Geschichten:Nie Wider Fron und Lehen - Äpfel zum Frühstück

Burg Yossenfels, 8. Travia 1036 BF

In den nächsten Tagen versuchte Thyria etwas über die Gefangenen in Erfahrung zu bekommen. Doch entweder wussten die Burgbewohner nichts, oder sie wollten Thyria nichts darüber erzählen, andere wiederum fragte sie gar nicht erst. Das einzige was sie von Hane hinter vorgehaltener Hand in Erfahrung bringen konnte war, dass es sich um die Familie Norden handelte (sie schalt sich selbst für diese Verwechslung), und der Burgherr einen Gefangenenaustausch anstrebe.

Über die Gefangenen selbst, konnte er nicht viel sagen. Die üppige Frau von Norden, durfte am selben Tag ihrer Gefangennahme noch ihr Pferd besteigen und die Burg verlassen. Bei den anderen beiden handelte es sich um Vater und Sohn. Sie wurden nicht im Kerker eingesperrt, wie die Pagin zunächst angenommen hatte. Für die beiden Gäste (ja, dieser Begriff wurde für sie weiterhin benutzt) wurde eines der Gästezimmer auf einem oberen Stockwerk der Burg eingerichtet, mit kompletter Möblierung, inklusive gemütlicher Betten und zusätzlich zwei bewaffneten Wachen vor der Tür.

Am nächsten Morgen hatte Thyria die Anweisung bekommen, den hohen Gästen ihr Frühstück zu bringen. Vorsichtig balancierte sie ein schweres Tablett mit einem ausgiebigen Frühstück die Treppe hinauf. Der aromatische Tee, eine Kanne frische Ziegenmilch, köstlich duftende Kräuterfladen und eine Schüssel mit saftigen Äpfeln, waren nur die schwersten Dinge auf dem Tablett.

Oben angelangt musste sie bedauernd feststellen, dass Hane heute keinen Wachdienst hier hatte.

„Ich bringe den Herren das Frühstück“, sagte sie kleinlaut.

„Sieh dir das an! Gefangene und trotzdem ein Festmahl“, spottete der eine Wachmann zu seinem Kumpanen.

Der andere Wachmann öffnete die Tür und trat ein, um im Inneren neben der Tür Stellung zu beziehen. Beim Eintreten ins Gästezimmer stibitzte der hungrige Wachmann einen kleinen Kräuterfladen vom Tablett. „Schön den Mund darüber halten, Krähe! Die werden trotzdem satt“, raunte er der Pagin zu, welche nicht weiter darauf einging.

Sie sah den älteren Gefangen in einem Sessel nahe des Fensters sitzen, wohl über die Situation nachsinnen, während er den Blick nach draußen gewandt hatte. Dann sah er kurz zur Tür auf, als sich diese öffnete, drehte den Blick aber gleich wieder zurück, als er bemerkte, dass nur Essen gebracht wurde.

Der jüngere der Beiden hingegen schritt unruhig im Zimmer auf und ab. Dem Wachmann und auch Thyria schenkte er einen finsteren Blick.

Wortlos stellte die Pagin das Tablett auf den Tisch in der Mitte des Raumes und verneigte sich. Sie wollte gerade langsam wieder zurück treten, als der Ältere den Blick auf die Pagin richtete. „Moment! Ihr seid keine Kammerzofe, oder?“ seine Augen starrten auf Thyria, welche den Blick senkte und leicht den Kopf schüttelte.

„Nein, mein Herr. Ich bin Pagin am Hof.“

„Ich denke mal, ihr wisst wer wir sind. Es gebietet die Höflichkeit, dass ihr euch vorstellt.“

Thyria nickte verstehend. „Thyria…Thyria von Rond. Pagin am Hofe von Helmbrecht von Yossenstein“, sagte sie die Formel, wie sie sich höheren Herrschaften vorzustellen hatte.

„Rond? Rond, ja. Du bist Halgans jüngste Tochter, richtig?“ Der Mann erhob sich vom Sessel und ging zum Tisch.

„Äh, ja Hoher Herr“, sagte sie zögernd und trat unbewusst dabei einige Schritte zurück vom Tisch.

„Deine Pagenzeit ist bald vorbei, richtig?“

Der Gefangene wusste zu viel über sie. „Ja, Hoher Herr.“

„Und gefällt es dir auf Yossenfels?“ Er musterte sie ganz genau, was Thyria sichtlich unangenehm war.

„Nun, ich…äh…“ Die Pagin war etwas überrascht über die Frage, und irgendwie kriegte sie die blanke Lüge nicht über die Lippen.

„Das reicht jetzt! Euer Frühstück wird kalt“, mischte sich der Wachmann ein und gab Thyria einen auffordernden Wink das Zimmer zu verlassen.

Die Pagin ging diesem nach, warf aber Thordenin noch einen letzten Blick zu. „Es war mir eine Freude, Fräulein von Rond“, schmunzelte er ihr hinterher.

Sie nickte leicht lächelnd und die Tür schloss sich wieder.

Während des kurzen Geplänkels hatte Walderion etwas verwundert zwischen seinem Vater und der jungen Pagin hin und her geschaut.

„Kennst du sie?“ fragte Walderion schließlich, nachdem sie wieder allein waren.

„Nur ihren Vater“, erwiderte Thordenin, während er die gebrachten Speisen überschaute.

„Und was sollte dann das Geplaudere?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber irgendetwas sagt mir, dass sie noch nützlich sein könnte.“ Thordenin biss in einen Apfel und schmunzelte dabei süffisant.