Geschichten:Wespennest - Bienenflug

Fridega stand noch eine ganze Weile still und unbeweglich in dem Schuppen, nachdem ihr Vater sie verlassen hatte. Sie zuckte heftig zusammen, als es aus dem Dunkel hinter der Trennwand hieß: »Jetzt ist die Wespe losgelassen. Weh den armen fleißigen Bienchen!«

In den Schein der Blendlaterne quälte sich ein fettleibiger Mann mit speckigem Wams, aber fein gestepptem Umhang. Er steckte sich soeben eine abgekaute Pfeife unter den roten Schnurrbart, ohne sie anzustecken.

»Ich wusste gar nicht, dass man Seine Exzellenz in Fachkreisen ›Frettchen‹ nennt«, belustigte sich der Dicke.

»Das tut man auch besser nicht, Halderfelden. Ewex kann sehr nachtragend sein.« Fridega sah den fetten ehemaligen Ermittler der Garether Criminalkammer energisch an. »Wie mein Vater zweifelsohne sehr bald spüren wird.«

»Das glaube ich auch, Verehrteste. Wer sind seine Komplizen, die er Euch genannt hat?«, fragte Halderfelden, indem er eine kleine Wachstafel aus den Falten seines Umhangs zog.

»Ihr habt doch alles gehört. Na schön: mein Schwager Herdan von Zeryenburg, er ist Ritter auf der Asselburg. Meine Tante Seline von Isppernberg, versauert seit eh und je auf Schloss Wiesenthal. Hauptfrau Aline ist Aline von Zweifelfels, eine Adjutantin meines Vaters. Über die beiden Hauptleute der Maulwürfe kann ich Euch bald mehr sagen.«

»Danke, Kind«, sagte Halderfelden väterlich. Dann aber wurde sein Blick hart. »Für Eure Karriere würdet Ihr fast alles tun, was?«

»Was meint Ihr? Zum Beispiel meinen Vater verraten? Ja. Wobei … er hat eigentlich mich verraten. Wir sind also quitt.« Fridega verschränkte die Arme vor der Brust. »Und nun?«

»Nun wollen wir mal sehen, was Euer Vater so alles auf die Beine stellt. Wichtig ist, dass dem Keres das Herz so richtig in die Hose rutscht. Er soll spüren, dass er zu vielen auf die Füße getreten ist. Vielleicht wird Euer Vater sogar dem einen oder anderen von diesen Tauroristen auf die Füße treten. Ich hoffe nur, dass es nicht blutig wird.«

»Träumt weiter. Glaubt Ihr, mein Vater hätte sich zum Feldobristen hochgedient, weil er zimperlich ist?«, schnaubte Fridega.

»Nein, wahrlich nicht. das scheint keiner aus Eurer Familie zu sein«, brummte Halderfelden.

»Was werdet Ihr jetzt machen, Halderfelden?«

»Ich werde jetzt den Flug der Bienen beobachten. das mache ich ja im Auftrag seiner Exzellenz schon eine ganze Weile. Und wenn ich genügend Züge beobachtet habe, werde ich dem … ›Frettchen‹ alles übergeben, damit er machen kann, was er für nötig hält.«

»Na dann: viel Erfolg.«

»Danke, den werde ich haben«, brummte Halderfelden und verschwand in der Dunkelheit.

Erneut starrte Frdega in das Dunkel und dachte nach. Sie befand sich an einem Kreuzweg, das wusste sie. Entweder würde es von hier aus steil nach oben gehen oder genauso steil bergab. Es würde ihr keineswegs helfen, dass sei dem Cantzler das Bett gewärmt hatte. Er würde sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Genauso schnell und herzlos, wie er sie gelehrt hatte, ihren eigenen Vater ans Messer zu liefern. Fridegas einziger Trost in diesem Moment war, dass diese Männer alle so alt waren. Sie würde sich gar nicht so sehr anstrengen müssen, um auf ihre Gräber spucken zu können. Die Natur und Väterchen Boron würden es schon richten.

Sie nahm die Lampe und ging.