Geschichten:Schattenkrieger – Sternenpfad

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Sternenpfad


Landgut Ehrenfeldt, 9. Boron 1039 BF, kurz nach Mitternacht


Sie konnte nicht schlafen, schon die dritte Nacht in Folge fand sie keine Ruhe. Sie wälzte sich nach links, dann nach rechts, doch aller Müdigkeit zum Trotz wollten ihr die Augen nicht zufallen. In der ersten Nacht hatte sie sich noch nichts dabei gedacht, auch gestern hatte sie es hingenommen, doch dass es neuerlich wieder auftrat verunsicherte sie. Ob es etwas mit dem Kristall zu tun hatte, den sie im Trollgrab geborgen hatte? Seitdem befand sich sich in diesem Zustand, und inzwischen beschlich sie das Gefühl, irgendetwas vergessen zu haben.

Vorsichtig drehte sie sich zur Seite. Wulf, ihr Gemahl, schlief tief und fest; sein Atem ging ruhig und leise. Behutsam setze sie sich auf und huschte behände aus dem Bett. Im fahlen Licht der Nacht, dass durch die Fenster hereinbrach waren nur die Schemen des unbekannten Zimmers zu erahnen, das der Gutsherr ihnen zugewiesen hatte. Also tastete sie sich vorwärts hin zu der Truhe, in der sie ihre Gewänder abgelegt hatte, ohne wirklich etwas zu sehen - und schließlich stieß sie dagegen.

Sie seufzte, dann murmelte sie leise die Worte Phexens, und augenblicklich erschien ihr das Zimmer wie vom Mondlicht erleuchtet. So nickte erleichtert, so war es besser. Sie öffnete die Truhe einen Spalt weit und tastete nach nach dem kleinen Lederbeutel, in welchem sie den Kristall verstaut hatte. Sie nestelte den Kristall heraus, schloß für einen Moment die Augen, doch sie hatte sich nicht geirrt: Der Kristall leuchtete, wie er es zuvor nie getan hatte - oder vielmehr nicht mehr getan hatte, seit sie ihn in der Grotte im Sternenbild berührt hatte. Doch war das nicht mehr ein Traum, eine Vision gewesen? Noch einmal schloß sie die Augen, konzentrierte sich auf den Kristall, und selbst mit geschlossenen Augen konnte sie das Leuchten erkennen - ein Leuchten, das sie offenbar nur durch die Liturgie wahrzunehmen vermochte, die ihren Blick in der Dunkelheit schärfte. War es ein Zeichen des Nächtlichen, ein verbogener Hinweis?

Leise bewegte sie sich zum Bett zurück und ließ sich im Schneidersitz darauf nieder. Ihre Hände formten sich zu einer Schale, in welcher der Kristall nun ruhte - und plötzlich emporzuschweben schien. Er tanzte wild in der Luft vor ihren Augen herum, hielt abwerben immer wieder inne, so das das Sternbild des Fuchses entstand.

Sinya lächelte. Wie ein Schlüssel öffnete das Bild ihren Geist, und sie ließ die karmale Kraft Phexens fließen, einen Bogen schlagen zwischen sich und dem tanzenden Kristall, einem Sternenschweif gleich, den nur sie sehen konnte. Ein Riss auf ihrer Stirn tat sich auf, und der funkelnde Kristall löste sich aus dem Sternenreigen, schwebte auf sie zu und drang darin ein.

»Der Pfad der Sterne«, flüsterte sie andächtig, und die Worte der Liturgie - intuitiv wusste sie, dass es ebensolche waren - brannten sich in ihren Geist.

Zurück blieb nur eine Narbe, quer inmitten ihrer Stirn, exakt so lang wie ein Augenlid.