erinnern sie mich an Orks, roh und ungebildet. Doch dann wieder geben sie sich ehrverletzt wie ein Horasier. Daraus werde ich nicht schlau.“ Wieder zeigte sich der Ansatz eines Lächelns auf seinem Gesicht, das diesmal jedoch nicht sofort wieder verschwand. „Zumindest kann man ihnen nicht vorwerfen, dass sie einen schlechten Geschmack haben.“ Als hätte er damit zu viel gesagt, zog er seine Hand nun vorsichtig unter der von Leomara hervor.

Leomara nahm dies als Zeichen, dass er nun etwas von den dargebrachten Speisen, essen wollte, und schnitt ihm daher eine Scheibe Brot herunter, derweil sie ebenfalls dafür sorgte, dass ihr der Wein, der scheinbar ihre Sinne so hoch gepeitscht hatte nun mit etwas Essen vermischt wurde. Still und in sich gekehrt kaute sie das einfach Essen und sinnierte darüber, wie sie Geshla am besten vermitteln konnte, warum ihr Temperament so mit ihr durchgegangen war. Eigentlich hatte der Abend doch ganz anders verlaufen sollen. Entspannt und mit jenem ihr noch recht fremden Edelknappen, dessen Schicksalsschlag der zu der Verstümmelung seiner einen Gesichtshälfte geführt hatte, sie so schmerzlich an ihren Mann erinnerte. Sie schaute Unswin mit wieder erwachendem Interesse an, als sie gesättigt war und einen tüchtigen Schluck Wasser genommen hatte. Die Mägde und die Köchin waren mit den schweren Pfannen in den Hof gegangen, um sie mit Wasser uns Sand zu schrubben. Daher konnte sie die Frage, die ihr schon lange im Kopf herumgeisterte endlich stellen.

„Sagt Unswin, ich weiß, das ist vielleicht eine merkwürdige Frage, aber was ist euch angetan worden?“ Sie streckte dabei ihren Finger nach den Narben in seinem Gesicht aus, als ob sie sie berühren wollte. Ihr Gesicht war völlig bar jeder Regung, einzig Neugier schien aus ihrer Frage zu klingen.

Auch Unswin hatte letztlich mit großem Hunger gegessen und seine Platte bis auf den letzten Krümel gelehrt. Dabei hatte er es auch tatsächlich geschafft sich an nichts zu verschlucken. Diese Peinlichkeit nagte noch immer an ihm. Gesättigt spülte er nun die letzten Fasern des Bratens mit Wasser hinunter, als Leomaras plötzliche Regung und Frage ihn wieder so sehr aus dem Konzept brachten, dass er nur mit Mühe verhindern konnte, dass das Wasser ihm in den falschen Hals geriet. Verlegen stellte er den Krug ab und sah betreten auf die Tischplatte. Bisher hatte noch niemand direkt danach gefragt. Höchstens, dass er deswegen verhöhnt worden war. Selbst sein Herr Alfred hatte ihn nicht direkt darauf angesprochen sondern es als Teil von Unswins Geschichte auf sich beruhen lassen. Der Edelknappe atmete ein paar Mal tief durch, bevor er sich wieder zur Ritterin umwandte.

„Werte Leomara, Ihr seid mir heute Abend eine zuvorkommende Gastgeberin gewesen und ich respektiere Euren Elan die Dinge selber anzupacken, so wie Ihr es heute auf der Suche nach dem Monster demonstriert habt. Zudem bin ich Euch dankbar, dass Ihr ehrliches Interesse an meiner Geschichte zeigt. Deswegen will ich Euch antworten und Ihr sollt von mir erfahren, was nur mein Herr und die Obersten des Ordens über mich wissen. Ich bitte Euch einzig darum, darüber später kein Wort zu verlieren.“ Die Frau nickte ihm ohne zu zögern zu, dass diese Bitte ihre Zustimmung fand. Unswin machte eine bedeutungsschwere Pause und sah sich kurz um, ob wirklich alle Mägde den Raum verlassen hatten. Nach einem weiteren kleinen Schluck Wasser um die Kehle anzufeuchten fuhr er fort. „Mein voller Name lautet Unswin von Keilholtz. Meine Familie besitzt Land und Lehen in Greifenfurt und zählt zu den ältesten Geschlechtern der Mark. Vor mehr als vier Götterläufen war es, da ritt ich als Knappe meines Onkels an der der Seite des Heiligen Answin in den Krieg und in die Schlacht die man heute als die der drei Kaiser kennt. Im Laufe der Kämpfe verlor ich mein Pferd und wurde von meiner Einheit getrennt. Ich hielt mich bei den Unsrigen wo immer ich sie traf, bis mit einem Mal eine große Panik über alle hereinbrach. Eine riesige Flammenzunge schoss auf meine Gruppe zu, groß genug alles und jeden zu verschlingen. Nirgends war auf die Schnelle eine geeignete Deckung zu finden und mein Schild war schon lange vorher im Kampf zerborsten. In meiner Not warf ich mich hinter den Kadaver eines Pferdes. So entging ich der tödlichen Feuerlanze zum großen Teil, nur meinen Kopf bekam ich nicht mehr rechtzeitig nach unten. Die Schmerzen waren furchtbar und einige Zeit muss ich das Bewusstsein verloren haben. Als ich wieder zu mir kam blickte ich auf und sah meine Kameraden zu Staub und Asche verbrannt um mich liegen. Aus der Ferne erkannte ich, dass der Kampf an anderer Stelle heftiger gewogt hatte und inzwischen vorbei war. Answin hatte verloren, wir waren besiegt worden. Mein erster Gedanke war die Flucht, in der Hoffnung irgendwo andere Überlebende meiner Einheit zu finden denen ich mich anschließen konnte und von denen ich vom Schicksal meines Onkels zu erfahren hoffte. Lange Zeit konnte ich niemanden finden und irrte allein durch die Gegend, immer bemüht den siegreichen Soldaten auszuweichen. Nach Wochen der Wanderung traf ich irgendwann auf eine Gruppe Söldner. Zuerst wollten sie mich ausrauben und töten, doch als sie mein Kettenhemd sahen und daraus schlossen das ich das Kriegshandwerk beherrsche, boten sie mir an mich ihnen anzuschließen. Allein hätte ich nicht viel länger überleben können und da ich für Answin gekämpft hatte, musste ich damit rechnen als Reichsverräter hingerichtet zu werden sollten mich die Soldaten Rohajas doch noch irgendwann aufgreifen. Also ging ich mit den Söldnern und bewährte mich in den schmutzigen Kämpfen für die sich unser Anführer anheuern ließ. Einige Monde hielt ich es bei ihnen aus. Letztlich muss ich ihnen wohl dankbar sein, denn sie hatten einen unter sich, der sich mit der Heilkunst auskannte und meine schwärenden Brandwunden im Gesicht versorgte. Die Narben werde ich für immer behalten, doch ich blieb wenigstens am Leben. Später kam ich mit der Gruppe ins Garethische und hörte einer Ordensburg der Zornesritter. Ich kannte den Orden bereits aus Greifenfurt und da ich die Gesellschaft der Söldner schon lange Leid war, stahl ich mich eines Nachts davon. Einzig dem Heiler hinterließ ich einen kurzen Brief und meinen bis dahin erlangten Sold. An diesem Gold klebte zu viel Blut auf das ich nicht Stolz bin es vergossen zu haben. So stand ich einige Tage später nur mit einem zerlumpten Kettenhemd und einem rostigen Kurzschwert angetan vor der Burg der Zornesritter. Man ließ mich vor als ich den Namen meiner Familie nannte und nachdem ich den Obersten meine Geschichte erzählt hatte, nahmen sie mich als Novizen auf.“ Hier stockte Unswin schließlich und hob den Wasserkrug an den Mund, denn der Hals war ihm völlig trocken geworden. Vorsichtig sah er zu Leomara hinüber, die anzusehen er während seiner Erzählung nicht gewagt und die ihn bisher auch nicht unterbrochen hatte.

Während er gesprochen hatte, hatte sie nicht gewagt ihn zu unterbrechen, es war wie ein Strom, der ungestüm heraus brach. Erst jetzt erlaubte sie sich den entweichenden Atem laut und vernehmbar auszustoßen. „Phew…!“. ‚Ja, was hatte ich denn erwartet, dass er sich beim Spielen in den Ofen gelegt hat als er ein kleines Kind war?` „Das ist sicher…“ sie suchte krampfhaft nach den passenden Worten nach dieser mehr als ehrlichen Geschichte. Sie hatte mehr an eine allgemein gehaltene Äußerung ohne Nennung pikanter Details gedacht, aber so zollte er ihrer Person doch einen Respekt, den sie eigentlich noch nicht verdient hatte. Darum fiel ihr einfach nichts ein, was nicht zu banal klang. Zudem kamen auch die Köchin und ihre Helferinnen wieder unter lautem Getöse herein, was nun auch Unswin aufschreckte. Sie fasste ihn noch einmal kurz an der Hand, und sagte leise: „Wir werden das bei anderer, besserer Gelegenheit weiter bereden, ich dachte nicht dass… nun dass ihr mir so frei schildern würdet was passiert ist. Ich danke euch für eure Offenheit. Seid euch versichert, ich glaube gerade in dieser Sache gibt es mehr als einfach nur Gut und Böse.“ Damit erhob sie sich, und klopfte sich selbst energisch auf die Wangen, um sich wieder aufzuwecken. „Jetzt muss ich meine Sinne beisammen haben, es wird schwer sein, der Baronin zu erklären, dass ich vor einer anstehenden Monsterjagd so dumm sein konnte eine Forderung an einen Gast und Teilnehmer derselben, auszusprechen. Wir wollen hoffen, dass das Gebäck gemundet hat, und der fesche Kapitän Hakon von Sturmfels ein höflicher Tischnachbar war.“ Augenzwinkernd ging Leomara voraus.

Zu einem gewissen Grad war Unswin erleichtert, dass die zurückkehrenden Mägde Leomara von einer direkten Antwort entbunden hatten. Er hatte nicht gelogen als er ihr gesagt hatte, dass er sich in dieser Ausführlichkeit noch niemandem anvertraut hatte und er war sich nicht sicher ob ihm gefallen würde was sie zu seiner Geschichte zu sagen haben würde. Aber er hatte auch einfach das Bedürfnis verspürt es einmal herauszulassen. Zwar hatte er schon zweimal davon berichten müssen seit er zum Zornesorden gekommen war, aber noch nie zuvor war dies seine freie Entscheidung gewesen. Irgendwie fühlte er sich erleichtert. Leomara schien ihn genauso zu behandeln wie vorher. Die Berührung ihrer Hand war dieselbe, sanft und fest zugleich. Unswin war sich einfach sicher, das Richtige getan zu haben. Vielleicht etwas zu ungestüm und direkt, wie sein Herr es so oft an seinem Verhalten zu bemängeln hatte, aber nichts desto weniger richtig. Deswegen fiel es ihm ungewöhnlich leicht ihr Augenzwinkern zu erwidern als sie von der Baronin und dem Kapitän sprach. „Ich hoffe sie wird nicht zu ungehalten sein. Unwillkommene Nachrichten und Meinungen scheint sie ausgesprochen schlecht aufzunehmen. Wenn Ihr Hilfe braucht, ich bin direkt hinter Euch.“ Mit einem Grinsen das anzeigte, dass die Geste nicht ganz ernst gemeint war klopfte er auf seinen Schwertknauf und erhob sich ebenfalls. Schon bald standen die Beiden an den Türen zum Thronsaal, den Leomara jedoch alleine betrat.



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Texte der Hauptreihe:
29. Ing 1032 BF zur abendlichen Firunstunde
Im Schatten der Nacht
Der kleine Rat


Kapitel 18

Nächtliche Streifzüge
Autor: Alex N., Christian K., Rafael K., David L., Nicole R., Marcus F., Robert O.