Geschichten:Albernische Gäste - Teil 16

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Kurz bevor ‚Marb’a Tan’, das Ross Ra’ouls, den Nebachoten nieder ritt, drehte sich der Edle herum, sprang etwas zur Seite und rannte in die Laufrichtung des Pferdes. Geradewegs als sein Ross neben ihm war, schnellten Ra’ouls Arme nach oben und er drückte sich mit einem kräftigen Sprung vom Boden auf und ...

... schaffte es sich am Sattel festzuhalten und sich aufs Pferd zu schwingen. Sofort zügelte er Marb’a Tan und drehte ihn auf den Hinterläufen, nur um ihn erneut im vollen Galopp auf den Teil der erhöhten Turnierbande zu treiben. Das Ross gehorchte und freute sich schon fast zu zeigen, was ihn ihm steckte. Mit einer Leichtigkeit an Gewandtheit und Kraft überwanden Reiter und Pferd das mannshohe Hindernis, nur um auf der anderen Seite wieder umzukehren und den Sprung zu wiederholen.

Dem Junker von Silberblick stockte der Atem, als er sah zu welcher Einheit hier Reiter und Pferd verschmolzen. Galt Cyberian in den Kreisen der Ritterschaft als ein ausgezeichneter Reiter, lernte er jetzt, was wirklich möglich war, wenn man das Reiten noch vor dem Laufen erlernte.

Lyn war von dem Schauspiel, welches sich hier bot, wie verzaubert. Zwar hatte sie schon von Ra´ouls exzellenten Reitkünsten gehört, doch aufgrund seiner Verletzungen ihn bisher noch nicht in seinem vollem Element erleben dürfen. Mehr als einmal hielt sie die Luft an um erleichtert wieder auszuatmen, wenn ihr Geliebter wieder sicher ein Hindernis überwunden hatte.

Wieder auf dieser Seite der Bande angekommen, unterhielt Ra’oul seine Zuschauer mit weiteren Kunststücken. Im vollen Galopp vollführte er einen Handstand auf dem Rücken des Pferdes, drehte sich selbst im Sattel und richtete sich zum Stand auf. Während Lyn den Atem anhielt, beobachtete sie fasziniert wie Ra’oul aus dem Sattel sprang, sich weiterhin am Sattelknauf festhielt, kurz den Boden mit den Füßen berührte, nur um mit dem gewonnen Schwung seinen Körper über den Rücken des Tieres schwang, um auf der anderen Seite sich erneut abzustoßen und sich wieder in den Sattel hievte. Danach riss Ra’oul Marb’a Tan herum, zog seinen Säbel und schlug die an der Bahn angebrachten Kürbisse aus vollem Galopp in mehrere Stücke. Am Ende der Bahn steckte er seinen Säbel wieder weg und stob weiter in Richtung des Waldes. Auf dem Weg dorthin erkannte Lyn einen Kurzbogen und einen Köcher am Boden liegen. Ergriffen von der Spannung der sich ihr gebotenen Darbietung konnte sie den Blick nicht von Ra’oul wenden. Sie sah wie ihr Geliebter im vollen Galopp die Zügel lockerte und sich weiter zur Seite aus dem Sattel lehnte. Dabei schien er beide Hände frei zu haben, ergriff Köcher und Bogen und schwang sich zurück in den Sattel. Marb’a Tan wurde erneut herum gerissen und hielt jetzt wieder auf die Bande zu. Den Köcher befestigte Ra’oul um den Sattelknauf. Nach und nach spickte der Nebachote die Kürbissreste mit Pfeilen, während er an der Bande vorbei ritt, so dass sie danach teilweise wie Stachelschweine aussahen.

Schwer atmend zügelte Ra’oul sein Ross vor Lyn, sprang aus dem Sattel und trat an ihr Pferd. Die feine und teure Kleidung des Nebachoten war ziemlich verstaubt und während mehrere Knechte aus dem Wald traten, in deren Händen sich große Körbe voll mit frischen Blumen und duftenden Rosenblüten befanden, griff Ra’oul unter sein Wams und holte eine kostbare, kleine Dose hervor. Für einen kurzen Augenblick hatte er noch gedacht, dass er das teure Stück verloren hatte, doch legte sich die Anspannung, als sich seine Hand darum schloss und er sein Vorhaben wie geplant durchführen konnte.

„Lyn ni Niamad, Mara’san a Ott’er Tal ich kann Dir hier zwar nischt genau zaigaen wous isch Dir alles bieten kann, jedoch sollen diesae Blumen die isch hier fir Disch gefundaen habe und diesaer Ring hier als Pfand dafir dienaen bis wir wiedär in Breshi’a Danal surrugg sind.“ Mit diesen Worten deute Ra’oul einmal zu dem sich näherndem Wagen und zum anderen öffnete er die Dose und reichte ihr den Inhalt. Einen breiten, goldenen Ring in dessen Mitte sich ein großer Rubin befand. Der Edelstein wurde dabei von zwei auseinander preschenden Rössern gehalten.

Tränen der Freude schossen in Lyns Augen, als ihr bewusst wurde, dass diese Vorführung ganz allein ihr gelten sollte, und was dies bedeutete. Für einen Moment lang war sie sprach- und fassungslos und sah Ra´oul nur glücklich an. Vorsichtig nahm sie den Ring an sich. Ihre Stimme drohte zu versagen, doch konnte sie sich noch rechtzeitig fangen.

„Liebster Ra´oul, gerne nehme ich diesen Ring und Dein Versprechen an. Aber nicht, weil du wahre Wunder auf dem Rücken eines Pferdes vollbringen kannst.

Auch wenn du mir nichts bieten könntest, außer dir selbst, wäre ich dein. Denn ich liebe dich, und nicht deine Herkunft. Und selbst wenn du nie wieder reiten oder kämpfen könntest, würde sich daran nichts ändern.“ Nach diesen Worten fiel sie überglücklich in Ra´ouls Arme. Tief und innig küssten sich die frisch Verlobten. Als sie sich wieder voneinander lösten nahm Ra´oul Lyn den Ring noch einmal ab, um ihn auf ihren Finger zu stecken. Er passte wie angegossen. Lyn sah sich den Ring genauer an, hatte sie doch vorher nur Augen für Ra´oul gehabt. „Er ist wunderschön,“ sagte sie laut und mehr zu sich selbst gewandt „ich fürchte, mein Vater wird nicht sehr glücklich darüber sein, doch ich bin es.“ „Und isch wärde ihn fragen, bei Praios!“

Linea, Rondrigo und Cyberian beglückwünschten die beiden. Als sich Ra´oul wieder etwas ausgeruht hatte, ritten sie zurück zum Gut des Junkers. Lyn und Ra´oul ritten dabei nebeneinander, meist Hand in Hand, ohne großartig auf den Weg zu achten ...



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Texte der Hauptreihe:
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K3. Teil 3
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K5. Teil 5
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Teil 17
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