Geschichten:Kabale und Hiebe - Mahmet und Selina

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Ort der Handlung: Laskans Hain (Lassar a Yar'Ammayin)

Dramatis personae: Mah’met Bassala’ur, Freibauer und Selina Castos
und andere Mahmet Bassala’ur räkelte sich gerade in den Kissen zurecht, als sich die Tür wieder öffnete und die Vögtin hereinliess. Er hätte durchaus nichts dagegen gehabt, wenn auch Ashia dagewesen wäre und das Gespräch durch ihre Anwesenheit aufgelockert hätte, aber so etwas war wohl nur den adligen Herren zugedacht. Nun, wenn er erst der wichtigste Mann im Dorf war und wieder ein ordentlicher Nebachot hier Vogt wäre, dann könnte das schon anders aussehen. Hoffentlich war es bald der Fall und nicht erst, wenn Ashia die fünfundzwanzig überschritten hatte. Oh, was war das?

Wie gebannt starrte er auf die gestiefelten Füsse der Vögtin, die über die guten Teppiche trampelten, als wären sie nur Strassenstaub. Was bei der Holden sollte das bedeuten?! Hatte diese Raulsche tatsächlich gar keine Manieren?

Beinahe hätte er vor Entrüstung verpasst, aufzuspringen und die Vögtin korrekt zu begrüssen. Das wäre ja ein Fauxpas erster Güte geworden! Die Vögtin erwiderte seinen Gruss mit der ihr eigenen Distanz und sah sich dann suchend im Raum um. Dann zuckte sie die Schultern und fragte ihn: „Nun, Machmett Basalattur, was führt Euch zu so früher Stunde zu mir?“

In der Tat, sie hatte keinerlei Manieren! Stand sie doch da und liess auch ihn stehen, anstatt in den Kissen Platz zu nehmen, wie es sich für ein Gespräch zwischen kultivierten Menschen ziemte. Und bei den Göttern, ihre Haare tropften auch noch, als hätte sie im Regen gestanden. Nun, vielleicht war es gar nicht schlecht, dass sie so ungebildet und ohne Manieren war, desto so leichter musste es doch sein, sie von seiner Sache einzunehmen, fiel ihm ein. Nachdem er sich ein wenig aufgerichtet hatte, um die ganze Pracht seiner Erscheinung wirken zu lassen und nicht ganz so klein und unbedeutend als Bauer neben der Vögtin zu erscheinen, begann er seinen sorgfältig einstudierten Monolog.

„Nuän, Blüh'te der Waisheit, äs bätrübt mich ausseror'dentlich, dich...Eich mit mainen klainen Sorgen zu bähell'igen, wo du...Ihr so vielä gro'sse haben müsst mit der Ver'Waltung dieses Gutäs und wo die Zaiten so harth sind. Aber siehä, ich bin schon früh am Morgän gekommän, um Eich möglichst wänig von där kost'baren Zait szu'stehlän. Und so bittä ich Eich, dasz du..Ihr mich an'hören mögestät.“Diese Raulsche Zunge fiel ihm wirklich sehr schwer, vorallem die richtige Ansprache einer höhergestellten Person. Doch erwartungsvoll sah er die Vögtin an, insgeheim etwas enttäuscht von seinem Auftritt, denn in dieser harten raulschen Sprache verlor seine Rede viel von ihrer Faszination. Die Vögtin hatte ihm nur mit gerunzelter Stirn zugehört, und er fürchtete schon, sie würde ihn nicht anhören wollen. Vielleicht hätte er sich doch anmelden sollen? Als sie endlich antwortete, meinte er ihre angestrengte Miene zu begreifen – sie hatte wohl nur Mühe gehabt, seine Aussprache zu verstehen. Seine Aussprache! Als würde er nicht genauso fliessend und gewandt Garetti sprechen wie jeder hier, ja, um der Wahrheit Raum zu geben, besser als die meisten hier!

„Nun, Machmett Bassallatur, und was sind Eure Sorgen, die Euch nicht ausschlafen lassen?“

Machte sie sich etwa über ihn lustig? Bestimmt nicht. Rasch fuhr er fort, solange er noch in sicherem Fahrwasser war. Um so besser, wenn sie nicht alles verstand, hatte sie weniger Zeit zum Nachdenken. Sorgfältig achtete er auf seine Mimik und Gestik, als er weitersprach: „Brunn' der Ärleichtung, ich habä Klagä zu führän gägen mainen Nach'barn, mit däm ich doch so viele Jahrä in Frieden und Eyn'tracht läben konnte. Diä Grainendä Mut'her (Travia) sais geklagt, dass es nicht immär so blaibän konnte! Lasst mich er'szählen, wie es zuging, dass wir uns entzwaiten. Wie Ihr wohl wiszt, läbt dieses Dorf vom Anbau sainer Früchte, und sowohl mein Va'ter Rabin, Pra'aios sei seiner Sääle gnädig, wie auch sain Nach'bar Seitschek, der nun main Nach'bar ist. Sait main Va'ter jung war, ist fest'gälegt, dasz die Bäume diessaits der Strasze mainer Familiä gehörän und die Bäume jensaits der Strasze der Familiä Seitscheks. Nun, äs begann, als Seitscheks Sohn ins mannbarre Al'Ter kam, dasz är von dän Bäumen ärntete, die in där Schlaufe der Strasze stehen, dorth wo die Strasze einen an'muthigen Bogen macht, wie ihr ja weißt...wisst. Ich duldete an'fangs, dass er ein wänig Obst namm, waren main Vater und Seitschek doch gutä Nach'barn. Dann nahm äs über'hand und ich begann, ihn szu rügän… es wurde für kurze Zait bässer, doch dann jädes Jahr schlimär. Nun ist äs Seitscheks Änkel, der junge Fu’ran, där, där die Ar'beit macht und er raubt mir schlimär als sein Va'ter zuvor, das was doch mir und meinen Nach'kommen – so die junge Göttin will – szu'steht. Und so bitte ich Eich, Spän'derin der Gerächtigkeit, sprich ain Macht'wort und schraibe es in diesen Büchärn nieder, damit ein für allemal gesagt ist, dass die Bäume diessaits der Strasze mein und meiner Söhne sind und niemand sonst dort die Früchte zu ärnten hat.“

Nun, wie würde sie es aufnehmen? Sicher war es ein gutes Zeichen, dass sie ihn nicht unterbrochen hatte und er war, seinem Empfinden nach, gegen Ende auch immer besser in die raulsche Zunge gekommen. Er prüfte seine Rede noch einmal, ja, sie war gut gewesen. Doch warum sagte die Vögtin immer noch nichts? Na endlich!

„Nun, Machmett Basalattur, Euer Anliegen scheint mir gerecht. Doch es ist Sitte bei uns, dass man stets beide Parteien anhört in einem Streit. So will ich es auch halten. Kommt morgen abend zu Sonnenuntergang mit Eurem Nachbarn hierher, dann will ich Euch beide anhören, bevor ich entscheide.“

Ehe dem verdutzten Bauern die richtigen Worte einfielen, die Sache hier und jetzt für sich entscheiden zu lassen, hatte die raulsche Vögtin den Raum verlassen, und ihm blieb nichts anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass sein Nachbar Seitschek morgen genauso zerstreut und abwesend sein würde, wie er es meistens war. Zudem würde er diesen vorher mit gutem Wein etwas zerstreuter machen und darauf hoffen, dass Seitscheks Raulsche Zunge schlechter war als seine.




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Autor: Selina Castos