Geschichten:Schmuggel in Greifenfurt - Nehmen ist seliger denn geben

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Dramatis Personae:


Reichsstadt Greifenfurt, Ende Rahja 1033 BF


Die Brauen des Nebelsteiners schossen in die Höhe, während er den Brief las, den man ihm aus der Kirche des Götterfürsten hatte zukommen lassen. Schreckenfelde indes machte sich in seiner Ecke des Raumes so klein wie möglich. Nicht dass es etwas genützt hätte, es fühlte sich aber viel besser an. Und wenn man dann noch die kurzsichtigen Augen zukniff und die Luft anhielt, dann konnte man sich sogar vormachen, der Meister der Mark würde einen nicht....

"Schreckenfelde!!!" Aus der Ecke kam ein Quietschen, als steche wer eine Sau ab. Mit Genugtuung beobahctete der Baron von Nebelstein, wie sie sein Schreiber beim Hochrucken erst den Kopf an einem Sims stieß und dann im schmerzvollen Zusammenzucken mit der Hand gegen die Tischkante schlug. Geschah dem Kerl Recht, das. Wie konnte man auch nur derart verkniffen in der Deregeschichte rumsitzen.

"Hole er Kiel und Papier, es gibt eine Retourkutsche abzuschicken an die Herren Praioten in Kressenburg, die augenscheinlich meinen, die Kirche könne ihre Gierpatschen überall rein schieben.

An die Kirche des allerhöchsten Götterfürsten zu Kressenburg et cetera.

Wir haben mit Wohlwollen vernommen, dass Ihr die in Euch gesetzten Erwartungen und an Euch ergangenen Weisungen treulich und auf den Punkt erfüllet und die konfiszierten Rauschwerke samt und sonders den reinigenden Flammen übergeben habet, ungeachtet der Frage, wer nach praiosgefälliger Ordnung der rechtmäßige Besitzer jener Parafernalia sei. Sicherlich habt Ihr denn auch wahrgenommen, dass solcherlei Räucherwerk einerseits zur allgemeinen Lustbarkeit in den Tempeln der liebreichen Rahja, andererseits zur Versorgung der Kranken in den Siechenhäusern der Peraine mit Erfolg eingesetzt wird. So wissen wir denn, dass der Ratschluss des Mächtigen Euch angeleitet hat, die Vernichtung des Krautes auch im Namen dieser hoch zu schätzenden Kirchen durchzuführen.

Ferner gehen Wir somit davon aus, dass Ihr den in Eurem Sprengel ansässigen Siechen im Verbrennen der Kräuter ihr Mühsahl gelindert habt, was Wir Euch hoch anrechnen.

Da Ihr somit Unserem Ansinnen, diese Kräuter den benamten Kirchen zuzuführen, vorauseilend Gehorsam wart, wird es Euch sicherlich erfreuen, wenn ich vermelde, dass, da Ihr diese Aufgaben in eigener Sache bereits vorantriebet und somit die Kirchen Ihrer Sorgen entledigtet, Wir es nur für angebracht halten, die solcherart einbehaltenen und ihrem Zwecke als Zent bereits zugeführten Gaben bei der nächsten Götterzentfestsetzung in der Mark zu verrechnen. Wir bedanken Uns für Euer vorauseilendes Handeln und nehmen Euch - wie es nicht mehr als angebracht erscheint, habt doch auch Ihr bereits für Uns gehandelt - die Benachrichtigung Ihrer Eminenz Praiomon Caitmar von Dergelstein, Illuminatus und Hochgeweihter des ‚Tempels unseres Herrn Praios und seines getreuen Dieners Scraan‘ ab.

Tildan Greifentreu zu Nebelstein, Meister der Mark, et cetera pp

Gegeben und gesiegelt

Und gebt eine Kopie dieses und des anderen Briefes auch in den Tempeln des Praios und der Peraine ab."

Der Meister der Mark rieb sich die Hände, während die Nase seines Kanzleirates, der während des Diktates sichtlich erblasst war, zuckte.

"Herr?"

Tildan bedachte den Mann mit einem Blick, in dem die unausgesprochene Frage mitschwang, was er denn noch hier treibe und warum der Brief noch nicht aufgegeben und verbracht sei.

"Herr?"

Eine ungeduldige Handbewegung.

"Wenn die Frage erlaubt ist, was hättet ihr gemacht, wenn man Euch das Kraut ausgehändigt hätte?"

Der Zwicker des Schreibers wankte bedenklich, während der Kopf fest mit den Schultern verschmolz. Wohl in Erwartung handfesterer Argumente.

Stattdessen ertönte ein leises und in der ängstlichen Stille denkbar unpassendes Glucksen.

Die Augen des Kanzleirates öffneten sich zu kleinen Schlitzen und fassten den Meister der Mark ins Visier, dessen Bart sanft zuckte und dessen Gesichtsausdruck an eine Katze erinnerte, die das Sahnefass entdeckt und geleert hatte. "Ich hätte nach einem Käufer suchen müssen und bei dem illegalen Kram sicherlich weniger erhalten, als ich nun in Rechnung stellen kann."

Schreckenfelde überlegte fieberhaft, dann sprang er mit enormer Gewaltanstrengung über den eigenen Schatten und fragte mit leiser, schüchterner Stimme: "Und die Kirchen der Peraine und der Rahja?"

Der Mund des Nebelsteiners zog sich, wenn überhaupt möglich, noch ein wenig mehr in die Breite: "Der Rahja 'schenkt' die Mark jeden Götterlauf die Ernte der städtischen Pflaumenbäume zur Schnapsherstellung - zum Selberpflücken. Das hat der gute Dergelsteiner selbst vor Jahren so ausgehandelt. Da die Kirche keine eigenständigen Vertreter in der Mark hat, hat sich damals auch niemand wehren können. Und als eine entsprechende Depesche aus Gareth da war, waren die Beschlüsse bereits besiegelt. Nur die Diener der Peraine waren damals mit einem schlechten Gewissen unterwegs. Der alte Fuchs - und sicherlich wäre er maßlos beglückt über diese Bezeichnung seiner Person - hatte die Zustimmung der Kirche mit einer Reihe von ... sagen wir wohlwollenden Zugeständnissen in anderen Streitfragen erkauft. Der Perainezent ist eine andere Sache, aber da fällt der Wert der Kräuter, und wenn es auch eine erkleckliche Menge war, bei der Höhe der Abgaben insgesamt kaum ins Gewicht. Wie ich die Sache sehe, wird man von Seiten der Peraine sicherlich alles tun, um die Schwesterkirche und auch die eigene Stellung zu festigen und dem Illuminaten die damalige Schmach mal mit barer Münze heimzuzahlen. Wie auch immer, wir sind aus dem Schneider, immerhin haben wir nur eine kleine Umverteilung vorgenommen. Und nun hurtig, Mann, es gibt noch mehr Briefe zu versorgen."