Geschichten:Fünf Köpfe für Totentanz - Dunkel der Erkenntnis
Reichsstadt Hartsteen, 12. Tsa 1040 BF
Halina erwachte. Und erinnerte sich. Das sanfte Klirren der Gläser, fröhliches Durcheinander, das Schimmern der Kerzen und die seltene Süße der Nachspeise auf der Zunge. Ein gelungener Abend inmitten ihrer Lieben. Bis zu dem plötzlichen überwältigenden Schmerz in der Brust und dem vergeblichen Ringen nach Atem. Die Panik, die sie befallen hatte und die hilflosen Blicke der Geburtstagsgesellschaft, das Drehen und Verschwimmen ihrer Umgebung– die von den Rändern ihres Sichtfeldes zusammenlaufende Schwärze. Und dann: Nichts.
Doch der Schmerz war vergangen und Luft füllte nun ihre Lungen. Allein, sie stellte fest, dass ihr eine große Mattigkeit in den Gliedern steckte. Sie spürte ein feuchtes Tuch über Augen und Stirn, sog den Duft von Kräutern ein. Das Scharren leiser Schritte und das gedämpfte Stimmengemurmel von nebenan drangen an ihre Ohren, zusammen mit dem Knacken der Holzscheite im Kamin und dem Rascheln des Stoffs, als sie ihre Hand unter der warmen Decke hervorzog. Wie lange war sie bewusstlos gewesen? Wie spät war es wohl? Waren die Gäste schon aufgebrochen? Halina tastete nach dem Tuch und schlug die Augen auf. Und dann: Nichts.
„Eure Gemahlin lebt, der Herrin Peraine sei Dank! Allerdings...“
„Was?“
„...gab es eine für den Verursacher der Kalamität sicher unerhebliche Nebenwirkung, die ihr Potential möglicherweise erst wegen des Nichteintreffens des mortalen Effektes zeitigte.“
„Damit kann ich nichts anfangen. Sprecht deutlich.“
„Das Gift hat ihr das Augenlicht genommen.“
„Nein!“
„Leider doch.“
„Oh...Könnt Ihr etwas dagegen unternehmen?“
„Ich tue mein Möglichstes. Aber es wird nicht einfach und der Ausgang ist ungewiss.“
„In anderen Worten, Ihr seid mit Eurem Bosparano am Ende!“
„So würde ich das nicht ausdrücken...Es dürfte aber nicht schaden, wenn Ihr dem Tsatempel eine großzügige Spende zukommen lasst – auch für das Wunder, das Euch heute widerfahren ist.“
„Ein Wunder? Meine Frau ist erblindet!“
„Sie hat den hinterhältigen Anschlag überlebt.“
„Hrmpf. Da habt Ihr wohl nicht unrecht.“
„Gut. Für den Augenblick kann ich tatsächlich nichts weiter tun. Fahrt mit der Behandlung fort, in der ich die Kammerjungfer unterwiesen habe und zeigt etwas Geduld. Wenn mehr von dem Kräuterelixier benötigt wird, gebt Bescheid. Über die Kosten sprechen wir später. Die Zwölfe mit euch.“