Greifenfurt:Irmenella von Wertlingen
Als vor nunmehr zwölf Jahren Abtmarschall Dragosch Corrhenstein die gerade einmal sechzehn Sommer zählende Irmenella (geb. 6 Hal) aus dem Geschlecht derer von Wertlingen freite, da war die einzige Tochter des unglückseligen Markgrafen Shazar und seiner Gattin ein unscheinbares Hoffräulein, scheu wie ein Reh und von sanftem Wesen. Galten Irmenellas Interessen vor dem Krieg nur den höfischen Tugenden - der Etikette, dem Musizieren, dem Tanz und der höflichen Konversation - machte sie, bedingt durch die schrecklichen Dinge, die sie in den Kriegsjahren miterleben musste, eine erstaunliche Wandlung durch. Sie, die die Belagerung und Besetzung der Stadt miterlebte, die von Orks verschleppt und wieder befreit wurde, deren Ehemann sich als einer der übelsten Verräter in der Geschichte des Reiches herausstellte, konnte wohl nicht das leichtfertige und oberflächliche Mädchen bleiben, als das man sie kannte.
Nachdem ihr Vater im Jahre 21 Hal in die Verbannung geschickt worden war, bestallte der Reichsbehüter die junge Thronfolgerin als neue Markgräfin und setzte Rittfrau Faduhenna von Gluckenhagen als Kanzlerin der Markgrafschaft und Vormund der blutjungen Markgräfin ein, bis diese selbst in der Lage sei, die Krone Greifenfurts allein zu tragen. Sechs Jahre währte diese Vormundschaft, bis Irmenella im Rahmen der Emerschen Reichsreform schließlich - in Greifenfurt begann der Adel bereits zu murren - zur neuen Landesherrin ernannt wurde. Hofjungfer der Markgräfin ist übrigens die Koscherin Nadyana von Wengenholm.
Die junge Markgräfin ist zwar auf den ersten Blick zurückhaltend und nachgiebig, doch verbergen sich hinter dieser Fassade ein scharfer Verstand und ein beträchtlicher Ehrgeiz, für sich und ihr Land das Beste zu erreichen, Eigenschaften, die ihr im Laufe ihrer Regierung Loyalität des Adels der Mark gesichert haben, wie verschieden auch in ihren politischen Überzeugungen.
Irmenellas Weg, ihre Ziele zu erreichen, sind nach dem Vorbild der Kanzlerin Diplomatie und politisches Geschick - ob ihr dies am Rande des Reichs zum Heil gereichen wird, steht auf einem anderen Blatt.
Ihre Vermählung mit dem Koscher Prinz Edelbrecht von Eberstamm wurde von Teilen des märkischen Adels mit Misstrauen beobachtet, fürchtete man doch, der Koscher Einfluss bei Hofe könne Überhand nehmen. Doch das gewinnende Wesen des Prinzen, gepaart mit seiner gradlinigen Art, haben bewirkt, dass der 'Greifingemahl' mittlerweile selbst bei eingefleischten Märkern eher als Einheimischer denn als Koscher gilt.
Die Geburt des Erbprinzen Ulfried Halmdahl von Wertlingen brachte indes eine Wende. Seit sie kurze Zeit vor der Geburt des Jungen plötzlich eine Kinderstimme in ihrem Kopf vernahm und sich das von ihr geborene Kind immer 'unkindlicher' benahm, begegnete sie diesem mit Misstrauen. Zu Recht, hatten doch der Meister der Mark und einige seiner Vertrauten durch das Ritual der Seelenwanderung die Seele eines uralten Orkenschamenen in den Körper des Kindes gebannt, dessen Seele aber in den Körper der Greifin. Irmenella entfremdete sich für alle sichtbar immer mehr von dem eigenen Erbprinzen und begann zudem, in unbeobachtet geglaubten Momenten Selbstgespräche zu führen, bei denen sie sich selbst mit Kinderstimme antwortete. Bei einer Festzeremonie 1031 BF erreichte schließlich die geistige Verwirrung der Greifin einen Höhepunkt, als sie in Tötungsabsicht auf das eigene Kind losging, immer wieder beteuernd, es blickten sie fremde, unmenschliche Augen aus dem Gesicht des Jungen an.
Um das eigene Kind und die Herrschaft nicht zu gefährden, willigte die 'Greifin' daraufhin ein, sich ins Kloster Rabenhorst in die Obhut der Noioniten zu begeben, um dort die Krankheit untersuchen zu lassen und nach einem Heilmittel zu forschen.
Seit dem Tod ihres Erstgeborenen bei der 'Schlacht am Stein' Ende Phex 1034 BF, mit welchem auch die in ihr befindliche Seele den Weg zu Golgari einschlug, hat Irmenella die Regierungsgeschäfte wieder aufgenommen und bemüht sich, in ihrer Provinz die alte Ordnung wieder aufzurichten.
Während ihres Aufenthaltes im Kloster Rabenhorst 1031 BF zeugte die Greifin mit ihrem Mann Edelbrecht die Zwillinge Aldec Baduar von Wertlingen und Madalieb Thalessia von Wertlingen. Aus Angst, den Kindern - wie dem Erstgeborenen - in geistiger Verwirrtheit ein Leid anzutun, gebot sie hierüber aber Schweigen und ließ die Kinder in Sicherheit bringen. Erst 1035 BF werden die Kinder zurück in die Obhut ihrer Mutter gegeben.
Der Koscher Dichter und Sänger Wolfhardt von der Wiesen dichtete auf die Greifin die Ode Stern der Mark.