Geschichten:Schatten des Marschalls - Stört nicht die Stöberer

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Puleth

„Nun zier dich nicht so, Zinia.“ Olbert umfasste die Hand der jungen Frau ein wenig fester und zog sie hinter sich her.

„Ich hab ja nicht wirklich was dagegen, Olbert, aber meine Muhme meinte, man soll erst ins Heu gehen, wenn man den Traviabund geleistet hat.“

Olbert grunzte unwillig: „Deine Muhme ist eine alte Schachtel, die keinen Dunst davon hat, wie man heutzutage lebt. Voll in den Tausendern, wenn du mich fragst.“ Der hochgewachsene Siebzehnjährige blieb stehen, bückte sich und schob sich einen Strohhalm zwischen die Lippen, was ihn in Zinias Augen fast ein wenig verwegen aussehen ließ. Der Großknecht hatte leuchtende blonde Haare, eine großgewachsene Statur und ein breites Kreuz. Unter dem einfachen Hemd bildeten sich seine kräftigen Muskeln ab und abgesehen von seiner rauen Art, war er ein liebevoller Geliebter, wie Zinia in den letzten Monden festgestellt hatte. Aber er hatte auch klare Grundsätze und einer davon war, dass er nicht bereit war, lange zu warten, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Zinia sollte das nur Recht sein. Er hatte ihr versprochen, sie noch in diesem Jahr zu ehelichen, und sein Blick war dabei so aufrichtig gewesen, dass sie zu keinem Zeitpunkt an seiner Aussage gezweifelt hatte. Bis ihre Muhme ihr den Floh ins Ohr gesetzt hatte, er sei auch nur wie die anderen Burschen, die eine Jungfrau ausnutzten, wie es ihnen in den Kram passte und sie fallen ließen, wie eine heiße Kartoffel, sobald sich ihre Leidenschaft auf ein Normalmaß abgekühlt hatte.

Hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen folgte Zinia Olbert in den Schatten des langsam verfallenden Bauwerkes, das jenseits des Dorfangers aufragte. Noch vor ein paar Jahren hatte man viel Geld in das ambitionierte Bauwerk gesteckt. Ein Tempel hatte es werden sollen, der allen Göttern zugleich huldigte und dessen Ruhm weit über das kleine Städtchen Puleth hinausreichen sollte. Doch dann hatte die Vogtei gewechselt und irgendwie waren über die Zeit Wille und Barschaft so weit zurückgegangen, dass das Bauwerk nun dem Zahn der Zeit übergeben worden war, mit fertig gestellter Krypta, ein paar eingesetzten Glasfenstern und einem abgrundtiefen Grab von Ambitionen.

Olbert warf sich im Schatten des Baues in das duftende Moos und zog Zinia vorsichtig zu sich herunter. Sein lachender Mund wandte sich ihr zu, während seine breiten Hände liebkosend über ihre Schultern strichen. Zinia nestelte an seinen Hemdknöpfen und fuhr mit spinnwebleichter Hand über seine muskulöse Brust, während er selbst noch damit beschäftigt war, die Schnüre zu öffnen, die ihr Brusttuch zusammenhielten.

Da erscholl im Inneren des Gebäudes ein Geräusch von berstendem Stein, gefolgt von lautem Poltern von Steinbrocken, die in nachtdunkle Tiefe herabfielen.



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12. Pra 1040 BF zur nächtlichen Rondrastunde
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Autor: VW