Geschichten:Von zweibeinigen Wildschweinen und der Jagd nach diesen

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Nachdem die Markgräfin die Sitzung aufgehoben hatte, damit die restliche Versammlung den offenen Spuren nachgehen konnte, erhob auch ich mich von dem Platz an ihrer Seite.

Um ein wenig Ordnung in den Aufbruch zu bringen, rief ich: „Ich werde mich persönlich um diese Söldner kümmern, wer schließt sich mir an?“

Einige meldeten sich, viele hatten schon den gleichen Vorsatz geäußert, doch der Ritter von Bernstein, den ich ansprach, wollte lieber vor Ort für die Sicherheit der Markgräfin sorgen, stattdessen begleitete mich sein Freund, Ritter Nordfalk. Jedenfalls konnte ich ein wenig beruhigt sein, daß ich Ihre Erlaucht in guten Händen und einer relativen Sicherheit zurückließ. Alle, die gleichfalls diesen Söldnern zeigen wollten, was ein echter Edler ist, hieß ich, sich im Burghof zu sammeln. Und dort waren wir schließlich mehr als ein halbes Dutzend Frauen und Männer aus beiden Provinzen. Und so brachen wir frohen Mutes zu der in diesen vermaledeiten Briefen genannten Scheune auf, in der sich die Söldner verkrochen haben sollten und die einige Meilen vor der Grünwarte lag.

Erst später fiel mir auf, daß die Hälfte ‚meiner Leute‘ Beschuldigte aus eben diesen Briefen waren, nämlich alle bis auf den Staatsrat und Herrn Dragendot, doch spielte dies später zum Glück keine fatale Rolle.

Jedenfalls schritten wir rasch aus, auch wenn sich die Garetier darüber beklagten, daß sie zu Fuß gehen mußten. In Sichtweite der Scheune begaben wir uns erstmal in Deckung und schickten diesen schwarzhäutigen Waldmenschen zum kundschaften und Spurenlesen aus. Ein merkwürdiger Wilder, bei allem, was recht ist: trug er doch sogar mitten im Phex nur ein kurzes Hemd am Körper und hatte einen wahrhaft unaussprechlichen Namen - so ähnlich wie Hitschlipitschli – den in zivilisierten Gegenden höchstens Kobolde tragen würden...

Spuren, zumindest die einer größeren Truppe Söldner, fand er keine und so folgten wir ihm, immer noch vorsichtig zu der Scheune. Doch der Ort war wirklich verlassen bis auf zwei Bauern, die unbewaffnet ihrer Arbeit nachgingen; die Briefe hatten also gelogen, den Göttern sei dank!

Um wirklich sicher zu sein schlug jemand, ich glaube, es war die Baronin von Natzungen vor, daß wir uns den Wald hinter der Scheune ansehen sollten. Man könne schließlich nicht wissen, ob die Söldner nicht einen Spion unter den Konventsgästen hätten oder sonstwie wußten, daß wir ihnen auf der Spur waren. Diese Garetier..., wenn nicht am Vorabend der tote Baron am Fuße der Burg gefunden worden wäre, hätte ich laut über ein solches Mißtrauen gelaucht: ein Spion und Reichsfeind mitten im Dergelstein, sowas. Aber schließlich waren schon genug schreckliche Dinge passiert, seit die Markgräfin den Konvent eröffnet hatte und weitere wollte ich um jeden Preis verhindern. Also stapften wir in den Wald, um dort nach dem Rechten zu sehen. Wir schlugen uns einen Weg ins Gehölz, aber weit kammen wir nicht, den steil abfallende Felsen hinderten uns daran, tiefer zwischen die Bäume vorzudringen. Außerdem war nirgends etwas zu hören, zu riechen oder zu sehen, was auf die Anwesenheit von Söldnern hätte schließen lassen, so kehrten wir also ins freie Feld zurück.

Und da, zwischen dem braunen Gras des letzten Jahres, sah ich frisch erblühtes Hexenkraut stehen. Schnell erklärte ich den Baronen und Rittern, daß man in Dergelstein sagt, Hexenkraut schieße dort empor, wo eine Hexe einen Trank gebraut oder einen Fluch gehext habe. Gleich meinte der Baron von Greifenhorst, daß diese Belanah am Abend zuvor mit dem verschwundenen Herold der Burggräfin von Kaiserlich-Alriksmark einen Trank geteilt habe. Vielleicht habe sie ihn ja damit bezaubert und das Zeug wurde hier gebraut. Ich dachte an die Frau zurück, die ich im Kerzenschein nur kurz gesehen hatte: eine wahre Schönheit in ihrem engen, schwarzen Kleid und mit den langen goldenen Haaren. Es mochte durchaus sein, daß sie eine Hexe war, auch wenn ich am Abend ihr Tier nirgends bemerkte. Wer weiß schon, was abseits einer lärmenden Gruppe Feiernder so alles im Wald lauert?

Wir standen noch um das Kraut herum, da wehte der Wind dem Ritter Nordfalk einen Geruch wie von einem alten Lagerfeuer in die Nase. Nachdem er uns darauf hinwies, rochen wir es auch. Also folgten wir dem Geruch zu einer Buschgruppe ganz in der Nähe, die mitten im Feld stand, aber gute Sicht auf die Straße bot. Der Moha untersuchte das Gebüsch und sogleich fand er einen Eingang in das Gehölz. Im Inneren war es direkt wohnlich: ein Hocker, Trinkgeschirr und sauber aufgestapeltes Feuerholz sahen wir in diesem Unterschlupf. Vor den Büschen zeichneten sich schwarz und aschen die Reste des Lagerfeuers ab, dessen Geruch uns zu diesem Ort gelockt hatte. Abgenagte Tierknochen lagen neben der Asche.

Von allen Seiten kochten jetzt die Vermutungen hoch: daß wir den Unterschlupf des dritten Mannes gefunden hätten, wurde gesagt. Daß dieser sich mit einer Hexe zusammengetan hätte oder daß das hier der Spähposten der Söldner sein könne, die beobachteten, wer zur Burg und davon wegritt, um den passenden Zeitpunkt für einen Angriff zu wählen. Auch, daß es sich um den Unterschlupf eines Wilderers handeln könne, wurde vermutet, nachdem uns der Waldmensch sagte, daß es sich bei den Knochen um die eines Rehs handelte. Ein Wilddieb hätte von dem Gebüsch aus gut den Waldrand und damit die äsenden Tiere im Blick gehabt.

Jedenfalls rätselten wir noch um die Bedeutung unseres Fundes, als wir einen bewaffneten Mann allein die Straße herunterkommen sahen. Je näher er kam, desto sicherer erkannten wir, daß es kein Gast des Konventes war, der es sich da jetzt an einem Baum am Wegesrand bequem machte. Wir beschlossen, diesen Kerl zu stellen und Maline von Natzungen schlug vor, ihn von zwei Seiten einzukreisen, damit er nicht entkommen könne.

Gesagt, getan, wir schlichen uns an. Als er beinahe umkreist wa, rief ich ihn an: „Heda, erklär Dich, was tust Du hier?“ Dann hörte ich nur noch das Schnappen seiner Armbrustsehne und schon durchfuhr der Schmerz wie Feuer mein Bein. Mit einer solchen Wucht traf mich der Bolzen, daß ich nach hinten ins Feld zu Boden geschleudert wurde.

Die anderen bemerkten zuerst gar nicht, was geschehen war, so waren sie damit beschäftigt, diesen hakenschlagenden Kerl zu fassen, was ihnen schließlich auch gelang. Doch Felian Prutz von Quastenbroich und dieser Moha hörten wohl meine wütenden Schmerzensschreie oder die Flüche, die mir über die Lippen drangen, denn sie eilten zu mir während die anderen vier den Wilddieb vernahmen, als der sich der Schütze später herausstellen sollte. Jedenfalls gab mir Felian einen seiner Pöhlches-Hölzer, damit ich darauf beißen sollte, während der Wilde versuchte, mir den Bolzen aus dem Bein zu schneiden. Doch brach er mit seinen Bemühungen nur die Spitze des Geschosses ab und vor Schmerzen hätte ich ihm am liebsten meine Faust zu spüren gegeben. Zum Glück war Felians Hand in der Nähe, die ich statt dessen quetschen konnte. Der Waldmensch stellte noch fest, daß der Bolzen nicht vergiftet ist, dann rannte er aber schon, als ob der Flinke Difar in seinem Bauch säße den ganzen Weg zur Grünwarte zurück, um dort eine Trage und Hilfe zu holen. Ich fürchte, mit meinem grimmigen Gesicht hatte ich ihn wohl doch ein wenig verschreckt.

Der restliche Adel brachte, während ich stetig aus der Wunde blutend im Feld saß, den Wilderer heran, den sie gefesselt und nicht gerade sanft befragt hatten. Wegen der Schmerzen war ich ohnehin schon gereizt, aber als dieser dummdreiste Kerl auch noch behauptete, er habe mich mit einer Wildsau verwechselt, wäre ich um ein Haar mit meinem Schwert auf ihn losgestürzt, hätte mein Bein mich getragen.

Nun, jedenfalls schafften mich die Barone mit vereinten Kräften auf der Trage wieder zur Burg zurück. Selbst die Markgräfin war mitgekommen, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen, allerdings mit ausreichender Bedeckung.

Später kümmerte sich der Magier Ginayas von Luring-Gareth um meine Wunde, ein gewisser Magister Asbord Walkirson oder so ähnlich, ein recht thorwal’scher Kerl von Aussehen und Namen jedenfalls. Normalerweise lasse ich Magier ja nicht in meine Nähe, seit mich einer in Andergast so verzaubert hatte, daß ich vor lauter Feigheit vor ihm davonlaufen mußte und dieser Kerl war nachher auch noch unschuldig gewesen, da er selbst unter einem Bann stand. Das ganze arkane Zeugs ist mir jedenfalls seitdem zutiefst suspekt, aber am Abend sollte mit der Ordensverleihung und der Lehnseidzeremonie eine der größten Feierlichkeiten, die Dergelstein je gesehen hat, stattfinden und das wollte ich dann doch nicht versäumen. Zumal es sich bisher als lebensrettend erwiesen hat, dem Rat der Burggräfin zu trauen. Dieser Magier schnitt also mein Bein zu jeder Seite einen halben Spann weit auf, um den Bolzen zu entfernen, während ich die Zähne zusammenbiß. Danach wiederholte er beinahe eine Ewigkeit diesen Singsang, der die Wunde tatsächlich zum Heilen brachte, wie ich mit großen Augen sehen konnte. Direkt unheimlich kann einem bei dieser Magie und dem, was sie zustande bringt, werden. Jedenfalls konnte ich durch sie an dem Fest teilnehmen, wo endlich die Edlen beider Provinzen in geschwisterlichem Frieden vereint waren, wie es die ganze Zeit hätte sein sollen.

Der dreiste Wilderer jedoch bekam noch in der gleichen Woche seine gerechte Strafe und weilt nun wohl in Borons Hallen.

Ein Bericht Baronin Gunildes von Dergelstein zu Dergelstein, von eigener Hand verfaßt.