Geschichten:Die Katastrophe (Al’Katas Pu’ranuth) - Bluthund von der Kette
Baronie Brendiltal, Junkertum Varintal, Dorf Seebad, ein geheimes Treffen im Hamam Al’Sefa, Anfang/Mitte Travia 1039 BF – kurz vor den Ereignissen aus „Martok und die Stämme“
Der Dampf hing in dem schmuck gefliesten, kleinen Nebenraum des großen Bades wie mehrere Lagen Stoff, der seinen schwitzenden, vernarbten Körper wohlig-warm und weich umschlang. Ähnlich sie die 2 nackten Baderinnen an Al’Ariks Seite, die er aber nun etwas genervt davon schickte, als sich die vier Geladenen aus dem warmen Nebel heraus schälten. Sie hatten allesamt die Körper von Kriegern und Al’Arik bemerkte stolz wie prächtig doch die seinen waren bevor er sie aufforderte sich zu setzen. Zuerst erging man sich in Plänkeleien und derben Scherzen und gerade die Älteren führten so manche Anekdote zu ihren Narben auf den Zungen. Nach einiger Zeit, als die Gespräche sie angeheizt und der Wein sie großmäulerisch gemacht hatte sah Al’Arik seinen Moment gekommen: „Meine gloreiche Familie, die letzten Jahre waren gut zu uns und unser Name erblüht wie eine fürstlich-glänzende Rose. Doch auch unser aufgehender Stern ist durch die neusten Entwicklungen gefährdet. Ihr wisst wovon ich spreche und ich kenne eure Gedanken dazu.“ Alle starrten ihn gespannt an und hielten inne als er weiter sprach: „Martok ist gefährlich, er lebt nicht den Geist seines Vaters, er lebt nicht unseren Geist. Er wird Eslams und Simolds Werk zerstören, doch wir werden das nicht zulassen. Und die Götter geben uns den Moment dazu jetzt, sie geben uns Hamar Cherk’Avar.“
Diese Worte saßen, alle blickten mehr oder weniger fassungslos zu ihm herüber. Hamar der Sohn des als Verräter gebrandmarkten Aslam. Al’Arik hatte nichts anderes erwartet, doch bei seinem jüngsten Sohn Said war er sich sicher, dass dieser ihm bedingungslos folgen würde, war er doch absolut loyal und kam ganz nach seinem Vater, ihm. Und so regte dieser sich auch am schnellsten wieder, goß sich noch einen guten Schluck Wein in den geröteten Kopf, warf den Kelch scheppernd an die Wand und legte seine Hand auf die Schulter seines Vaters: „Für das Blut der Familie und das Blut auf dem Felde. Ich bin bei dir Vater.“ Zufrieden lächelte dieser, dann blickte er zu seinem Bruder Korhelm, der in letzter Zeit etwas in sich gekehrter, mystisch-verklärter wirkte, vorallem seit dem seine Tochter unter mysteriösen verstorben war. Al’Arik traute Korhelm seit er ihm bei einer Audienz bei Eslam vor 4 Jahren in den Rücken gefallen war, schon eh nicht mehr so ganz, so dass ihn dieses Verhalten hatte noch vorsichtiger bei seinem Bruder werden lassen. Dennoch war sich der Varintaler sicher, dass er nicht viel Überredungskunst brauchte um seinen Bruder auf seine Seite zu ziehen. Hatten sie doch in so vielen Kämpfen und Schlachten immer Seite an Seite gestanden und konnten sich als blutsverwandte Brüder immer aufeinander verlassen. Korhelm erwiderte Al’Ariks Blick wissend, zögerte aber etwas. Doch was sollte er tun wenn er sich Al’Arik und Hamar, den er auch nicht so verdammte wie viele andere es öffentlich taten, nicht anschloss? Sollte er ihnen in den Rücken fallen? Genau das würde Martok von ihm erwarten, aber das würde er ihm nicht geben und dann konnte er genauso gut mit den beiden reiten, zumal er Martok, wie auch dieses Kind Caihyn nicht als würdig empfand Eslams Nachfolge anzutreten. Also tat er es seinem Neffen gleich, warf seinen Kelch und antwortete: „Für das Blut der Familie, für den flammenden Kor! Die Zuatar’aratan werden zusammen reiten, mein Bruder, mein Blut.“ Damit hatte Al‘Arik die Zwillingsblutgarden, 36 kampflüsterne Ammayin, geeint hinter sich, plus einige weitere kampferprobte Männer, die sie in Varintal und Feshaven ziehen würden, dachte er sich zufrieden. Fehlte noch die Scharlachrote Horde seines ältesten Sohns Tar, ein Haufen der vorallem im Grenzgebiet als Söldner schon einiges Reden von sich gemacht hatte, seit Tar sie vor 3 Jahren führte um das Herz seiner Frau zu gewinnen. Doch eben Tar war von anderem Schlag als sein Bruder Said und erwachte nun auch aus seiner Starre: „Ist das dein Ernst Vater, ich denke über Martok und das Verschwinden Caihyns ähnlich wie du, aber Hamar? Ein Verräter am Reich?“
Sein Vater blieb ruhig, trotz der direkten Worte seines Jungen, denn war es ihm klar gewesen ihn überzeugen zu müssen, wobei ihm aber grad der jüngere Sohn zu Hilfe kam, den er vorausschauend schon ein Stück eingeweiht hatte. Und so wollte Al’Arik eine neue Gallionsfigur setzen auf die Said besten Zugriff hatte. Said hatte den missratenen Säufersohn Eslams Aurel, an dessen Seite Said jetzt schon seit geraumer Zeit in der Hauptstadt weilte, nach Varintal gebracht, wovon aber noch niemand außer den dreien etwas wusste. Und so antwortete der Vater dem Sohn erstmal: „Mein Sohn, mein Fleich und Blut, prachtvolle Frucht meiner Lenden, der mich stolz macht wie eine Herde wilder Brendiltaler. Deine Worte sind direkt und du meinst in deiner Jugend mehr zu wissen als dein alter Herr. Doch lass mich dir sagen, dir der du Hamar und dessen Vater Aslam nie kanntest. Die Stimmen die so hart über die unseren befinden sind nicht die unseren Stimmen und versuchen uns schon seit geraumer Zeit klein zu halten und unsere Visionäre mit Lügen und Possen zu verharmlosen oder zu kriminalisieren. So gelten Hamar, aber auch gerade sein weitsichtiger Vater uns heute als Verräter, doch galt auch der Raulsche Answin als solcher und wird heute im fernen Greifenfurt sogar als Heiliger verehrt. Es gibt immer mehrere Geschichten und alle laufen sie fort im Fluß der Zeit. Hamar hat sich geändert, er ist reifer geworden, ihm liegt – wie seinem Vater – viel an unserem Volk und er will es – wie Eslam und St. Simold – nicht untergehen sehen. Deshalb bot er mir seine Hilfe an. Und glaub mir, nicht wenige führen seinen Namen noch mit Respekt, wenn auch nicht offen.“, Al’Arik trug dick auf und dehnte die Wahrheit beträchtlich – auch für sich selbst - und merkte wie sein Sohn erneut aufbegehren wollte und schlug dann in die Kerbe: „Martok wird uns untergehen lassen, siehe die Mittel die er wählt. Doch die Götter schickten uns noch einen Mann, der an unserer Seite stehen wird – Aurel von Brendiltal – dein junger Bruder brachte ihn hier her, er ist auf unserer Seite.“ Staunen bei allen Unwissenden, Zufriedenheit bei Al’Arik. Zwar war der Prinz Brendiltals seit Jahren zu sonst nichts mehr zu gebrauchen, aber als Symbol würde er seinen Dienst tun und Tar sollte damit zufrieden sein, während Aurel ihm wohl kaum im Weg stehen würde. Denn offiziell würde Al’Arik sich vor seinem Sohn wie auch vor Perricum als Wahrer der Ordnung aufspielen und die nichtbastardischen Erben Eslams hofieren. Er hoffte er würde Tar damit bekommen und auch seine 18 größtenteils baburischen Krieger. Doch setzte er noch zu weiteren Worten an und rieb seinem Ältesten nochmals die Gerüchte unter die Nase, dass Martok die Entführung seines Neffens selbst in die Wege geleitet hatte. Diese Gerüchte hatte er auch gezielt innerhalb der letzten Tage immer wieder selbst gestreut. Damit sollte er Tar kriegen, doch überließ er nichts dem Zufall, konnte er doch sehen, dass sein Sohn wankte: „Tar, sieh hier deine Familie, vereint und stark wie nie, wir können gemeinsam unseren Namen in die Geschichten der Haimamudim schreiben. Das Haus Kur’barun, die Heiliggeborenen Kors, der Kampf ist unsere Bestimmung, das Blut ist unsere Einigkeit, der Sieg ist unser wenn wir gemeinsam streiten, für Eslam und sein Erbe.“
Der Vater konnte förmlich die letzten Bedenken wegbrechen oder in den Hintergrund rücken sehen und umarmte seinen Erstgeborenen, der die Umarmung erwiderte und ihn herzlichen auf die Wangen küsste: „Vater, wie oft habe ich mir gewünscht mit meinem Blut Seite an Seite für das Gerechte zu streiten. Jetzt soll es soweit sein. Für das Blut der Familie, für das Blut auf dem Felde und für Eslam und die Gerechtigkeit.“ Auch er ließ vom Vater ab und warf seinen Kelch.
Nun kam der letzte Geladene zum tragen, der ebenfalls nicht leicht zu überzeugen sein dürfte. Er war zwar ein Korbrunn, aber nicht direkt verwandt. Aber wenn er seinen Vetter Cem’Maal auf seine Seite zog stand der komplette Korbrunner Süden Brendiltals auf seiner und Hamars Seite. Doch für Cem’Maal stand viel auf dem Spiel, er war Hauptmann eines Grenzreiter-Schwadrons der Markgrafschaft und dieser somit verpflichtet. Ein Umstand der diesem zwar auch nicht unbedingt gefiel, ihm aber auch viele Vorteile brachte, die er ganz sicher nicht verlieren wollte.
Doch auch bei ihm blieb die Stimmung des Moments nicht ohne Wirkung und so setzte Al’Arik an. Er bekräftigte – nun gemeinsam mit seinem Bruder und seinen Söhnen – nocheinmal das bereits gesagt und beschwor ererneut die große Zukunft der Korbrunner. Doch – und das sollte sein Ass im Ärmel sein - wollte er von Cem'Maal vorerst kein direktes Eingreifen. „…Doch ich bin kein dummer Esel, der nicht weiss von der Menschen Antrieb, mein Vetter. Du bist gebunden an die Raulschen, hast uns durch diese schwere Last schon so manch großen Dienst getan. Du kannst nicht einfach handeln. Aber das verlangt dein Blut auch gar nicht von dir. Du sollst nur uns und Hamar nicht weiter behelligen wenn Hamar und seine Männer die Grenze überqueren. Natürlich muss es hier und da ein paar kleine Scharmützel zur Täuschung geben, aber nichts ernsthaft Gefährdendes. Ich weiss dass du solche Tricks beherrscht, deshalb bist du Ideal dafür. Danach kannst du uns vorsichtig den Rücken freihalten und sobald wir im Süden für Ruhe gesorgt haben, dich auch als Junker von Mantikorszahn unserer gerechten Sache anschließen. Zudem kann dein Sohn dafür sorgen, dass die Tiefschwarzen Blutrösser nicht geeint hinter Martok stehen.“ Inoffiziell würde Al‘Arik Cem’Maal bei dieser Unternehmung natürlich ähnlich viele Privilegien einräumen wie sich selbst. Diese ließen sich dann später natürlich auch offiziell bestätigen, so war der Plan. „Also, was sagst du Vetter? Bruder meiner Sippe, Bruder meines Volkes? Kann sich die Familie auf dich verlassen?“ Der Angesprochene schüttelte zum erstaunen der anderen nur den Kopf, machte dann eine lange Pause, bis ein leichtes Lächeln seinen Mund umspielte: „Du bist wahnsinnig, Vetter, doch der Wahn steht dir gut. So gut dass ich dir mit Freuden in diesen Kampf folge. Und wenn uns nicht der Ruhm holt, holt uns der ehrenhafte Tod. Für das Blut der Familie, für das Blut auf dem Felde!“, stimmte er nun auch mit ein.
Die Stimmung hob Al‘Arik empor, ein Hochgefühl, dass selbst er so noch nicht kannte, er hatte das Tor zur Geschichte aufgetreten. Denn nun würden sie mit den Zwillingsblutgarden, der Scharlachroten Horde, den Kriegern Cem’Maals Junkertums und weiteren Kämpfern aus den Lehen und den schnell folgenden Eroberungen mindestens 100 Mann, die sich mit Hamars Männern vereinigen würden. Martok würden sie während seiner lächerlichen Fürstenzusammenkunft, bei der er sie an seiner Seite erwarten würde, überraschen. Zu dieser – das pfiffen schon die Vögel von den Dächern – würden eh nicht viele kommen. Denn sie lagen alle im Streit, keiner würde dem Al’Shuar Martok zur Hilfe kommen und der Al’Shuar Al’Arik würde unter Beweis stellen, dass ihm dieser Titel gebührte. Soweit der Plan, dachte er sich finster und mochte das Gefühl der Unsicherheit die entweder Tod oder Ruhm bedeutete, dem großen Kor zum wohlgefallen.
Kursiv = nebachotisches Tulamidya