Geschichten:Fünf Köpfe für Totentanz - Von Gockeln und Tanzbären
Reichsstadt Hartsteen, 9. Tsa 1040 BF
Helmbrecht von Steinfelde steuerte die ‚Marktschenke' an. Von drinnen erklang lustige Musik, denn die Spielleute, die morgen auf dem Fest seiner Stiefmutter ihre Künste zeigen sollten, hielten mit ihren Fertigkeiten auch gegenüber den Hartsteener Bürgersleuten nicht hinterm Berg. Wie verabredet, hatten die anderen auf ihn gewartet. Die anderen, das waren Brinian von Schroeckh, der bei seiner Tante Lane in der Reichsstädtischen Garde untergekommen war; die sich ihrer Reize nur zu bewusste Sieglinde von Greyfentrutz, deren Onkel hoffte, sie möglichst bald gut zu verheiraten; Arnhild von Weisenstein, Sieglindes Freundin aus Kindertagen und wahrscheinlich größte Bewunderin, und schließlich Anselm von Wetterwend, der für seine Base geschäftlich in der Stadt weilte.
„Ist alles für den großen Tag bereit?“, erkundigte sich die Weisenstein. Helmbrecht seufzte: „Schön wär’s. Ich habe nicht viel Zeit, muss gleich zurück.“
„Ach, komm schon. Für eine Sanduhr und einen heißen Würzwein wirst du dich doch mal loseisen können“, Anselm von Wetterwend klopfte dem Steinfelder auf die Schulter.
„Ich hoffe nur, dass mein alter Herr zu viel anderes um die Ohren hat und nicht mitbekommt, dass ich weg bin.“
Anselm winkte ab und öffnete die Tür: „Und wenn schon. Darf ich bitten...“
Die fünf traten ein und ließen sich an einem der wenigen noch freien Tische nieder, nachdem sie sich ihrer Mäntel entledigt hatten. Eine Weile lauschten sie der Musik und plauderten, bis die ewig neugierige Arnhild begann, Helmbrecht mit Fragen zum Fest zu löchern: „Wer wird denn auf dem Fest morgen der Ehrengast?“
„Ein Schwingenfels sicher nicht“, zuckte Brinian von Schroeckh, der nur Augen für Sieglinde von Greyfentrutz zu haben schien, gelangweilt mit den Schultern.
„Hmm. Vielleicht ist der Platz für ihre Hochgeboren Alara vom Eberstamm. Die hat im Feidewald jüngst richtig aufgeräumt und eine Bestia eigenhändig erschlagen“, gab Anselm von Wetterwend zu bedenken.
„Als ob wir Hartsteener unsere Probleme nicht selbst lösen könnten“, schnaufte Sieglinde verächtlich.
„Quod esset demonstrandum“, murmelte Helmbrecht von Steinfelde dazu, der wie so oft in Gedanken versunken schien.
„Was?“, verständnislos schielte die Greyfentrutz zum Sohn des Hartsteener Wegevogtes.
„Was zu beweisen wäre“, übersetzte Arnhild, die den praiostäglichen Lektionen in Bosparano offenbar mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht hatte als die anderen in der Runde.
„Sie hat sich dem grimmen Jäger verschrieben. Manche nennen sie jetzt die „Bärgräfin“, fuhr der junge Wetterwend fort.
„Oh, dann hättet ihr morgen Abend also eine Tanzbärin im Saal?“, witzelte Sieglinde und nippte am Wein.
„Lieber einen Bär als einen Gockel, finde ich“, wechselte Brinian von Schroeckh das Thema, „Der Baron von Haselhain soll sich ein persönliches Wappen zugelegt haben: Einen Hahn mit Narrenkappe!“
„Was will man auch anderes erwarten von einem Nebachoten...“, Anselm rümpfte die Nase.
„Bestenfalls Halbnebachote. Der war doch am Hof der Sighelmsmark, bevor Alarich von Gareth Reichserzkanzler wurde“, grübelte Helmbrecht.
„Na und? Es ist und bleibt unwürdig und ich wundere mich, dass noch niemand den Kerl gefordert oder entlehnt hat. Der Reichsgroßgeheimrat hat doch seine Augen sonst überall!“, schüttelte der Schroeckh missbilligend den Kopf.
„Mag sein, aber Ihr müsst zugeben, sein Wappen ist origineller als das Eure“, spottete Sieglinde.
„Soll ich das als Beleidigung auffassen?“, Brinian wollte auffahren, doch die Greyfentrutz zeigte ihr entwaffnendes Lächeln: „Mitnichten. Ich mag es nur, wenn Euch der Kamm schwillt.“
Arnhild kicherte, als sie der Freundin so zuflüsterte, dass es auch die anderen hören mussten: „Oder vielleicht noch etwas anderes?“
„Ihr macht Euch über mich lustig!“
„Ganz und gar nicht. Darf ich Euch um den nächsten Tanz bitten?“, bevor er sich es versah, hatte Sieglinde beherzt lachend die Hand des Schroeckh ergriffen und zog ihn in Richtung Tanzfläche. Anselm sah fragend erst zu Arnhild und dann zu Praiodan. Der schüttelte den Kopf: „Macht mal. Ich muss ohnehin wieder los und tanzen werde ich morgen noch genug.“