Geschichten:Elmenbarths Lehre - Von Ignoranz und Listigkeit

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Reichsstadt Perricum, 16. Boron 1037 BF

"Elissa, laß´ noch Abschriften der Soldlisten für den Heermeister anfertigen und dann machen wir Schluß für heute." Wallbrord von Löwenhaupt-Berg erhob sich und wandte sich zur Tür seines Arbeitszimmers. Er war müde und wollte nach einer kurzen Mahlzeit nur noch ins Bett.

"Vater, ich hätte da noch eine Frage."

Der Oberst stöhnte kurz auf und verdrehte für einen Moment die Augen, bevor er sich wieder seiner Tochter zuwandte. "Hat das nicht bis morgen Zeit? Und wenn es wieder um die gleiche Sache geht, mit der Du mir schon seit gut zwei Wochen in den Ohren liegst, dann vergiß´ sie am besten gleich wieder."

"Nein." war die ebenso schlichte wie trotzige Antwort Elissas.

Für einen Augenblick war der Baron zu Vellberg sprachlos. Sprachlos und verblüfft. Diesen Moment wollte die Leutnantin nicht ungenutzt lassen und setzte sofort nach.

"Warum weigerst Du Dich so beharrlich, Dich mit den Studien und Erkenntnissen von Magister Anaxios näher zu befassen? Ich selbst finde sie faszinierend und durchaus plausibel. Ich denke, man sollte sein Ansinnen, die Bruchstücke des Reliefs zusammenzutragen und zu analysieren, nach Kräften unterstützen."

"Ich denke das nicht." antwortete Wallbrord lakonisch, während seine Stimme einen mehr und mehr gereizteren Tonfall annahm. "Der Mann ist doch ein genauso gefährlicher Wirrkopf wie diese freigeistigen Nandusjünger! Ich habe mich doch nicht für das Verbot ihrer sogenannten Kirche hierzulande eingesetzt, um dann gleich darauf einem Geistesverwandten dieser Spinner zuzuarbeiten! Was für seltsame Geheimnisse soll dieses Relief auch schon beinhalten? Daß diese Leute auch überall irgendwelche großen Mysterien, das Wirken des Namenlosen oder wahre Wunder der Magie vermuten müssen, anstatt mit beiden Beinen im Hier und Jetzt zu verweilen, wo es wahrlich größere und drängendere Probleme zu lösen gibt! Zuweilen ist ein Stein einfach nur ein Stein, auch wenn das für irgendwelche Phantasten offenbar nur schwer zu akzeptieren sein mag."
Der Oberst redete sich bei seinen Ausführungen mehr und mehr in Rage.

"Aber Vater, lies Dir die Studie des Magisters doch erst einmal durch, sie ist wirklich-"

"Mist. Sonst nichts. Nein, meine Zeit ist mir zu kostbar, um sie mit irgendwelchem gleichermaßen unverständlichen wie unsinnigen Magiergewäsch zu vergeuden. Im Übrigen erfüllt dieser blöde Stein doch bereits einen wichtigen Zweck: Er gibt einen ganz vorzüglichen Briefbeschwerer ab!"
Wallbrord wies mit seiner rechten Hand auf den Schreibtisch, wo das Bruchstück tatsächlich dergestalt Verwendung fand, sehr zum Unwillen seiner Tochter, die dies fast schon als Sakrileg ansah. "Und nun genug davon. Gute Nacht!" Sichtlich verärgert verließ der Baron ohne jeden weiteren Kommentar den Raum.

"Was für ein Sturkopf!" dachte Elissa beim Abgang ihres Vaters mit einem Anflug von Wut. Andererseits konnte sie ihn ja zumindest ein Stück weit verstehen. Immerhin hatte er auf dem Garether Heldenfriedhof ein Auge verloren und als 'Ausgleich' lediglich besagtes Bruchstück erhalten, das seine damaligen Kampfgefährten ihm als eine Art Trophäe fast schon aufgenötigt hatten und das nun ein so unwürdiges Dasein als Briefbeschwerer fristete.
Elissa war hin und hergerissen zwischen den unmißverständlichen Ausführungen Wallbrords zu Anaxios´ Studie und ihrem eigenen Wunsch, dessen Forschungen zu unterstützen. Im Gegensatz zu ihrem Vater war für Elissa ein Stein nicht immer nur einfach ein Stein. Diesen ohne Billigung des Obersts einfach wegzugeben, wagte sie jedoch nicht. Aber vielleicht könnte Sie den Magus anschreiben und eine 'diskrete' Untersuchung des Bruchstücks hier in Perricum ermöglichen, wenn ihr Vater mal nicht in der Stadt weilte ...



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Texte der Hauptreihe:
P10. Briefe
K83. Zweifel
16. Bor 1037 BF zur abendlichen Phexstunde
Von Ignoranz und Listigkeit
Die Tochter


Kapitel 14

Wo Versteckst du dich?
Die Tochter


Kapitel 5

Wo Versteckst du dich?
Autor: Wallbrord