Geschichten:Elmenbarths Lehre - Ein Fluss fließt ins Meer

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Hesinde-Kloster St. Ancilla, Mitte Hesinde 1037 BF:

Man hatte den Alten in einem Seitentrakt des Klosters untergebracht, wo es an gewöhnlichen Tagen ruhig zuging und der Alltag des Klosters kaum zu spüren war. Es waren aber keine gewöhnliche Tage, das Kloster barst nahezu vor Gästen, die man selbstverständlich auch in diesem Teil hatte unterbringen müssen. Unbehagliches Flüstern und Tuscheln tönte über die Flure seit der Brandrede des Gelehrten Griffelspitz und des Ausschlusses des Kor-Geweihten Denderan von Pfiffenstock.

Es war ein offenes Geheimnis, dass sich der Zustand des Efferd-Geweihten von Tag auf Tag verschlechterte. Schon am ersten Tag, als er sich unter Schmerzen auf seiner Pritsche windete, hatte er die beiden Peraine-Geweihten Ährengard von Spornstein-Nettersquell und Janea Ravenna mit groben Worten, die sich nur ein Geweihter des Efferds gegen seine Standesgenossen herausnehmen durfte, aus seiner Kammer geworfen. Und auch an den folgenden Tagen, als die beiden Geweihten hartnäckig und unter freundschaftlichen Worten versuchten dem Kranken ihre Hilfe angedeihen zu lassen, wurde seine Stimme zwar schwacher und seine Repliken weniger scharf, doch stur und unnachgiebig weigerte er sich, sie in seine Nähe zu lassen.

Allein die junge Novizin Nandurna von Uckelsbrück duldete er in seiner Nähe. Und von ihr erfuhr der Abt des Klosters auch, wie ernst es um den Geweihten stand: Efferdan hatte aufgehört auch nur die geringsten Tropfen Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Wann immer Nandurna ihm den mit ein wenig Essig getränkten Schwamm mit Wasser an die Lippen führen wollte, kniff er die Lippen zusammen und schüttelte bestimmt den Kopf. Erst energisch. Dann immer matter und schwächer. Der Fluss, so spürte es Nandurna mit einem Anflug von Trauer im Herzen, näherte sich seinem Bestimmungsort.

Drei Tage nach seinem Sturz war der Geweihte ein ausgemergelter und schwacher Leib, dessen Erlösung nahe war. Als sich die frühe Efferdstunde des 12. Hesinde näherte, winkte er die müde an seiner Pritsche kauernde Nandurna zu sich. Im unwirklichen Licht eines faustgroßen Leuchtsteines beugte sich die junge Frau hinab zu dem erschöpften Greis. Mit matten Augen wies sie die beiden schlafenden Diener des Klosters an, den Raum zu verlassen, wie er es gewünscht hatte.

Wenig später erstattete die Novizin dem Abt des Klosters, der gemeinsam mit anderen besorgten Geweihten und Magiern vor der Kammer gewartet hatte, den kurzen Bericht vom Tod des Efferd-Geweihten. Sein Atem habe wie ein aufgepeitschtes Meer geklungen, auf dem die Schiffe in Seenot geraten. Und kurz bevor sich seine Seele auf ihren Weg zu ihrem Herrn gemacht hatte, hätte es die zarten Glieder des Mannes geschüttelt und mit einem Ruck habe er sich aufgesetzt und mit fester und mahnender Stimme zu ihr gesprochen. Die Worte hatte Nandurna kurz darauf auf einem Zettel notiert, aber sie klangen noch immer nach in ihren Ohren.

Wortlos überreichte Nandurna dem Abt ihre Notizen. Mit feiner und zierlicher Hand waren dort die folgenden Worte notiert, die Adran von Feenwasser den vor der Tür Versammelten vorlas: »Die Harmonie der Schlange aufgehoben. An ihrem Tor fällt ein die falsche Brut. Auf ewig zerbrochen das steinerne Band. Ein Kampf ohne Sieger in einem Krieg der Geschwister. Wilde Kraft des ungebändigten Seins.«



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Texte der Hauptreihe:
P10. Briefe
K83. Zweifel
12. Hes 1037 BF zur nächtlichen Traviastunde
Ein Fluss fließt ins Meer
Dialoge mit der schönen Alten


Kapitel 62

Der Zug der Unzufriedenen 1
Autor: Hartsteen