Geschichten:Perricumer Ratsgeschichten - Besuch bei einem alten Esel
Kontor der Reederei Falswegen & Nachf., Reichsstadt Perricum, Anfang Praios 1037 BF
"Meldet Herrn Falswegen, dass Ratsfrau Ginaya von Alxertis ihn in Ratsangelegenheiten zu sprechen wünscht", die Leibmagd trat zur Seite, um der Adligen die Tür aufzuhalten. Sofort sprang einer der Botenjungen auf und verließ die geschäftige Halle, um den Reedereibesitzer über den Besuch zu informieren.
Als die beiden Ratsleute schließlich unter sich waren, eröffnete Ginaya von Alxertis das Gespräch: "Falswegen, Ihr seid bekannt für Eure Einsicht in die städtische Politik wie kaum ein zweiter hier. Euch kann man nichts vor machen. darum möchte ich Euch rundheraus fragen: Wie werdet Ihr Euch zu dem von mir eingebrachten Vorschlag zur Errichtung eines Efferdschreins am Darpat verhalten? Ich selbst muss zugeben, dass ich diesen Vorschlag vor allem eingebracht habe, weil ich dem Herrn Wallgrin mein Wort darauf gegeben hatte. Nachdem die Dinge in den letzten Tagen nun eine solche Wendung mit sich gebracht haben, weiß ich nicht, ob ich noch dafür stimmen sollte und würde mich an Eurem Votum orientieren."
"Außerdem möchte ich Euch einen Handel vorschlagen: Ich weiß, dass Ihr ein großes Interesse am Ausbau des Darpatufers habt. In meinen Augen ist der Hafen bereits groß genug, aber ich wäre bereit, Euch dennoch zu unterstützen, wenn Ihr mir an anderer Stelle entgegen kämet. Ich halte überhaupt nichts vom Vorschlag des Ratsherrn Quintian-Hohenfels, in der Umgebung nach irgendwelchen ominösen Relikten suchen zu lassen. Eine sinnlose Zeit- und Geldverschwendung ist das, wenn Ihr mich fragt und es gibt weit wichtigeres zu debattieren. Ich freute mich sehr, wenn ich Euch in dieser Frage auf meiner Seite hätte."
"Geradlinig heraus", sagte Trautmann, "so mag ich das." Er ließ seinem Gast einen Humpen Bitterbier bringen.
"Ich sehe die Stiftung eines Efferdschreins am Flußufer skeptisch. Der Flutende wird im großen Tempel bereits inbrünstig verehrt und seine Geweihtenschaft mit großzügigen Spenden versehen, daher erscheint es mir nicht sinnvoll, eine zusätzliche Pilgerstätte zu schaffen, die noch dazu kein geschichtliches Vorbild hat. Das müsst Ihr doch genauso sehen", stellte der Alte mehr fest als dass er fragte.
Dann kam er zu Ginayas Anliegen: "Die Befestigung des Darpatufers ist eine so sinnvolle Sache, dass wir darüber nicht weiter zu reden brauchen. Diese Maßnahme dient der Prosperität der Seefahrt, und damit der Bedeutung Perricums als große Hafenstadt." Er setzte einen Gesichtsausdruck auf, der listig wirken sollte: "Falls Ihr Euch dafür einsetzen würdet, würde mir das tatsächlich erleichtern, Odoardos Hesinderei abzulehnen. In der Vergangenheit wurde mehr als genug guten Goldes für sogenannte „Wissenschaft“ vergeudet."
Er nahm selbst einen Schluck aus seinem Seidel, ehe er unverblümt nachsetzte: "Mancher schimpft mich hintenrum einen alten Esel. Aber alte Esel haben ein langes Gedächtnis. Und ich behalte gut im Gedächtnis, wer sich als verlässlicher Handelspartner bewährt."
Die Adlige meinte trocken: „Das hätte ich nicht anders erwartet, Falswegen.“ Im Aufstehen streckte sie ihm über den Tisch ihre zierliche Hand entgegen: „Wir haben also eine Abmachung: Meine Stimme für die Befestigung des Darpatufers und gegen den Efferdschrein und die Eure gegen diese Reliktsuche.“
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